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Tadeusz Rozewicz, der als Junge mit den Partisanen gegen Hitler kämpfte, hat seine Poetik aus der Erfahrung des Krieges formuliert: eine schnörkellose, antiillusionistische Dichtung. Seine mit harten Schnitten arbeitenden Poeme beschreiben eine Welt, die sich nicht versöhnen lassen will.

Produktbeschreibung
Tadeusz Rozewicz, der als Junge mit den Partisanen gegen Hitler kämpfte, hat seine Poetik aus der Erfahrung des Krieges formuliert: eine schnörkellose, antiillusionistische Dichtung. Seine mit harten Schnitten arbeitenden Poeme beschreiben eine Welt, die sich nicht versöhnen lassen will.
Autorenporträt
Tadeusz Rozewicz, 1921 bei Tschenstochau geboren, veröffentlichte bereits 1938 erste Gedichte. Während des zweiten Weltkriegs beteiligte er sich am Widerstand und war Redakteur der Untergrundzeitschrift Czyn zbrojny. Er studierte Kunstgeschichte in Krakau und gilt seit Veröffentlichung des Gedichtbands Niepokój (Unruhe) 1947 als Begründer einer neuen Poetik. Sein Werk wurde in viele Sprachen übersetzt. Rozewicz wurde unter anderem mit dem Samuel-Bogumil-Linde-Preis der Städte Göttingen und Thorn für Verständigung und Versöhnung zwischen Deutschland und Polen ausgezeichnet. Im April 2014 ist Tadeusz Rozewicz mit 92 Jahren in seinem Wohnort Wroclaw verstorben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2001

Leiser Charme, ernste Versuchung
Selbstporträt: Ausgewählte Gedichte von Tadeusz Rózewicz

Es gibt einen Dämon, der dem Dichter das Königreich der Avantgarde vor die Füße legt und mit ihm das Versprechen des Ruhms. Nun dürfen Dichter zwar der Versuchung absagen, aber Heilige werden dürfen sie nicht, wenn sie Dichter bleiben wollen. Der polnische Autor Tadeusz Rózewicz hat es geschafft, dieses Paradox ein Leben lang auszuhalten, ohne zu verdorren und in Rechthaberei zu erstarren. Der Ruhm, der ihn dennoch ereilte, findet ihn heute gelassen, vor allem aber skeptisch wie eh und je.

Als Rózewicz seinerzeit seine Warnung vor der poetischen Hybris formulierte - im Winter 1966/67 in Berlin -, galt der Autor vom Jahrgang 1921 bereits als prominenter Vertreter einer Antipoesie, die aus dem Erlebnis von Widerstand und Partisanentum kam. Der Dichter, der als junger Mensch in der polnischen Untergrundarmee gekämpft hatte, formulierte als seine entscheidende Erfahrung: "Die Lyrik mußte, um wiederauferstehen zu können, sterben."

Das Werk des Tadeusz Rózewicz demonstriert diese Wiederauferstehung. Aber nicht als glanzvollen Triumph, sondern als Anfang eines neuen Sprechens, einer ernüchterten poetischen Sprache. Die wiederauferstandene Poesie behält die Stigmen des Todes, und dies auf immer. Was Rózewicz in den späten vierziger Jahren zu schreiben begann, war - nach seinem eigenen Ausdruck - eine Poesie für Entsetzte, für Überlebende. Für solche, die gleich ihm "davongekommen" waren. Ein frühes Gedicht beginnt: "Ich bin vierundzwanzig / unterwegs zur schlachtbank / bin ich davongekommen."

Dieses Gedicht steht prononciert am Anfang des Bandes "Zweite ernste Verwarnung", einer Auswahl, die der Dichter zusammen mit dem Übersetzer Henryk Bereska getroffen hat. Sie bringt eine Reihe älterer Stücke, die noch nicht auf deutsch erschienen sind, aber auch einige neue Versionen von Gedichten, die wir bereits durch Übertragungen von Karl Dedecius oder Peter Lachmann kennen. Der Hauptakzent des Bandes aber liegt auf Gedichten, die seit den neunziger Jahren entstanden sind. Es sind die Gedichte eines Mannes, der in diesem Jahr achtzig wird.

"Unruhe", der Titel seines ersten Bandes, könnte auch über diesen späten Versen von Rózewicz stehen. Der Dichter überprüft seine Bestände. Er tut es am illusionslosesten mit Blick auf berühmte tote Kollegen wie Samuel Beckett, Paul Celan und Ezra Pound. Mit der Hölderlin-Frage nach den Dichtern in dürftiger Zeit eröffnet er ein langes Gedicht in memoriam Paul Celan. Dort heißt es bündig: "die götter verließen die welt / und ließen die dichter zurück." Dieser lapidare Befund eröffnet ihm eine Welt von Ambivalenzen, die nicht mehr auf Formeln und Schlüsse zu bringen sind. Das lyrische Denken gerät in die Strudel von Bedenklichkeiten, die auch am Ende der Gedichte nicht aufgelöst werden. Je länger die Gedichte sind, um so deutlicher artikuliert sich diese Unruhe. Sie wird durch Respekt eher noch gesteigert. So wagt Rózewicz keine Vermutung, welche Fragen "Anczel der Jude" Heidegger gestellt hat. Auch im völlig anders gelagerten Fall Pound maßt er sich kein Richteramt an. "Ich bin Niemand", das Gedicht über den Dichter im Pisaner Strafcamp, bewegt sich im Kreis wie Pound in seinem Gorillakäfig. Aus dem Zirkel von Mitleid und Abscheu rettet sich das Gedicht in Gesang - in den "Gesang aus dem Käfig".

Doch dieser Gesang - wohin führt er, was wird von ihm bleiben? Vor allem, was bleibt von dem eigenen Gesang? Rózewicz, der die Hybris und Eitelkeit der Dichter verdammt hat, ist uneitel und demütig geblieben. Vielleicht erhielt ihm das die schöne Fähigkeit zur Bewunderung. Die Verse, die er dem Freund Czeslaw Milosz widmet, zeigen das. Sie zeigen auch, wie Rózewicz seine eigene Poesie einschätzt.

Er sieht sich - mit dem Titel dieses Gedichts - als "Poeta emeritus", als alten Mann auf einer Bank, dem ein Rabe geflogen kommt und mit schwarzer Feder den Mund verschließt. Natürlich kann dieser Rabe seine Abkunft nicht ganz verleugnen. Er ist der letzte Bote des Traumes, den Edgar Allan Poe vom vollkommenen Gedicht träumte. Mehr noch. Über alldem ist auch jener Traum ausgeträumt, dem Horaz die klassische Prägung gab - das "Non omnis moriar" (Nicht gänzlich werde ich sterben). Auch Rózewicz erweist ihm noch einmal Reverenz. Nämlich durch seine Umkehrung: "Ich weiß ich sterbe ganz."

Rózewicz wäre nicht der Weise, zu dem ihn sein Zweifel macht, zöge er aus seiner Skepsis nicht Trost. Er besteht für ihn in der Kraft, "außerhalb der poesie fortzudauern". Wer dennoch weiterschreibt, schreibt "an den Rändern der Poesie": "nach fünfzig jahren / des schreibens / kann sich die poesie / dem dichter offenbaren / in form eines baumes" - vielleicht also allen, die Augen haben, zu sehen.

Wem aber diese Befunde, diese "ernsten Verwarnungen", zu streng und defätistisch sind, der halte sich an einige wie improvisiert wirkende kürzere Texte. Sie zeigen den Charme, zu dem Rózewicz fähig ist. Man findet dort die Antwort auf die Frage, warum die Dichter Wodka trinken. Aber auch versteckt als "Hausaufgabe" eine Frage, die jeder Rózewicz-Leser beantworten kann: "in der polnischen lyrik / habe ich bisher kein gutes / selbstporträt gelesen." Der vorliegende Band ist dieses Selbstporträt.

Bleibt noch das längste Gedicht, das Satyrspiel in Form eines fiktiven Interviews. Wie hält es der alte Rózewicz mit dem Ruhm? Unter dem Titel "Ruhm" heißt es: "Stets im oktober (an meinem geburtstag) / fragen die mich ob ich mich freue / daß ein anderer den nobelpreis bekam (. . .)." Da lese man weiter, wenn man wissen will, ob Tadeusz Rózewicz die Versuchung des Dämons erlebt hat, wie er sich ihrer erwehrt und wie er damit lebt.

HARALD HARTUNG

Tadeusz Rózewicz: "Zweite ernste Verwarnung". Ausgewählte Gedichte. Aus dem Polnischen übersetzt von Henryk Bereska. Carl Hanser Verlag, München und Wien 2000. 118 S., geb., 28,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Kurt Oesterle ist erleichtert. Endlich hat die westliche Literaturkritik die polnischen Poeten erkannt. Tadeusz Rózewicz hält er neben Czeslaw Milosz und Zbigniew Herbert für einen der drei bedeutendsten polnischen Dichter der Gegenwart. Das Gesamtwerk des 1921 geborenen Schriftstellers spiegelt die Erfahrungen und Leiden des polnischen Volkes im letzten Jahrhundert wider. Der nun vorliegende Band mit Gedichten aus den Jahren 1945 bis 2000, von Henryk Bereska `glänzend` und `überzeugend` übersetzt, ist, so Oesterle, besonders aufregend. Denn Rózewicz hat an der Auswahl der Gedichte selbst mitgewirkt. Und diese Auswahl erfreut den Rezensenten durch ihren `Reichtum der Töne`, die hermetische wie auch mythopoetische wie auch parodistische Schreibweise, der Rózewicz` unverkennbar antistalinistische Züge verliehen habe.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Die Stärke dieses Dichters ist die Unmittelbarkeit seiner Verse." Hauke Hückstädt, Der Tagesspiegel. 21.10.00