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»Warum lebt kaum jemand so, wie er es richtig findet?«
Nach dem großen Erfolg von »Wofür es sich zu leben lohnt« treibt Robert Pfaller seine Kulturkritik in politischer Absicht weiter. Die erste Welt ist die unseres wirklichen Lebens mit allen Mühen, Frustrationen und Kompromissen. Die zweite Welt ist die der Träume, Wünsche und Illusionen. Wie hängen beide zusammen? Braucht man die zweiten, um die erste zu ertragen? Er untersucht die komplizierte Dialektik von Realität und Wunsch und entfaltet sie an so unterschiedlichen Themen wie dem Staunen, der Illusion, der Komödie oder der Katharsis,…mehr

Produktbeschreibung
»Warum lebt kaum jemand so, wie er es richtig findet?«

Nach dem großen Erfolg von »Wofür es sich zu leben lohnt« treibt Robert Pfaller seine Kulturkritik in politischer Absicht weiter. Die erste Welt ist die unseres wirklichen Lebens mit allen Mühen, Frustrationen und Kompromissen. Die zweite Welt ist die der Träume, Wünsche und Illusionen. Wie hängen beide zusammen? Braucht man die zweiten, um die erste zu ertragen? Er untersucht die komplizierte Dialektik von Realität und Wunsch und entfaltet sie an so unterschiedlichen Themen wie dem Staunen, der Illusion, der Komödie oder der Katharsis, der Serie »Sex and the City« oder dem Phänomen der »Interpassivität«. Seine Diagnose: Wenn wir keine Phantasie mehr haben, aus der wir erleichtert ins Leben flüchten können, gerät uns das Leben selbst zu einem auswegslosen Alptraum.
Autorenporträt
Pfaller, RobertRobert Pfaller, geboren 1962, studierte Philosophie in Wien und Berlin und ist nach Gastprofessuren in Chicago, Berlin, Zürich und Straßburg Professor für Philosophie an der Kunstuniversität Linz. Von 2009 bis 2014 war er Professor für Philosophie an der Universität für angewandte Kunst Wien. In den Fischer Verlagen ist von ihm »Das schmutzige Heilige und die reine Vernunft. Symptome der Gegenwartskultur« erschienen, die vielbeachtete Studie »Wofür es sich zu leben lohnt. Elemente materialistischer Philosophie«, »Zweite Welten. Und andere Lebenselixiere« sowie im Fischer Taschenbuch »Kurze Sätze über gutes Leben«. Mit Beate Hofstadtler hat er außerdem den Band »After you get what you want, you don't want it. Wunscherfüllung, Begehren und Genießen« herausgegeben. Zuletzt erschien von ihm »Erwachsenensprache. Über ihr Verschwinden aus Politik und Kultur« (2017). 2020 wurde ihm der Paul-Watzlawick-Ehrenring verliehen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.01.2013

Mäßigt die maßlose Mäßigung
Der österreichische Philosoph Robert Pfaller will mit seinem Buch „ Zweite Welten“ der Lustfeindlichkeit den Kampf ansagen
Warum lebt eigentlich kaum jemand so, wie er es für richtig hält? Was treibt uns dazu, in einem grauen Alltag zu verweilen, der mit dem Leben, wie wir es erträumen, nicht das Geringste gemein hat? Geht man nach dem Wiener Philosophen und Kulturtheoretiker Robert Pfaller, ist es eben der Umstand, dass wir träumen und in „zweiten Welten“ uneinholbare Ideale fabrizieren, der uns in der „ersten Welt“ bestehen lässt. Das gute Leben ist nach Robert Pfallers neuem Werk „Zweite Welten – Und andere Lebenselixiere“ eine dialektische Spitze, nämlich die Synthese aus schnöder Wirklichkeit und kathartisch wirkender Nebenwelt.
  In vier großen Abschnitten und diversen Unterkapiteln, die nur lose, über den gemeinsamen Grundtext einer psychoanalytischen Kulturkritik, miteinander verknüpft sind, wird die Relevanz zweiter Welten – des Traumhaften, des Irrationalen, des Abseitigen – durchexerziert. Diesen Welten haftet nach Pfaller für sich genommen zwar etwas Widerwärtiges an; in ihrer temporären Kultivierung jedoch entfalten sie einen Glanz, der auf die erste Welt zurückwirkt und eben jene Momente erst ermöglicht, für die „es sich zu leben lohnt“.
  So gehörten ein Glas Single-Malt oder eine von der Gesellschaft als pervers klassifizierte sexuelle Praktik nicht in die alltägliche Welt des Ich-Konformen. Aber gerade das Nicht-Ich-Konforme, der Urlaub in jenen mit dem Selbstbild unvereinbaren Seelenbezirken, könne in gewissen Momenten (in der Jazzkneipe oder eben in den Arealen, die das Tabu zelebrieren) eine Form von Lust bereiten, die wir uns heute, im postmodern-neoliberalen Zeitalter zusehends versagen würden. Und zwar deshalb, so Pfaller, weil sich ein „Terror der Intimität“ (Richard Sennett) herausgebildet habe, der die öffentlichen Räume verarmen und den „public man“, den Menschen früherer Dekaden, der um die Bedeutung des Maskenspiels gewusst habe, zugunsten des narzisstischen Privatiers verschwinden lasse.
  Heute werde alles darauf überprüft, ob es mit dem eigenen Ich kompatibel sei. Und alles, was das heutige Subjekt als störend empfinde, werde ausgeschieden. So hat sich nach Pfaller eine Verbotskultur entwickelt, die zum Beispiel auch das Rauchen – früher zentrales Moment der eleganten Inszenierung – aus der öffentlichen Sphäre verbannt hat, wo es nach der Lesart des Autors doch eigentlich hingehört. Sogar die Sexualität werde heute als etwas Ich-Fremdes erlebt und insofern sukzessive eliminiert. Im Anschluss an die Befreiung der Sexualität sei man heute dabei, sich von der Sexualität selbst zu befreien. Die „postsexuelle“ Mittelschicht delegiert demnach ihre Lust, vor deren intensivem Wellenschlag sie sich fürchtet, an eine pornografisierte Unterschicht, über deren „obszönen“ Gebrauch von Lustmitteln sie sich der Legitimität ihres eigenen „asketischen Ideals“ versichert.
  So weit, so übertrieben. Denn sowohl an Pfallers These einer völligen Erosion der Öffentlichkeit als auch an der etwas hysterisch anmutenden Postsexualitätsdiagnose darf man berechtigte Zweifel anmelden. Zwar ist es gewiss richtig, dass Privates und Öffentliches immer stärker ineinander driften, aber gerade in Zeiten von Facebook und Co. scheint es doch mindestens so evident, dass ein Zwang zur Öffentlichkeit das Private unterminiert, wie dass ein narzisstischer Rückzug aufs Private den öffentlichen Raum zum Verschwinden brächte. Eine Kulturkritik, die beanstandet, die Menschen würden sich heute im Hinblick auf eine ungesunde Authentizität selbst um ihre Zweiten Welten betrügen, wirkt da etwas gestrig. Überhaupt ist das Internet in Robert Pfallers Werk kaum ein Thema, was schon verblüfft – zumal in einem Text, der unter dem Titel „Zweite Welten“ firmiert.
  Und wie steht es um Pfallers Diagnose, dass wir den lustvollen Sex verlernt haben, dass wir allerhöchstens in Praktiken der „Interpassivität“ – sein Begriff für Weisen des Delegierens eigener Empfindungen an andere Menschen oder Objekte – unseren Sex an den Porno abgeben, um nicht mit der Intensität ich-fremder Gefühle konfrontiert zu werden?
  Nun, man darf trotz einer sexuellen Sättigung im Angesicht des Close-ups aufs Genital infrage stellen, dass die Asexualität das vorherrschende Dispositiv bezeichnet, das sich um den Sex der spätmodernen Mittelschicht spannt. Zugegeben: Vielleicht delegiert die eine oder andere „Shades of Grey“-Leserin ihren Masochismus an ein Buch, das zudem den echten, den schmutzigen Sex vermissen lässt. Dennoch werden von Pfaller die positiven Befunde einer grassierenden Sexlosigkeit, die seine epikureische Kulturkritik flankieren sollen, schlichtweg behauptet. Dass sich im Internet entsprechende Foren gebildet haben, ist kein Beweis für den Vormarsch der Asexualität. Das Internet ist ja gerade der entgrenzte Raum, in dem sich für alles und jedes Gleichgesinnte finden.
  Aber auch wenn man Pfaller die ein oder andere Polemik vorhalten mag, so kann es doch erfrischend wirken, in einer Zeit rigider Gesundheitsdiskurse an die vitalisierende Logik der Überschreitung erinnert zu werden. Selten wurde man in letzter Zeit so emphatisch wie in diesem Buch an die ungesunde Wirkung des Übergesunden und mit Epikur daran gemahnt, dass das gute Leben eben ein Mäßigen der maßlosen Mäßigung impliziert.
  Doch leider ist Robert Pfaller alles in allem kein wirklich gutes Buch über das gute Leben gelungen. Und das liegt nicht an einer bloß behaupteten Empirie, sondern daran, dass der Autor selbst in zu vielen Welten unterwegs ist. Das Buch wirkt, obwohl luzid und amüsant geschrieben, überladen. Der Text oszilliert zwischen einer psychoanalytischen Kulturtheorie, vulgärphilosophischer Unterhaltung und einer Gesellschaftskritik, die gegen neoliberale „Pseudopolitik“ mit einer neoepikureischen Ethik aufwartet. So verläuft sich der Autor zuletzt in seinem eigenen Anliegen.
CHRISTOPH DAVID PIORKOWSKI
Kennen wir „Postsexuellen“
nicht mehr die Momente,
für die es sich zu leben lohnt?
    
  
    
  
  
Robert Pfaller: Zweite Welten. Und andere Lebenselixiere. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012. 272 Seiten, 19,99 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Laut Robert Pfaller leben wir in zwei Welten: in der Ich-konformen Welt des Alltags, in der wir uns immer weniger Freude oder Lust gönnen, und in der nicht-Ich-konformen Welt, in der wir noch Sex haben, rauchen und Alkohol trinken, die aber zunehmend in einer durchorganisierten Gesellschaft an den Rand und in die Fantasie gedrängt wird. Christoph David Piorkowski hat sich von dem österreichischen Philosophen gern an die "vitalisierende Logik der Überschreitung" erinnern lassen und gibt Pfaller recht, wenn dieser die neue Verbotskultur und rigider werdenden Gesundheitsdiskurse anprangert. Trotzdem mutet den Rezensenten diese Kulturkritik etwas "gestrig" an, vor allem weil Pfaller ein völlig veraltetes Bild von Öffentlichkeit pflege. Nach Ansicht des Rezensenten könne man in Zeiten von Facebook nicht wirklich von einem Zwang zur Intimität und dem Verschwinden von Öffentlichkeit ausgehen. Das führt Piorkowski zu seinem zweiten großen Kritikpunkt, der fehlenden Empirie, weshalb er das Buch zwar noch erhellend und unterhaltsam findet, aber seine Durchschlagskraft in Frage gestellt sieht.

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