79,90 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 6-10 Tagen
  • Broschiertes Buch

Versäumnisse in der Vereinigungspolitik und ungelöste Konflikte in der gesellschaftlichen Entwicklung haben politische und juristische Narben bei Bürgern aus den neuen Ländern hinterlassen.
Viele der dem Staats- und Einigungsvertrag folgenden Versprechungen über die Entwicklung und die Potenziale von Gesamtdeutschland wurden nicht eingelöst und blieben offen. Die Versorgungsüberleitung Ost ist beispielsweise bis heute nicht bewältigt. Bundesregierung und Bundestag haben - entgegen den Staatsverträgen - die Zusatz- und Gesamt-/Sonderversorgungsrenten nicht angepasst, sondern lediglich in die…mehr

Produktbeschreibung
Versäumnisse in der Vereinigungspolitik und ungelöste Konflikte in der gesellschaftlichen Entwicklung haben politische und juristische Narben bei Bürgern aus den neuen Ländern hinterlassen.

Viele der dem Staats- und Einigungsvertrag folgenden Versprechungen über die Entwicklung und die Potenziale von Gesamtdeutschland wurden nicht eingelöst und blieben offen. Die Versorgungsüberleitung Ost ist beispielsweise bis heute nicht bewältigt. Bundesregierung und Bundestag haben - entgegen den Staatsverträgen - die Zusatz- und Gesamt-/Sonderversorgungsrenten nicht angepasst, sondern lediglich in die geringere Grundrente aus der westdeutschen Rentenversicherung übertragen, die vielen nur die Mindestrente oberhalb des Existenzminimums zusichert.

Nachdem anfangs das Bundesverfassungsgericht 1999 noch bereit war, den Betroffenen das Eigentumsgrundrecht aus Artikel 14 des Grundgesetzes zuzugestehen, hat es in der Folgezeit einen Schutz für die alten, in der DDR rechtmäßig erworbenen Ansprüche verneint. Obwohl der Bundestag wiederholt betont hat, dass das Rentenüberleitungsgesetz korrigiert werden muss, ist bisher nichts geschehen. Wie aus den immer stärker werdenden Protesten in Mitteldeutschland zu weiteren Themen deutlich wird, wiegen diese enttäuschten Erwartungen dabei unterschwellig mit. Besonders scheint das Vertrauen in die Rechtsprechung erschüttert.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Mär vom Rentenstrafrecht
Folgen der deutschen Wiedervereinigung für die Überleitung der DDR-Altersversorgung

Die Überleitung von Renten aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland gehört(e) zu den umstrittensten Folgeproblemen der Wiedervereinigung. Die Altersversorgung in der DDR umfasste eine einheitliche Sozialpflichtversicherung und eine ergänzende Freiwillige Zusatzrentenversicherung. Darüber hinaus bestanden zahlreiche Zusatzversorgungssysteme. Für bestimmte Gruppen von Staatsbediensteten existierten Sonderversorgungssysteme.

Im Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wurde in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchstabe b eine Konzeption für die Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme festgelegt, die der weiteren gesamtdeutschen Gesetzgebung zugrunde lag. Danach waren in der DDR erworbene Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod zu überführen und nach Art, Grund und Umfang den Ansprüchen und Anwartschaften nach den allgemeinen Regelungen der Sozialversicherung unter Berücksichtigung der jeweiligen Beitragszahlungen anzupassen. Ungerechtfertigte Leistungen sollten dabei abgeschafft, überhöhte abgebaut und eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen vermieden werden. Darüber hinaus konnte eine Kürzung oder Aberkennung erfolgen, wenn der Berechtigte gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen oder in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht hatte.

Nach der Überleitungsgesetzgebung galten Zeiten der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen als Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Bewertung der Zeiten richtete sich bis zur Höhe der in der gesetzlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze nach dem erzielten Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen. Von diesem Grundsatz machte allerdings das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz zahlreiche Ausnahmen nach der jeweiligen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Versorgungssystem oder nach Zugehörigkeit zu bestimmten, staats- oder systemnahen Funktionsebenen, wodurch als überhöht angesehene Versorgungsleistungen aufgrund eines zuvor erzielten besonders hohen, privilegierten Einkommens ausgeschlossen werden sollten. Dies sorgte allerdings bei vielen Betroffenen für Empörung und Verbitterung, die sich durch dieses von ihnen so bezeichnete "Rentenstrafrecht" ungerecht behandelt fühlten.

Die dagegen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Einwände, die sich auf das Eigentumsgrundrecht und den Gleichheitssatz stützten, hatten teilweise Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht erkannte zwar das Ziel, überhöhte Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen bestimmter Personengruppen aus Tätigkeiten, in denen diese einen erheblichen Beitrag zur Stärkung oder Aufrechterhaltung des politischen Systems der DDR geleistet haben, nicht in vollem Umfang in die Rentenversicherung zu übernehmen und bei der künftigen sozialen Sicherung fortwirken zu lassen, als legitim an, beanstandete aber teilweise unzulässige Typisierungen.

In der Folgezeit kam es zu weiteren, für die Betroffenen günstigeren Gesetzesänderungen und Folgeentscheidungen des BVerfG. Schließlich beschränkte der Gesetzgeber die Entgeltbegrenzung ohne Rücksicht auf eine bestimmte Entgelthöhe auf Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem des MfS/AfNS oder einem anderen Versorgungsystem in Wahrnehmung von Funktionen auf den höchsten Ebenen des Kadernomenklatursystems der DDR, um ein rentenrechtliches Fortwirken des Systems der Selbstprivilegierung zu verhindern - was bereits dem Willen des demokratischen Gesetzgebers der DDR von 1990 entsprochen hatte und auch das BVerfG als verfassungskonform ansah.

Vor diesem Hintergrund mutet die scharfe, polemische Kritik von Werner Mäder an einer angeblichen, einer Siegermentalität entspringenden rechtswidrigen, entschädigungslosen Enteignung, ja Konfiskation redlich erworbener Zusatz- und Versorgungsrenten, die zu einer erneuten Teilung nach der Herstellung der Einheit geführt habe, doch mehr als befremdlich an. Mäder wirft der westdeutschen politischen Klasse Feindseligkeit gegenüber den Eliten der DDR vor und hegt doch offensichtlich selbst tiefe Ressentiments, die in Verfolgungs- und Verschwörungstheorien einmünden.

Mäder betrachtet die Rentenkürzungen als das Recht negierenden Willkürakt westdeutsch dominierter politischer Macht, der sich das BVerfG unter seinem Präsidenten Papier willfährig unterworfen habe. Von alldem kann ernsthaft keine Rede sein. Mäder blendet konsequent die besondere Verantwortung führender Kader für das diktatorische politische Regime der DDR aus. Dass die betroffenen Personen das politische System der DDR getragen haben, kann jedoch nicht ernsthaft bestritten werden. Für Mäder ist dies jedoch nur Ausdruck der Tatsache, dass "sie treu zur Verfassung standen und zum Wohle der Bürger ihren Staat stärkten". Diese Aussage bedarf wohl keiner weiteren Kommentierung.

Die beschworene Wertneutralität des Versorgungsrechts muss bei der Anerkennung des Fortbestehens von Leistungsansprüchen von Staatsbediensteten, die unter einem politischen System erworben wurden, das alles andere als ein Rechts- und Verfassungsstaat war, Grenzen haben. Das galt zum Beispiel für Angehörige der Gestapo, die eine staatliche Versorgung, die über den Rahmen allgemeiner Fürsorge hinausging, nicht beanspruchen konnten, und es gilt in gleicher Weise für das politische und militärische Führungspersonal der ehemaligen DDR. Es kann ebenso wenig rechtlich geschweige denn moralisch weitergehende Ansprüche geltend machen.

CHRISTIAN HILLGRUBER

Werner Mäder: Zweiheit statt Einheit. Versorgungsüberleitung Ost. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2015. 242 S., 74,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Christian Hillgruber empört sich über Werner Mäders Sicht der Dinge. Mäders Kritik an der Überleitung von Renten aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland als an einem rechtswidrigen Akt von Siegermentalität findet er polemisch und befremdlich. Die vom Autor konstatierte Feindseligkeit der westdeutschen politischen Klasse gegenüber den DDR-Eliten verbucht der Rezensent unter Verschwörungstheorie. Dass der Autor die Verantwortung der Führungskader für das diktatorische Regime der DDR ausblendet, scheint ihm unerhört. Für Hillgruber sind sie zu moralischen wie rechtlichen Ansprüchen ebenso wenig berechtigt wie Angehörige der Gestapo.

© Perlentaucher Medien GmbH