Die Geheime Welt der Obsessionen
Etwa 4.000 Gedanken gehen uns täglich durch den Kopf. Nicht alle sind relevant oder tiefschürfend. Manche davon setzen sich sogar fest, unwichtige Sätze, Wörter, Bilder, irgendeine Melodie, die zum Ohrwurm wird. Letztendlich sind sie aber harmlos. Genauso wie die Frage, ob man das Bügeleisen wirklich ausgeschaltet hat - wenn man es denn getan hat. Doch es gibt noch eine andere Art von Gedanken, die verstören, weil sie abwegig erscheinen. Der größere Teil der Menschen ignoriert sie, denkt an etwas anderes, geht darüber hinweg. Das gelingt nicht allen. Es sind gar nicht so wenige, bei denen diese nicht steuerbaren Gedanken zu Obsessionen werden und zu ernsthaften Problemen im Leben führen. Das betrifft Essstörungen, Waschzwang, Ordnungszwang, den Drang zur Selbstverletzung und vieles andere mehr. Das Thema war für die Hirnforschung lange ein schwarzes Loch. Das hat sich inzwischen geändert. Anhand erschütternder Fallbeispiele zeigt der Autor, was man heute darüber weiß und was man dagegen tun kann.
Etwa 4.000 Gedanken gehen uns täglich durch den Kopf. Nicht alle sind relevant oder tiefschürfend. Manche davon setzen sich sogar fest, unwichtige Sätze, Wörter, Bilder, irgendeine Melodie, die zum Ohrwurm wird. Letztendlich sind sie aber harmlos. Genauso wie die Frage, ob man das Bügeleisen wirklich ausgeschaltet hat - wenn man es denn getan hat. Doch es gibt noch eine andere Art von Gedanken, die verstören, weil sie abwegig erscheinen. Der größere Teil der Menschen ignoriert sie, denkt an etwas anderes, geht darüber hinweg. Das gelingt nicht allen. Es sind gar nicht so wenige, bei denen diese nicht steuerbaren Gedanken zu Obsessionen werden und zu ernsthaften Problemen im Leben führen. Das betrifft Essstörungen, Waschzwang, Ordnungszwang, den Drang zur Selbstverletzung und vieles andere mehr. Das Thema war für die Hirnforschung lange ein schwarzes Loch. Das hat sich inzwischen geändert. Anhand erschütternder Fallbeispiele zeigt der Autor, was man heute darüber weiß und was man dagegen tun kann.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.09.2015Krankheit in der Grauzone
David Adam kennt das Leiden an Zwangsstörungen
Habe ich die Fenster jetzt wirklich geschlossen oder nicht? Ist der Herd wirklich ausgestellt? - Wir alle kennen diese Gedanken, man ist sich einfach nicht mehr sicher, ob man die Haustür abgeschlossen oder den Herd abgestellt hat. Doch dramatisch wird die Sache, wenn man dieses Unbehagen ständig verspürt und sich gezwungen sieht, ununterbrochen nachzuprüfen, ob man auch wirklich alles erledigt hat. Dann besteht die Gefahr einer obsessiv-kompulsiven Störung. Von Laien wird sie häufig mit Ordnungs- oder Waschzwang in Verbindung gebracht. Solche Angst-Zwangsstörungen haben hingegen vielfältige Ausprägungen.
Der britische Wissenschaftsjournalist David Adam schildert in seinem Buch mit grandioser Selbstironie sein eigenes Leid. Obwohl er es besser weiß, hat er Angst, sich im Alltag mit dem HIV-Virus anzustecken, etwa durch das Berühren von Türklinken oder beim Händeschütteln. Seine autobiographisch gefärbte Darstellung ist mit Erkenntnissen aus der Forschung und der Geschichte der Psychiatrie sowie Beispielen aus dem Leben seiner Leidensgenossen gespickt.
Adam greift das Thema nicht zuletzt deshalb auf, weil das Thema in der Öffentlichkeit kaum Gehör findet. Dabei gilt die Zwangsstörung nach Depressionen, Drogenmissbrauch und Angstzuständen als durchaus häufige psychische Erkrankung. Nach der Reform des "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders", eines Klassifikationssystems für Psychiater, sind Zwangsstörungen allerdings in eine größere Gruppe mit verwandten Krankheitsbildern einbezogen.
Welches Etikett seine Krankheit nun hat, ist dem Autor aber gleichgültig. Vielmehr kritisiert er die moderne Psychiatrie, die im Dunkeln zu tappen scheint, was Herkunft und Diagnosestellungen von psychischen Krankheiten angeht. Deshalb appelliert er an Politik und Pharmaindustrie, das Thema nicht zu vernachlässigen. Obwohl genau das der Fall zu sein scheint: Die Erweiterung der Kategorisierung habe zur Folge gehabt, dass psychische Krankheiten den Pharmakonzernen einfach zu kompliziert erschienen - nirgendwo sonst sind Ärzte so abhängig von den Beschreibungen des Patienten in puncto Symptome. Medikamente verzeichneten bisher wenig Erfolge, und so sei es schlicht nicht profitabel, in Forschung zu investieren. Der klinische Fortschritt stagniert - zum Leidwesen der Betroffenen.
MALINA MAYER.
David Adam: "Zwanghaft". Wenn obsessive Gedanken unseren Alltag bestimmen.
Aus dem Englischen von Ursula Pesch. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2015. 300 S., br., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
David Adam kennt das Leiden an Zwangsstörungen
Habe ich die Fenster jetzt wirklich geschlossen oder nicht? Ist der Herd wirklich ausgestellt? - Wir alle kennen diese Gedanken, man ist sich einfach nicht mehr sicher, ob man die Haustür abgeschlossen oder den Herd abgestellt hat. Doch dramatisch wird die Sache, wenn man dieses Unbehagen ständig verspürt und sich gezwungen sieht, ununterbrochen nachzuprüfen, ob man auch wirklich alles erledigt hat. Dann besteht die Gefahr einer obsessiv-kompulsiven Störung. Von Laien wird sie häufig mit Ordnungs- oder Waschzwang in Verbindung gebracht. Solche Angst-Zwangsstörungen haben hingegen vielfältige Ausprägungen.
Der britische Wissenschaftsjournalist David Adam schildert in seinem Buch mit grandioser Selbstironie sein eigenes Leid. Obwohl er es besser weiß, hat er Angst, sich im Alltag mit dem HIV-Virus anzustecken, etwa durch das Berühren von Türklinken oder beim Händeschütteln. Seine autobiographisch gefärbte Darstellung ist mit Erkenntnissen aus der Forschung und der Geschichte der Psychiatrie sowie Beispielen aus dem Leben seiner Leidensgenossen gespickt.
Adam greift das Thema nicht zuletzt deshalb auf, weil das Thema in der Öffentlichkeit kaum Gehör findet. Dabei gilt die Zwangsstörung nach Depressionen, Drogenmissbrauch und Angstzuständen als durchaus häufige psychische Erkrankung. Nach der Reform des "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders", eines Klassifikationssystems für Psychiater, sind Zwangsstörungen allerdings in eine größere Gruppe mit verwandten Krankheitsbildern einbezogen.
Welches Etikett seine Krankheit nun hat, ist dem Autor aber gleichgültig. Vielmehr kritisiert er die moderne Psychiatrie, die im Dunkeln zu tappen scheint, was Herkunft und Diagnosestellungen von psychischen Krankheiten angeht. Deshalb appelliert er an Politik und Pharmaindustrie, das Thema nicht zu vernachlässigen. Obwohl genau das der Fall zu sein scheint: Die Erweiterung der Kategorisierung habe zur Folge gehabt, dass psychische Krankheiten den Pharmakonzernen einfach zu kompliziert erschienen - nirgendwo sonst sind Ärzte so abhängig von den Beschreibungen des Patienten in puncto Symptome. Medikamente verzeichneten bisher wenig Erfolge, und so sei es schlicht nicht profitabel, in Forschung zu investieren. Der klinische Fortschritt stagniert - zum Leidwesen der Betroffenen.
MALINA MAYER.
David Adam: "Zwanghaft". Wenn obsessive Gedanken unseren Alltag bestimmen.
Aus dem Englischen von Ursula Pesch. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2015. 300 S., br., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Was dieses Buch besonders macht, ist, dass Adam darin von einer eigenen Obsession erzählt. "
Julia Koch, Der Spiegel 21. Februar 2010
Julia Koch, Der Spiegel 21. Februar 2010