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Können wir etwas wissen? Verleiten uns Sinnestäuschungen, Träume und Halluzinationen nicht immer wieder dazu, falsche Meinungen zu bilden? Ist es nicht sogar denkbar, dass Gott oder ein böser Dämon in den Erkenntnisprozess eingreift und uns falsche Meinungen eingibt? Diese skeptischen Fragen wurden bereits im Mittelalter scharfsinnig diskutiert. Sie bildeten den Ausgangspunkt für eine sorgfältige Analyse des Wissensbegriffs und für eine kritische Prüfung von Wissensansprüchen.
Diese Studie, die sich auf Theorien des 13. und 14. Jahrhunderts konzentriert, rekonstruiert die skeptischen
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Produktbeschreibung
Können wir etwas wissen? Verleiten uns Sinnestäuschungen, Träume und Halluzinationen nicht immer wieder dazu, falsche Meinungen zu bilden? Ist es nicht sogar denkbar, dass Gott oder ein böser Dämon in den Erkenntnisprozess eingreift und uns falsche Meinungen eingibt? Diese skeptischen Fragen wurden bereits im Mittelalter scharfsinnig diskutiert. Sie bildeten den Ausgangspunkt für eine sorgfältige Analyse des Wissensbegriffs und für eine kritische Prüfung von Wissensansprüchen.

Diese Studie, die sich auf Theorien des 13. und 14. Jahrhunderts konzentriert, rekonstruiert die skeptischen Diskussionen im historischen Kontext, wertet sie in systematischer Hinsicht aus und schlägt dabei auch einen Bogen zu Gegenwartsdebatten. Es wird untersucht, welche skeptischen Argumente entwickelt wurden, von welchen theoretischen Annahmen sie ausgingen und welche Funktion sie in den erkenntnistheoretischen Debatten hatten. Auch antiskeptische Argumente und Strategien, die eine skeptische Gefahr zu bannen versuchten, werden vorgestellt. So soll deutlich werden, dass skeptische Debatten keineswegs eine 'Verfallserscheinung' des späten Mittelalters sind, sondern Ausdruck einer Zeit äußerst lebhafter und innovativer Grundsatzdebatten.

Die Studie geht auf prominente Philosophen wie Thomas von Aquin, Heinrich von Gent, Johannes Duns Scotus, Wilhelm von Ockham und Johannes Buridan ein, berücksichtigt aber auch weniger bekannte Autoren, die in den spätmittelalterlichen Kontroversen eine wichtige Rolle spielten. Diese Debatten sind auch heute noch anregend, weil sie verdeutlichen, dass die skeptische Herausforderung Anlass zur Ausformulierung ganz unterschiedlicher erkenntnistheoretischer Modelle gibt.
Autorenporträt
Dominik Perler, 'einer der hervorragenden deutschsprachigen Kenner der mittelalterlichen Ideenwelt' (FAZ), ist Inhaber des Lehrstuhl für Theoretische Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin. 2006 erhält er den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006

Das Wissen vom Wissen verbessern
Dominik Perler taucht in die skeptischen Debatten des Mittelalters über Vernunft und Glauben ein / Von Michael Pawlik

Diese gelehrte Schrift läuft auf die Revision eines populären Mittelalterbildes hinaus. Daß sich die Philosophie als Magd der Theologie begriff, schloß kritische Reflexion auf die Voraussetzungen des Wissens nicht aus.

In der ersten seiner Meditationen stellt Descartes ein berühmtes Gedankenexperiment an. Er wolle, so erläutert er, einen bösen Dämon annehmen, der zugleich höchst mächtig und verschlagen sei und der all seinen Fleiß daranwende, die Menschen zu täuschen. "Ich will glauben, Himmel, Luft, Erden, Farben, Gestalten, Töne und alle Außendinge seien nichts als das täuschende Spiel von Träumen, durch die dieser unserer Leichtgläubigkeit Fallen stellt." Läßt sich, so fragt Descartes, angesichts dieser Unsicherheit nur das geringste finden, das von unerschütterlicher Gewißheit sei? Seine Antwort fällt minimalistisch aus. Unbezweifelbar für ihn sei allein die Tatsache, daß er denke. "Ego cogito, ergo sum." Dieses Täuschungsszenario ist keine Erfindung Descartes'. Bereits in der spätmittelalterlichen Philosophie spielt die Hypothese vom täuschenden Gott eine bedeutsame Rolle. Ihre Karriere verdankt sie vor allem dem Aufstieg der Omnipotenzlehre im vierzehnten Jahrhundert. Aufgrund seiner Allmacht sei Gott frei, jederzeit in die natürlichen Erkenntnisprozesse einzugreifen und sie zunichte zu machen. Freilich liegt es den mittelalterlichen Autoren fern, einen Willkürgott einzuführen, der andauernd nach seinem Belieben in die Welt hineinregiert. Wie Dominik Perler, Professor an der Humboldt-Universität und Leibnizpreisträger, in seinem faszinierenden Buch über die skeptischen Debatten im Mittelalter darlegt, hat im Rahmen der erkenntnistheoretischen Debatten des Spätmittelalters die Omnipotenzlehre vor allem eine methodische Funktion. Anhand konstruierter Beispiele soll bestimmt werden, was im Bereich des Denkbaren liegt und als logisch mögliche Alternative zum realen Weltverlauf erwogen werden kann.

Allerdings gelangt keiner der mittelalterlichen Philosophen zu einer radikalen Außenweltskepsis à la Descartes. Verantwortlich dafür ist zunächst das prinzipielle Vertrauen dieser Autoren in die Leistungsfähigkeit der Sinne und des Intellekts. Für die Aristoteliker unter ihnen steht von vornherein fest, daß es natürliche kognitive Vermögen gibt, die auf die Gegenstände in der Welt abgestimmt sind. Aber auch die Nicht-Aristoteliker, etwa Wilhelm von Ockham oder Nikolaus von Autrécourt, gehen von der Annahme aus, daß die natürlichen menschlichen Erkenntnisfähigkeiten unter günstigen äußeren Bedingungen korrekt aktualisiert werden können.

Vor allem aber verfolgen die mittelalterlichen Denker ein anderes Erkenntnisprojekt als ihr drei Jahrhunderte später wirkender Nachfolger. Das cartesische Projekt bezeichnet Perler als "fundamentalistisch". Descartes' implizite Annahme laute: "Entweder es gibt ein absolut sicheres, das heißt untrügerisches und unkorrigierbares Fundament und Wissen ist möglich, oder es gibt kein solches Fundament und Wissen ist unmöglich." Im Unterschied zu diesem schroffen Entweder-Oder setzen die mittelalterlichen Autoren zumeist eher auf eine Strategie, die Perler "reliabilistisch" nennt. "Sie streben also nicht danach, eine einzige, absolut unbezweifelbare Grundlage zu finden und jede Erkenntnis auf diese Grundlage zurückzuführen, sondern untersuchen, welche Erkenntnisbedingungen und welche kognitiven Mechanismen vorliegen müssen, damit korrekte Erkenntnis gewonnen werden kann." Im Rahmen dieses reliabilistischen Projekts lasse sich einräumen, daß in einigen Fällen keine korrekte Erkenntnis gewonnen werde, nämlich dann, wenn Gott eingreife und die natürlichen Ursachen außer Kraft setze. Doch daraus folge nicht, daß Erkenntnis gleich in allen Fällen zweifelhaft werde.

Von diesen Ausgangsüberzeugungen her entwickeln die spätmittelalterlichen Denker Weisen des Umgang mit der skeptischen Herausforderung, die, wie Perler überzeugend darlegt, weniger zu Descartes als zu gegenwärtigen antiskeptischen Strategien führen, die sich ebenfalls auf die prinzipielle Zuverlässigkeit kognitiver Prozesse berufen. Manche der mittelalterlichen Traktate lesen sich, als wären ihre Verfasser mit allen Wassern der modernen Wissenschaftstheorie gewaschen. So operiert Johannes Buridan mit einer Differenzierung der epistemischen Ansprüche. Seiner Ansicht nach ist es unsinnig, etwas nur dann als Wissen zu akzeptieren, wenn jeder noch so abwegige Einwand widerlegt sei. Welche Art von Rechtfertigung jeweils angemessen sei, hänge vielmehr von dem Kontext ab, in dem ein Satz stehe.

Aber auch ein Autor wie Nikolaus von Autrécourt, der sich auf eine fundamentalistische Wissenskonzeption einläßt, begnügt sich nicht mit einer simplen Gegenüberstellung von Wissen und Nichtwissen. Nikolaus führt daneben vielmehr eine dritte epistemische Kategorie ein, die des begründeten Glaubens. Solches Glauben vollziehe sich immer im Rahmen von Hypothesen, die freilich nicht beliebig gewählt werden dürfen, sondern allgemeinen Prinzipien genügen müssen, etwa dem Gedanken, daß sämtliche Dinge wohlgeordnet und daß sämtliche Entitäten miteinander verbunden sind. Sodann sei im Wettstreit der Argumente festzustellen, welche der in Betracht kommenden Hypothesen die stärksten Argumente zur Lösung konkreter Probleme ermöglicht.

Nach dem von ingeniöser Interpretationskunst zeugenden Buch Perlers darf die von Etienne Gilson in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts begründete, einflußreiche These, der Skeptizismus habe geradezu die intellektuelle Krankheit des vierzehnten Jahrhunderts dargestellt und wesentlich zum Verfall der mittelalterlichen Philosophie beigetragen, als widerlegt gelten. Das Ziel der spätmittelalterlichen Autoren bestand nicht im Einnehmen und Verteidigen einer skeptischen Position, sondern darin, "die impliziten Annahmen, die in metaphysischen und erkenntnistheoretischen Untersuchungen gemacht werden, explizit zu machen", um auf diese Weise "einen differenzierten und reflektierten Begriff von Wissen zu gewinnen".

Perler verdirbt aber auch denen das Spiel, die, von einem kryptohegelianischen Fortschrittsglauben beseelt, den Übergang von der mittelalterlichen zur neuzeitlichen Philosophie als Überwindung der Knechtung durch die Theologie zugunsten einer Position säkularer Autonomie interpretieren. Nach dem Urteil Perlers verhinderte die theologisch-scholastische Leitkultur im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert weder eine philosophische Grundlagendebatte, noch schränkte sie das Interesse an erkenntnistheoretischen Problemen ein. Vielmehr begünstigte sie sogar ein solches Interesse, "zum einen, indem sie besondere skeptische Hypothesen bereitstellte (etwa die Hypothese vom täuschenden Gott), zum anderen aber auch, indem sie einen generellen Rahmen schuf, der die mittelalterlichen Autoren herausforderte, sich mit der Klärung epistemischer Grundbegriffe zu beschäftigen". Die Legende von der Unvereinbarkeit von Glauben und Vernunft, Theologie und Wissenschaft gehört in die Mottenkiste der Vulgäraufklärung.

Dominik Perler: "Zweifel und Gewißheit". Skeptische Debatten im Mittelalter. Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 2006, 443 S., kart., 29,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Michael Pawlik zeigt sich fasziniert von Dominik Perlers Studie über den Skeptizismus in der Philosophie des 13. und 14. Jahrhunderts. Dem Autor bescheinigt er eine "ingeniöse Interpretationskunst". Überzeugend kann dieser seines Erachtens zeigen, dass die skeptischen Debatten nicht auf einen erkenntnistheoretischen Fundamentalismus hinausliefen, sondern einen reicheren, aufgeklärten und reflektierten Begriff des Wissens anvisierten. Die prinzipielle Zuverlässigkeit von Intellekt und Sinnen wurde schließlich nicht in Frage gestellt. Damit sieht Pawlik auch Gilsons These vom Skeptizismus als Krankheit des 14. Jahrhunderts widerlegt. Besonders instruktiv scheinen ihm zudem die Parallelen zu erkenntnistheoretischen Debatten der Gegenwart, die Perler sichtbar macht.

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