Im Gespräch mit Volker Resing und Martin Rupps gibt Julia Klöckner, die dynamische Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz 2016 Auskunft über ihr Verständnis von Politik. Deutlich tritt neben der zupackenden Persönlichkeit Klöckners die Frau mit ihrer biografischen Prägung, ihren Werten und ihren politischen Zielen hervor.
Ein besonderes Buch über eine politische Ausnahmeerscheinung: Früher eine Seiteneinsteigerin, heute eine Hoffnungsträgerin - und morgen?
Ein besonderes Buch über eine politische Ausnahmeerscheinung: Früher eine Seiteneinsteigerin, heute eine Hoffnungsträgerin - und morgen?
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.2015Politiker und Geld
Eine Fehleranalyse in Rheinland-Pfalz
Der Stuttgarter Finanzanalytiker Volker Looman schrieb am 17. November im Finanzteil dieser Zeitung, es sei kein Wunder, dass Politiker viele Milliarden mit einem Federstrich in den Sand setzen: "Die Beträge sind einfach zu groß!" Schon Privatleute seien ab einer gewissen Summe überfordert, weil das Wahrnehmungsvermögen, wie viel Geld wert ist, in aller Regel bei zwei Jahresgehältern ende. Schauen wir daher in ein Bundesland, in dem besonders viele Millionen in den Sand gesetzt wurden: Rheinland-Pfalz.
Dort wird im März kommenden Jahres ein neuer Landtag gewählt. Zwei Damen treten gegeneinander an, Ministerpräsidentin Malu Dreyer für die regierende SPD und Julia Klöckner für die oppositionelle CDU. Beide haben nun je ein Buch geschrieben über ihre politischen Ansichten, und es ist spannend zu erfahren, was sie darin über das Thema Geld zu sagen haben. "Die Zukunft ist meine Freundin", meint Dreyer, während Klöckner "Zutrauen!" hat. Dreyers Buch wurde gemeinsam mit dem Berliner Journalisten Hajo Schumacher verfasst. Klöckner lässt sich von Volker Resing und Martin Rupps interviewen. Die hier vorzustellenden Bücher sind Auftragsarbeiten, und die Kandidatinnen wollen daher auf jeder Seite in gutem Licht erscheinen.
Klöckner hat es als Oppositionspolitikerin einfacher. Sie kann mit der Tatsache angreifen, dass das Land allein in der Amtszeit von Ministerpräsident Kurt Beck 21 Milliarden neue Schulden angehäuft hat. "Es handelt sich um den größten Schuldenanstieg je Einwohner aller westlichen Flächenländer", weiß Klöckner, die sparen will: "Zurzeit herrschen bessere Bedingungen fürs Sparen denn je! Der Wirtschaft geht es gut, hohe Steuereinnahmen füllen die Staatskasse, die Arbeitslosenzahlen haben einen historischen Tiefstand erreicht." Wo genau Klöckner sparen will, sagt sie nicht. Aber sie erwähnt den Nürburgring. Die Rennstrecke im Norden des Landes ist die offene Wunde der SPD-Landesregierung.
In das schlecht geplante Projekt eines Freizeitparks flossen rund 350 Millionen Euro aus Steuergeldern. Die Landesregierung hatte immer wieder betont, das Projekt werde den Steuerzahler keinen Euro kosten. Dubiose Finanzvermittler, Überweisungen nach Liechtenstein und Berater, die bereits beim gefloppten Space Park Bremen engagiert waren, führten zum völligen Desaster. Das Projekt scheiterte. Finanzminister Ingolf Deubel musste zurücktreten und wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Ministerpräsidentin Dreyer kann den Nürburgring in ihrem Buch nicht verschweigen - "es sind Fehler gemacht worden" -, aber ihre Darstellung ist doch reichlich euphemistisch. Sie spricht von "mangelnder Erfahrung mit den EU-Beihilferegelungen", ein Vorwurf, den sich sonst Griechenland gefallen lassen muss. Man habe "die Wettbewerbsregeln der EU unterschätzt", schreibt sie, und der Leser fragt sich: Sitzen in den Mainzer Ministerien keine Juristen? Und man habe, so Dreyer, einer strukturschwachen Gegend helfen wollen. Fakt ist aber, dass Teile der Gastronomie rund um den Nürburgring das Projekt ablehnten, da eine mit Steuergeldern subventionierte Konkurrenz entstanden wäre. Und ob der Landkreis Ahrweiler wirklich strukturschwach ist, lässt sich zumindest diskutieren. Die Wirtschaftsdaten der Region sind gut.
Auch beim Subventionsdesaster Zweibrücken fragt sich Dreyer, ob es "wirklich so falsch gedacht war", den Militärflughafen "vergleichsweise kostengünstig" in einen zivilen Flughafen umzuwandeln. "Was heute klug und weitsichtig und ökonomisch vernünftig erscheint, kann sich zehn Jahre später unter anderen Rahmenbedingungen auch als schwierig erweisen", schreibt die Ministerpräsidentin. Allerdings lag der Flughafen Zweibrücken auch schon vor zehn Jahren nur ein paar Steinwürfe vom Flughafen Saarbrücken entfernt. Zwei Flughäfen braucht in der Region aber kein Mensch.
Zudem waren die Millionenbeihilfen für Zweibrücken von Anfang an unzulässig. Der Flughafen ist inzwischen insolvent. Über das Schlosshotel in Bad Bergzabern schweigt sich Dreyer gleich ganz aus. Drei Millionen Euro flossen in das Luxusobjekt im Wahlkreis des früheren Ministerpräsidenten Kurt Beck; der Landesrechnungshof bemängelte, dass für das Grundstück mehr als doppelt so viel Geld bezahlt wurde, als es wert war. Im Jahr 2014 musste das Hotel zum zweiten Mal Insolvenz anmelden. Dreyer meint, Fehler kämen immer wieder vor, "in allen Härtegraden und auf allen Ebenen". Aber Fehler ist nicht gleich Fehler. In Rheinland-Pfalz wurde aktiv gelogen, bewusst vertuscht, dauerhaft vorenthalten. Dreyer hatte persönlich nichts damit tun, sie war damals noch Sozialministerin. Zum "System Beck" habe sie aber gehört, tönt Klöckner.
Die Christdemokratin will die Politik der unwirtschaftlichen Großprojekte beenden. Sie setzt auf Umwelttechnologie und Energieeffizienz. "Warum soll Rheinland-Pfalz nicht zu einer Modellregion für Elektro-Autos in Europa werden? Oder für einen IT-Standort?" Dreyer will Rheinland-Pfalz "weiter zu einem der führenden Innovationsstandorte in Europa ausbauen". Eine radikale Deindustrialisierung wie in Großbritannien ist ein Irrweg, meint Dreyer. Rheinland-Pfalz hat bei den meisten wirtschaftlichen Eckdaten einen Mittelplatz im Ranking der Bundesländer. Bei den Subventionsdesastern aber liegt es sicher in der Spitzengruppe. Umfragen deuten immerhin an, dass die Fehler der Vergangenheit die Wahlen im März beeinflussen werden. Ob auch der neuen Regierung viele Geldbeträge zu groß sein werden? Klöckner oder Dreyer werden das Diktum des Finanzanalytikers Looman widerlegen müssen. Das ist kein leichtes Unterfangen.
JOCHEN ZENTHÖFER.
Malu Dreyer: Die Zukunft ist meine Freundin. Quadriga, Köln 2015, 304 Seiten, 22 Euro.
Julia Klöckner: Zutrauen! Ideen statt Ideologien. Herder, Freiburg im Breisgau 2015, 185 Seiten, 19,60 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Fehleranalyse in Rheinland-Pfalz
Der Stuttgarter Finanzanalytiker Volker Looman schrieb am 17. November im Finanzteil dieser Zeitung, es sei kein Wunder, dass Politiker viele Milliarden mit einem Federstrich in den Sand setzen: "Die Beträge sind einfach zu groß!" Schon Privatleute seien ab einer gewissen Summe überfordert, weil das Wahrnehmungsvermögen, wie viel Geld wert ist, in aller Regel bei zwei Jahresgehältern ende. Schauen wir daher in ein Bundesland, in dem besonders viele Millionen in den Sand gesetzt wurden: Rheinland-Pfalz.
Dort wird im März kommenden Jahres ein neuer Landtag gewählt. Zwei Damen treten gegeneinander an, Ministerpräsidentin Malu Dreyer für die regierende SPD und Julia Klöckner für die oppositionelle CDU. Beide haben nun je ein Buch geschrieben über ihre politischen Ansichten, und es ist spannend zu erfahren, was sie darin über das Thema Geld zu sagen haben. "Die Zukunft ist meine Freundin", meint Dreyer, während Klöckner "Zutrauen!" hat. Dreyers Buch wurde gemeinsam mit dem Berliner Journalisten Hajo Schumacher verfasst. Klöckner lässt sich von Volker Resing und Martin Rupps interviewen. Die hier vorzustellenden Bücher sind Auftragsarbeiten, und die Kandidatinnen wollen daher auf jeder Seite in gutem Licht erscheinen.
Klöckner hat es als Oppositionspolitikerin einfacher. Sie kann mit der Tatsache angreifen, dass das Land allein in der Amtszeit von Ministerpräsident Kurt Beck 21 Milliarden neue Schulden angehäuft hat. "Es handelt sich um den größten Schuldenanstieg je Einwohner aller westlichen Flächenländer", weiß Klöckner, die sparen will: "Zurzeit herrschen bessere Bedingungen fürs Sparen denn je! Der Wirtschaft geht es gut, hohe Steuereinnahmen füllen die Staatskasse, die Arbeitslosenzahlen haben einen historischen Tiefstand erreicht." Wo genau Klöckner sparen will, sagt sie nicht. Aber sie erwähnt den Nürburgring. Die Rennstrecke im Norden des Landes ist die offene Wunde der SPD-Landesregierung.
In das schlecht geplante Projekt eines Freizeitparks flossen rund 350 Millionen Euro aus Steuergeldern. Die Landesregierung hatte immer wieder betont, das Projekt werde den Steuerzahler keinen Euro kosten. Dubiose Finanzvermittler, Überweisungen nach Liechtenstein und Berater, die bereits beim gefloppten Space Park Bremen engagiert waren, führten zum völligen Desaster. Das Projekt scheiterte. Finanzminister Ingolf Deubel musste zurücktreten und wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Ministerpräsidentin Dreyer kann den Nürburgring in ihrem Buch nicht verschweigen - "es sind Fehler gemacht worden" -, aber ihre Darstellung ist doch reichlich euphemistisch. Sie spricht von "mangelnder Erfahrung mit den EU-Beihilferegelungen", ein Vorwurf, den sich sonst Griechenland gefallen lassen muss. Man habe "die Wettbewerbsregeln der EU unterschätzt", schreibt sie, und der Leser fragt sich: Sitzen in den Mainzer Ministerien keine Juristen? Und man habe, so Dreyer, einer strukturschwachen Gegend helfen wollen. Fakt ist aber, dass Teile der Gastronomie rund um den Nürburgring das Projekt ablehnten, da eine mit Steuergeldern subventionierte Konkurrenz entstanden wäre. Und ob der Landkreis Ahrweiler wirklich strukturschwach ist, lässt sich zumindest diskutieren. Die Wirtschaftsdaten der Region sind gut.
Auch beim Subventionsdesaster Zweibrücken fragt sich Dreyer, ob es "wirklich so falsch gedacht war", den Militärflughafen "vergleichsweise kostengünstig" in einen zivilen Flughafen umzuwandeln. "Was heute klug und weitsichtig und ökonomisch vernünftig erscheint, kann sich zehn Jahre später unter anderen Rahmenbedingungen auch als schwierig erweisen", schreibt die Ministerpräsidentin. Allerdings lag der Flughafen Zweibrücken auch schon vor zehn Jahren nur ein paar Steinwürfe vom Flughafen Saarbrücken entfernt. Zwei Flughäfen braucht in der Region aber kein Mensch.
Zudem waren die Millionenbeihilfen für Zweibrücken von Anfang an unzulässig. Der Flughafen ist inzwischen insolvent. Über das Schlosshotel in Bad Bergzabern schweigt sich Dreyer gleich ganz aus. Drei Millionen Euro flossen in das Luxusobjekt im Wahlkreis des früheren Ministerpräsidenten Kurt Beck; der Landesrechnungshof bemängelte, dass für das Grundstück mehr als doppelt so viel Geld bezahlt wurde, als es wert war. Im Jahr 2014 musste das Hotel zum zweiten Mal Insolvenz anmelden. Dreyer meint, Fehler kämen immer wieder vor, "in allen Härtegraden und auf allen Ebenen". Aber Fehler ist nicht gleich Fehler. In Rheinland-Pfalz wurde aktiv gelogen, bewusst vertuscht, dauerhaft vorenthalten. Dreyer hatte persönlich nichts damit tun, sie war damals noch Sozialministerin. Zum "System Beck" habe sie aber gehört, tönt Klöckner.
Die Christdemokratin will die Politik der unwirtschaftlichen Großprojekte beenden. Sie setzt auf Umwelttechnologie und Energieeffizienz. "Warum soll Rheinland-Pfalz nicht zu einer Modellregion für Elektro-Autos in Europa werden? Oder für einen IT-Standort?" Dreyer will Rheinland-Pfalz "weiter zu einem der führenden Innovationsstandorte in Europa ausbauen". Eine radikale Deindustrialisierung wie in Großbritannien ist ein Irrweg, meint Dreyer. Rheinland-Pfalz hat bei den meisten wirtschaftlichen Eckdaten einen Mittelplatz im Ranking der Bundesländer. Bei den Subventionsdesastern aber liegt es sicher in der Spitzengruppe. Umfragen deuten immerhin an, dass die Fehler der Vergangenheit die Wahlen im März beeinflussen werden. Ob auch der neuen Regierung viele Geldbeträge zu groß sein werden? Klöckner oder Dreyer werden das Diktum des Finanzanalytikers Looman widerlegen müssen. Das ist kein leichtes Unterfangen.
JOCHEN ZENTHÖFER.
Malu Dreyer: Die Zukunft ist meine Freundin. Quadriga, Köln 2015, 304 Seiten, 22 Euro.
Julia Klöckner: Zutrauen! Ideen statt Ideologien. Herder, Freiburg im Breisgau 2015, 185 Seiten, 19,60 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main