Zwischen Dessau, Halle und Bitterfeld lag das als Chemiedreieck bekannte größte Industrieballungsgebiet der DDR. Infolge der schlechten Umwelt-, Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Region fehlte es zunehmend an Arbeitskräften. Selbst Lohnerhöhungen für Chemiefacharbeiter konnten das Problem nicht lösen, weshalb ab 1968 verstärkt Strafgefangene, Armeeangehörige und ab 1986 auch Bausoldaten eingesetzt wurden. Die zwangsverpflichteten Arbeitskräfte waren nicht selten hohen Konzentrationen gesundheitsschädigender Stoffe ausgesetzt; immer wieder drohten Brände, Havarien oder gar Explosionen. Justus Vesting arbeitet in seiner Studie heraus, dass diese Gefährdungen durch die Verantwortlichen bewusst in Kauf genommen wurden - mindestens zwei Todesfälle unter den politischen Gefangenen waren die Folge. Der Autor analysiert das System der Zwangsarbeit als ein Symptom der wirtschaftlichen Krise der DDR, was bewusst verschleiert werden sollte.
Justus Vestings Arbeit zur Zwangsarbeit im Chemiedreieck ist ein Meilenstein der DDR-Forschung. Der hallische Historiker präsentiert die aus Archivalien gewonnenen Befunde sprachlich nüchtern, unvoreingenommen und konkret. Zugleich sortiert er kritisierend die bisherige Forschungsliteratur und entwickelt nachvollziehbare Vorschläge zur Definition von Zwangsarbeit im real existierenden Sozialismus. H-Soz-u-Kult Vesting ist es gelungen, verschiedene Forschungsperspektiven in kompakter Form zu integrieren. Seine Untersuchung leistet nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Geschichte des Strafvollzugs und der politischen Verfolgung in der DDR, sondern ergänzt auch die Forschungen zur ostdeutschen Wirtschafts- und Militärgeschichte. Rüdiger Wenzke, sehepunkte Vesting hat ein klar strukturiertes, faktenreiches Buch mit sachlicher Diktion geschireben. Es ist sehr empfehlenswert. Nachrichten aus der Chemie