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Zu den Gründungsmythen des deutschen Protestantismus gehört die Stilisierung Martin Luthers als ersten Protestanten und deutschen Propheten, dessen Protest gegen die "babylonische Gefangenschaft der Kirche" zur wundersamen Befreiung von der päpstlichen Tyrannei und zum Ausbruch aus dem finsteren Zeitalter des Mittelalters führte. Obermans Essays widerlegen hingegen in streitbarer Auseinandersetzung die These, Martin Luther habe als einsame, revolutionäre Gestalt - gegen seine Zeit - die Moderne eingeläutet. Stattdessen interpretiert er den "reformatorischen Durchbruch" Martin Luthers im…mehr

Produktbeschreibung
Zu den Gründungsmythen des deutschen Protestantismus gehört die Stilisierung Martin Luthers als ersten Protestanten und deutschen Propheten, dessen Protest gegen die "babylonische Gefangenschaft der Kirche" zur wundersamen Befreiung von der päpstlichen Tyrannei und zum Ausbruch aus dem finsteren Zeitalter des Mittelalters führte.
Obermans Essays widerlegen hingegen in streitbarer Auseinandersetzung die These, Martin Luther habe als einsame, revolutionäre Gestalt - gegen seine Zeit - die Moderne eingeläutet. Stattdessen interpretiert er den "reformatorischen Durchbruch" Martin Luthers im Zusammenhang der vielfältigen intellektuellen Strömungen und Frömmigkeitsbewegungen einer vitalen spätmittelalterlichen christlichen Gesellschaft, die bereits eine Vielzahl reformerischer Kräfte in sich barg. Wie schon in seinem früheren Buch über den Reformator führt er dem Leser zudem die überraschende Tatsache vor Augen, dass Luther - trotz seiner theologischen Neuansätze und seiner Entfremdungvon der mönchischen Lebensweise - tief im spätmittelalterlichen Weltbild mitsamt seinen antisemitischen Elementen und seinen apokalyptischen Endzeiterwartungen verhaftet blieb.
Vor diesem Hintergrund entfaltet der Autor seine spannende Unterscheidung zwischen der von Wittenberg ausgehenden "ersten Reformation", die für die deutschen Territorialstaaten prägend wurde, und der "zweiten Reformation" des humanistisch inspirierten Protestantismus, die von den protestantischen Flüchtlingen in den freien Städten ausging und eine völlig andere Zukunftsvision vertrat als Luther. Vor allem bei Calvin, dessen Biografie und Denken im zweiten Teil des Buches eingehend interpretiert werden, findet sich statt des Endzeitbewusstseins die Vision eines kulturell und sozial erneuerten Europa, die Oberman als den eigentlichen Beitrag des Protestantismus zur Moderne versteht.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Dezent stellt Niklaus Peter dieses Buch als ein wissenschaftliches Meisterwerk ohne Fehl und Tadel heraus, und das, obwohl es auf Grund des Todes seines Autors Fragment bleiben musste. Heiko A. Oberman, der in Harvard und Tübingen lehrte, eröffne eine ebenso originelle wie wohldurchdachte Sicht auf die Reformationszeit, indem er die "Fürstenreformation" (Luther und die Reformation der Städte) von der "Reformation der Flüchtlinge" (die Genfer Reformation Calvins) trenne und in ihrer Differenz darstelle. Ausgerechnet die Darstellung der letzteren, der seine besondere Sympathie galt, habe der Autor jedoch nicht mehr vollenden können, weshalb der Herausgeber auf zwei ältere Vorlesungen Obermans über Calvin zurückgriff. "Eine glückliche Idee", kommentiert der Rezensent, denn Oberman sei ein "persönliches, sehr eindringliches Porträt des Menschen und Theologen" Calvin gelungen, das diesen angesichts des vorherrschenden, negativ verzerrten Bild rehabilitiere, ohne aber zu einer Apologie der "dunklen Seiten Calvins und des Calvinismus" zu geraten. Auch das Wissen über Luthers Reformation rücke Oberman gerade: Dieser sei nämlich keineswegs die einsame, beispiellose Gestalt gewesen, die aus einer geistigen Wüste herausragte. Abermals entgegen der landläufigen Meinung betone Oberman "intellektuelle Innovation, religiöses Potenzial und soziale Vitalität" der spätmittelalterlichen Gesellschaft, die den Boden für Luther bereitete.

© Perlentaucher Medien GmbH
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