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Sie sind eines der faszinierendsten Paare der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts: der Komponist Kurt Weill und die Sängerin und Schauspielerin Lotte Lenya. Der Musikwissenschaftler Jens Rosteck schildert einfühlsam die oft schwierige Beziehung dieses sehr gegensätzlichen Paares. Zugleich läßt er das pulsierende Bühnen- und Musikleben der zwanziger bis vierziger Jahre in den Metropolen Berlin, Paris und New York Revue passieren.

Produktbeschreibung
Sie sind eines der faszinierendsten Paare der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts: der Komponist Kurt Weill und die Sängerin und Schauspielerin Lotte Lenya. Der Musikwissenschaftler Jens Rosteck schildert einfühlsam die oft schwierige Beziehung dieses sehr gegensätzlichen Paares. Zugleich läßt er das pulsierende Bühnen- und Musikleben der zwanziger bis vierziger Jahre in den Metropolen Berlin, Paris und New York Revue passieren.
Autorenporträt
Jens Rosteck, geb. 1962 in Hameln, studierte Musik- und Literaturwissenschaft in Berlin. Nach seiner Promotion dozierte er in Paris, Osnabrück und Aachen. Heute lebt er als freier Schriftsteller und Musikforscher in Nizza. Er hat zahlreiche Publikationen zur französischen, deutschen und spanischen Musik- und Literaturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts vorgelegt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.1999

Linnerl auf der Flucht
Jens Rostecks gelungene Doppelbiografie von Lenya und Weill

Kurt Weill und Lotte Lenya - ein Künstlerpaar, ein Liebespaar, zeitweilig auch ein Ehepaar. Sie errangen gemeinsam berufliche Erfolge, leisteten sich getrennt allerlei Abenteuer, hatten, jeder für sich und beide zusammen, die Folgen der politischen Verhängnisse zu tragen, die ihrer Lebensspanne zugemessen waren. Wer ihre Geschichte erzählen will, muss zwei ausgeprägten Persönlichkeiten, einem bedeutenden Stück Musik- und Theatergeschichte, dazu einem wesentlichen Teil der politischen Geschichte unseres Jahrhunderts gerecht werden. Er muss tief ins Private eindringen, ohne sich darin zu verlieren; die künstlerische Vita seiner Protagonisten ausführlich schildern und sich nach Möglichkeit vor ödem Lexikoton hüten; Liebe und Kunst nicht von politischen Schatten verdunkeln und dennoch das Politische nicht ins Unwesentliche abdriften lassen. Keine leichte Aufgabe.

Jens Rosteck, Autor der Doppelbiografie "Zwei auf einer Insel", hat sie gelöst. Er hat es fertig gebracht, uns über Weill/Lenya samt ihrer Epoche gründlich zu belehren und uns im gleichen Atemzug glänzend zu unterhalten. Das ist eine keineswegs selbstverständliche Leistung für jemanden, der gut zwei Generationen jünger ist als das berühmte Paar, der das Ambiente ihres Erdenwandels nur aus Büchern oder Filmen kennen kann. Rosteck, 1962 in Hagen geboren, in Paris wohnend, hat Musikwissenschaft und Germanistik studiert, an deutschen und französischen Universitäten geforscht und gelehrt, sich als Pianist und als Kabarettist auf Pariser und Berliner Bühnen getummelt, Arbeiten zur europäischen Literatur- und Musikgeschichte publiziert.

Der Autor führt uns zurück zum Jahrhundertbeginn, in die Dessauer Knabenzeit des Rabbinersohnes Kurt Weill, in die Wiener Kinderjahre der Armeleutetochter Karoline Blamauer - so der Geburtsname der späteren Lenya. Im wilhelminischen Deutschland wächst Kurt in bürgerlich braver und musikalisch engagierter Familientradition heran, den Kopf voller Künstlerträume. In Franz Josephs Österreich wehrt sich das "Linnerl" gegen die trostlose Zukunft, wie sie für Mädchen ihresgleichen vorgesehen war. Allein ihr Fluchtweg durch allerlei Theater von Zürich bis Berlin gäbe Stoff für ein spannendes Buch. Und dann die Begegnung mit Weill, die Entdeckung, wie sehr er und sie übereinstimmen, menschlich, erotisch, in Sachen Musik. Das Leben, so lehrt uns Rostecks Darstellung, liefert noch immer die eindrucksvollsten Liebesgeschichten; man muss nur sensibel genug sein, das auch zu erkennen.

Von der Bedeutung, die der junge Komponist Weill in Berlin gewann, von seiner Zusammenarbeit mit den literarischen Größen der zwanziger Jahre, vor allem der mit Brecht, ist uns schon oft erzählt worden. Aber Rosteck macht das auf besondere Weise: Er schafft uns einen ständigen Platz an Weills und Lenyas Seite, lässt uns mit ihnen arbeiten, hoffen, lieben, leiden, und während wir ihr Tun und Lassen verfolgen, werden wir zu Zeitgenossen der Roaring Twenties und begreifen, was damals vorging. Auch die Politik wandelt sich uns vom Objekt bloßen Wissens zum Teil gelebten Alltags, selten Hoffnung spendend, meistens niederdrückend.

Wir machen Halt in der Epoche der Totalitarismen, von denen der östliche schon gesiegt hat, der deutsche bald siegen wird. 1933 beginnt für Weill und Lenya die Zeit der Fremde, erst in Paris, später in New York. Alles Gewohnte löst sich auf, die Heimat, die Aura der frühen Erfolge, schließlich auch die Weill'sche Ehe. Dem unermüdlich fleißigen Musikschöpfer gelingt es, neues Terrain zu erobern, sich der anderen, der amerikanischen Gesellschaft anzupassen, sie sich gewissermaßen anzueignen. Die Interpretin dagegen verliert den Boden unter ihren Füßen, sie reüssiert nicht recht in der neuen Welt. Wie einst aus Wien nach Zürich und Berlin, flüchtet sie nun von Weills Seite in alle möglichen Abenteuer. Eingebettet in weltpolitische Wirrnisse, wachsen die privaten Wirren, es ist ein Wunder, dass die Beziehung all dies übersteht.

Doch Rosteck macht sehr deutlich, dass es sich bei der Bindung zwischen diesen Menschen nicht um eine Liebesgeschichte von der Stange handelt. Sie sind beide fremdgegangen und haben einander dennoch nie verlassen. Sie haben zwei Mal geheiratet und hätten es eigentlich überhaupt nicht tun müssen, um zueinander zu gehören. Wer das nicht Seite für Seite begreift, der spürt es spätestens, wenn die alt gewordene Lenya mit allen Kräften am Nachruhm des verstorbenen Weill arbeitet. Es ist sonderbar und rührend, wie ihr, nach langer beruflicher Frustration, ausgerechnet in den greisen Tagen noch einmal der Erfolg lacht, gewonnen aus derselben Materie und mit denselben Mitteln wie einst im Berliner Glück. Lenya hatte sich nach Weill noch vier Ehemänner geleistet und konnte doch nicht ohne den einen, einzigen auskommen. Auch Weill war ja niemals recht ohne sie ausgekommen, nur half ihm offenbar die Produktion seiner Musik besser über böse Zeiten hinweg als ihr deren Interpretation.

Dem Autor ist zu gratulieren, und wir würden das noch bereitwilliger tun, wenn sein Verlag ihn durch sorgfältige Lektoratsarbeit unterstützt hätte. Immer wieder stolpern wir über Patzer in Ausdruck und Syntax und über sachliche Fehler. So erscheint die blutjunge Theaterelevin Linnerl als "Pygmalion" des Zürcher Oberspielleiters Rèvy, oder wir finden auf einem "Dreigroschen"-Szenenfoto neben Lenya als Jenny "Maria Körber als Polly", dabei zwingt schon die Jahreszahl 1928 zur Erkenntnis, dass es sich um Marias Mutter Hilde Körber handeln muss.

SABINE BRANDT

Jens Rosteck: "Zwei auf einer Insel. Lotte Lenya und Kurt Weill". Propyläen Verlag, Berlin 1999. 400 S., Abb., geb., 48,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Christine Lemke-Matwey scheint auf ein Buch wie dieses schon lange gewartet zu haben. Denn Rosteck räumt ihrer Ansicht nach hier nicht nur mit dem auf Weill und Lenya ohnehin nicht zutreffenden Klischee „des Künstlers und seiner Muse“ auf. Der Autor gehe darüber hinaus in seiner schön erzählten und gut recherchierten Doppelbiografie auch in einer Art und Weise auf die Werke ein, die sowohl für Kenner als auch für Laien von Wert sei. Man erfährt hier nicht nur allerhand über das Leben der beiden Künstler, so die Rezensentin, sondern fühlt sich am Ende der Lektüre „tatsächlich klüger“, ohne dass sich das Gefühl einstellt, vom Autor fortwährend „belehrt“ worden zu sein. Besonders hebt sie an diesem Band hervor, dass deutlich werde, wie sehr sich Weill und Lenya auch hinter ihren Images versteckt haben, um „aus der neu gewonnenen Distanz heraus den anderen immer wieder zu entdecken“. Lediglich die für ihren Geschmack übertriebene „Insulaner-, Robinsonaden- und Schiffbruchsmetaphorik“ Rostecks kreidet sie ihm ein wenig an. Ihrem positiven Gesamteindruck von dieses Biografie tut dies jedoch keinen Abbruch.

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