Wir gehören zusammenWas ist es, das uns verbindet? Und was ist es, das uns trennt? Mal zärtlich und sehnsüchtig, mal traurig und verträumt, dann wieder sprachspielerisch und hintersinnig hat Milja Praagman zu ihren klaren, farbstarken und fröhlichen Bildern Gedichte geschrieben - über dich und mich, über diesen einen Moment, über Streit und Lärm, über das Finden und Verlieren, das Fragen und Nichtantwortenmüssen. Ein Bilderbuch für alle - voller Wunder und wunderschön illustriert.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Nico Bleutge zeigt sich beeindruckt von der Intensität sowie von der Komplexität der Bilder, die Milja Praagman in ihren Gedichten für Kinder entstehen lässt. So gelingt es ihr beispielsweise, ganz verschiedene, teils gegensätzliche Bedeutungen des Wassers zu erfassen, das zum einen allen Lebensformen gemein ist, das verbindet, zum anderen aber auch trennt und Brüche erzeugt. Auch freut sich Bleutge über die Bezüge zu gesellschaftlich relevanten Themen der Gegenwart, wenngleich ihn die unzureichende Problematisierung bestimmter Begriffe sowie die Deutlichkeit der erzieherischen Intention teilweise etwas stört. Auch fällt ihm auf, dass die ansonsten schön übersetzten Verse, hier und da ein wenig stolpern, wobei er nicht weiß, ob das an der Übersetzung liegt. Insgesamt scheint ihm dieses schöne kleine Buch jedoch trotz der Einwände empfehlenswert.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.04.2022Papa atmet Wellen
Gedichte über Hoffnung und ein munteres Hallo
„Die Kuh! Der Hahn! Das Schwein!“ So hat die Schriftstellerin Brigitte Kronauer einmal einen kleinen Text über ihre Kindheitsliebe zu Tieren begonnen. Und mit den konsequent gesetzten Ausrufezeichen macht sie auch sprachlich deutlich, was ihr die Tiere als Kind bedeuteten. Sie waren etwas Beständiges in der Verschwommenheit der kindlichen Sinneseindrücke, „tragende Säulen der Wirklichkeit“, wie Kronauer schreibt.
Vielleicht deshalb hat die niederländische Kinderbuchautorin Milja Praagman ihren Gedichtband mit lauter Tierzeichnungen versehen. Die zuweilen scherenschnittartig vereinfachten Tiere vermitteln hier eine Atmosphäre der Ruhe und Ausgeglichenheit. Dabei lassen sich die Gedichte auch lesen, ohne an Tiere zu denken. Das Thema „Zusammen“, das dem Buch seinen Titel verleiht, ist offen genug, um darin das ganze Glück des Zusammenseins unterzubringen, oft an die Vorstellung der Familie gebunden, vom Baby in Mamas Bauch bis zu den Erlebnissen der Großmutter. Und es umfasst eben auch das Gegenteil von Ruhe und Ausgeglichenheit: Brüche in Beziehungen etwa oder Schmerzerfahrungen: „Kummer kommt wie ein Regenguss. / Wie ein Sturm von Stärke zehn. / Sodass du denkst, / er wird nie mehr vergeh’n.“
Die Kuh, der Hahn oder das Schwein kommen nicht in den Gedichten vor. Eher sind es Eisbären, Wale, Schwäne oder Pinguine, die wir treffen, wie überhaupt viele Gedichte mit dem Wasser zu tun haben, mal im flüssigen, mal im gefrorenen Zustand. Wasser als das Element, das auf den ersten Blick alles verbindet, auf dem man treiben oder dahingleiten kann, aber auch als etwas, das Kontinente trennt, das Grenze oder Hindernis ist oder Fläche, auf der Menschen zu fliehen versuchen. Solche Zusammenhänge fängt Praagman wie nebenbei ein und verleiht ihren Versen, die ansonsten fast zeitlos wirken, mitunter einen deutlichen Gegenwartsbezug und eine politische Tönung: „Acht Lebensjahre im Gepäck, / ’nen Schuhkarton, drei Onkel. / Die Heimat ist für ihn weit weg, / doch Hoffnung sein Begleiter.“
Auch wenn Begriffe wie „Heimat“ zu wenig hinterfragt werden und sich die didaktische Ausrichtung manchmal sehr in den Vordergrund schiebt, gibt es immer wieder schöne Bilder zu entdecken: „Papa atmet Wellen, / ein und aus, immerfort. / Mein stiller Ozean – / der schönste Ort.“ Allerdings ist Papas Atemfrequenz hier ein wenig unruhig. Ob sich das leicht holpernde Versmaß der Übersetzung verdankt oder schon im niederländischen Text liegt? Auf jeden Fall hat sich Eva Schweikart Mühe gegeben, auch für die Reime intensive Lösungen zu finden, „Hauseingang“ reimt sich hier auf „sekundenlang“ und „allein“ auf „superfein“. So kann man nur mit einem superfeinen Zitat enden, das gute Laune macht: „Ein munteres ,Hallo! für alle / ist in der Stadt nicht angebracht. / Ich mach es trotzdem weiterhin, / denn heut’ hat mich wer angelacht.“
NICO BLEUTGE
(ab 8 Jahre)
Milja Praagman: Zusammen. Aus dem Niederländischen von Eva Schweikart. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2022. 48 Seiten, 16 Euro.
Das Perlhuhn. Illustration aus Milja Praagman: Zusammen
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Gedichte über Hoffnung und ein munteres Hallo
„Die Kuh! Der Hahn! Das Schwein!“ So hat die Schriftstellerin Brigitte Kronauer einmal einen kleinen Text über ihre Kindheitsliebe zu Tieren begonnen. Und mit den konsequent gesetzten Ausrufezeichen macht sie auch sprachlich deutlich, was ihr die Tiere als Kind bedeuteten. Sie waren etwas Beständiges in der Verschwommenheit der kindlichen Sinneseindrücke, „tragende Säulen der Wirklichkeit“, wie Kronauer schreibt.
Vielleicht deshalb hat die niederländische Kinderbuchautorin Milja Praagman ihren Gedichtband mit lauter Tierzeichnungen versehen. Die zuweilen scherenschnittartig vereinfachten Tiere vermitteln hier eine Atmosphäre der Ruhe und Ausgeglichenheit. Dabei lassen sich die Gedichte auch lesen, ohne an Tiere zu denken. Das Thema „Zusammen“, das dem Buch seinen Titel verleiht, ist offen genug, um darin das ganze Glück des Zusammenseins unterzubringen, oft an die Vorstellung der Familie gebunden, vom Baby in Mamas Bauch bis zu den Erlebnissen der Großmutter. Und es umfasst eben auch das Gegenteil von Ruhe und Ausgeglichenheit: Brüche in Beziehungen etwa oder Schmerzerfahrungen: „Kummer kommt wie ein Regenguss. / Wie ein Sturm von Stärke zehn. / Sodass du denkst, / er wird nie mehr vergeh’n.“
Die Kuh, der Hahn oder das Schwein kommen nicht in den Gedichten vor. Eher sind es Eisbären, Wale, Schwäne oder Pinguine, die wir treffen, wie überhaupt viele Gedichte mit dem Wasser zu tun haben, mal im flüssigen, mal im gefrorenen Zustand. Wasser als das Element, das auf den ersten Blick alles verbindet, auf dem man treiben oder dahingleiten kann, aber auch als etwas, das Kontinente trennt, das Grenze oder Hindernis ist oder Fläche, auf der Menschen zu fliehen versuchen. Solche Zusammenhänge fängt Praagman wie nebenbei ein und verleiht ihren Versen, die ansonsten fast zeitlos wirken, mitunter einen deutlichen Gegenwartsbezug und eine politische Tönung: „Acht Lebensjahre im Gepäck, / ’nen Schuhkarton, drei Onkel. / Die Heimat ist für ihn weit weg, / doch Hoffnung sein Begleiter.“
Auch wenn Begriffe wie „Heimat“ zu wenig hinterfragt werden und sich die didaktische Ausrichtung manchmal sehr in den Vordergrund schiebt, gibt es immer wieder schöne Bilder zu entdecken: „Papa atmet Wellen, / ein und aus, immerfort. / Mein stiller Ozean – / der schönste Ort.“ Allerdings ist Papas Atemfrequenz hier ein wenig unruhig. Ob sich das leicht holpernde Versmaß der Übersetzung verdankt oder schon im niederländischen Text liegt? Auf jeden Fall hat sich Eva Schweikart Mühe gegeben, auch für die Reime intensive Lösungen zu finden, „Hauseingang“ reimt sich hier auf „sekundenlang“ und „allein“ auf „superfein“. So kann man nur mit einem superfeinen Zitat enden, das gute Laune macht: „Ein munteres ,Hallo! für alle / ist in der Stadt nicht angebracht. / Ich mach es trotzdem weiterhin, / denn heut’ hat mich wer angelacht.“
NICO BLEUTGE
(ab 8 Jahre)
Milja Praagman: Zusammen. Aus dem Niederländischen von Eva Schweikart. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2022. 48 Seiten, 16 Euro.
Das Perlhuhn. Illustration aus Milja Praagman: Zusammen
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de