Ob klassische Schauergeschichte, zeitgenössisches Psychogramm eines Serienkillers oder modernster Science Fiction-Horror - das deutsche Horrormagazin "Zwielicht" liefert in seiner 17. Ausgabe eine umfassende und bunte Mischung aus deutscher und internationaler Genre-Literatur.
Dabei sticht
zunächst das wirklich sensationelle Cover des Schweizers Björn Ian Craig ins Auge. Mit einer gehörigen…mehrOb klassische Schauergeschichte, zeitgenössisches Psychogramm eines Serienkillers oder modernster Science Fiction-Horror - das deutsche Horrormagazin "Zwielicht" liefert in seiner 17. Ausgabe eine umfassende und bunte Mischung aus deutscher und internationaler Genre-Literatur.
Dabei sticht zunächst das wirklich sensationelle Cover des Schweizers Björn Ian Craig ins Auge. Mit einer gehörigen Portion Retrocharme spielt es so gruselig mit den Urängsten eines Kindes, wie es zuletzt vielleicht Blind Guardian in ihrem denkwürdigen Video zu "Mr. Sandman" gelang. Oder der genialen TV-Verfilmung von "Stephen Kings Es", gegen die der zweiteilige Kino-Blockbuster "Es" von Andrés Muschietti trotz modernster Special Effects nicht einmal ansatzweise anstinken konnte.
Mit Christian Blums "Arsénique" gelingt dem Zwielicht dann auch ein gelungener Einstieg mit einem Ausflug ins Metal-Genre. Zwar nicht zu den bereits angesprochenen Blinden Gardinen, dafür aber zur charismatischen Titelheldin, die ihren mehrstimmigen Gesang auf ganz eigene Art und Weise einzusetzen vermag. Insgesamt warten auf die Leserschaft 15 Geschichten, die sich sowohl stilistisch, als auch thematisch stark voneinander unterscheiden. Dass es bei einer solch umfassenden Anthologie dabei auch recht deutliche Qualitätsunterschiede gibt, scheint unvermeidlich. Während beispielsweise Algernon Blackwoods "Traumpfade" von 1911 auch sprachlich traumwandlerisch sicher daherkommen, verlieren sich einige wenige zeitgenössische Geschichten in einem Wust aus Genreklischees und Groschenroman-Flair. Zum Glück bilden letztere die eindeutige Minderheit.
Das größte Verdienst des Magazins ist ohnehin die unermüdliche und unglaublich liebevolle Recherche, mit der eher vergessene Autor:innen wie eben Blackwood, Arthur Machen oder Maurice Level wieder ins Zwielicht gerückt werden. Auf dem dazugehörigen Blog der Herausgeber Michael Schmidt und Achim Hildebrand finden sich nicht nur schier unfassbar umfangreiche Übersichten zu den genannten Schrifsteller:innen, sondern auch äußerst informative Interviews mit den Übersetzer:innen oder Autor:innen der Anthologie. Ein Blick auf defms.blogspot.com lohnt sich als Ergänzung zur Lektüre also ungemein. Dort wird man nicht nur feststellen, dass mittlerweile sogar schon "Zwielicht 18" erschienen ist, sondern dass es auch diverse Sonderveröffentlichungen - wie eben zu Algernon Blackwood - gibt.
Etwas irreführend ist in meinen Augen übrigens die Bezeichnung "Horrormagazin", denn "Zwielicht 17" kommt eher wie eine klassische Anthologie daher. Zwar gibt es am Ende der 15 Stories noch zwei Artikel mit Bezug zum Horrorgenre, doch auch hier hält sich der Einsatz von Bildern stark in Grenzen. Da sich der Titel aber in mittlerweile 18 Ausgaben bewährt hat, wird er wahrscheinlich nur noch Neueinsteiger:innen wie mich überraschen.
Insgesamt bietet "Zwielicht 17" über seine 280 Seiten eine unterhaltsame und gruselige Atmosphäre, die man mit wenigen Ausnahmen durchaus am Stück genießen kann. Für diejenigen Leser:innen, die dem klassischen Horrorgenre in den letzten Jahren vielleicht abhanden gekommen sind, empfehle ich vor allem die Geschichten, die sich nicht um Genregrenzen scheren und dabei sowohl sprachlich, als auch inhaltlich überraschen. Hier seien als Lesetipps neben den mehrfach erwähnten "Traumpfaden" von Algernon Blackwood vor allem auch Arthur Machens "Folter" von 1924, Maurice Levels "Babel" von 1910 und von den zeitgenössischen Geschichten Torsten Scheibs "Ein besonderes Näschen" zu empfehlen.