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Deutsche Geschichte im Osten Europas Ein halbes Jahrhundert nach dem endgültigen Untergang des deutschen Ostens ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Die Bände "Ostpreussen und Westpreussen" von Hartmut Boockmann, "Böhmen und Mähren" von Friedrich Prinz, "Baltische Länder" von Gert von Pistohlkors, "Schlesien" von Norbert Conrads, "Land an der Donau" von Günter Schödl, Joachim Rogalls "Land der grossen Ströme" sowie Gerd Strickers "Russland" sind bereits erschienen. Mit "Zwischen Adria und Karawanken" setzt Arnold Suppan die Reihe "Deutsche Geschichte im Osten Europas" fort. Seit den Tagen…mehr

Produktbeschreibung
Deutsche Geschichte im Osten Europas Ein halbes Jahrhundert nach dem endgültigen Untergang des deutschen Ostens ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Die Bände "Ostpreussen und Westpreussen" von Hartmut Boockmann, "Böhmen und Mähren" von Friedrich Prinz, "Baltische Länder" von Gert von Pistohlkors, "Schlesien" von Norbert Conrads, "Land an der Donau" von Günter Schödl, Joachim Rogalls "Land der grossen Ströme" sowie Gerd Strickers "Russland" sind bereits erschienen. Mit "Zwischen Adria und Karawanken" setzt Arnold Suppan die Reihe "Deutsche Geschichte im Osten Europas" fort. Seit den Tagen Karls des Grossen ist die Geschichte des Südostalpenraumes - im wesentlichen das Gebiet der heutigen Republik Slowenien - mit der deutschen und österreichischen Geschichte verbunden. Bereits Mitte des neunten Jahrhunderts wanderten durch die Täler der Drau, Mur und Save bayerische und fränkische Adelige und Bauern, Priester und Mönche, Handwerker und Kaufleute ein. Neben und mit den in diesen Gebieten lebenden Slawen rodeten sie Wälder, errichteten Gehöfte, stifteten Kirchen und Klöster, gründeten Märkte und Städte, schufen schliesslich auch neue politische und kirchliche Organisationsformen. Vom Beginn des Spätmittelalters an bis 1918 herrschten die Habsburger als Landesfürsten in den historischen Ländern Untersteiermark und Krain, bald auch in Istrien, Triest, Fiume und Görz. Ab 1527 griff die habsburgische Herrschaft über die Südostgrenze des Römisch-Deutschen Reiches in kroatische Gebiete aus, erweiterte 1699 ihren Besitzstand in Slawonien, 1797 in Dalmatien, schliesslich 1878 in Bosnien. Der Band "Adria und Karawanken" betrachtet die Geschichte des Südostalpenraums in der Wechselwirkung von deutscher, österreichischer und slowenischer Geschichte. Vor dem Hintergrund der Monarchia austriaca wurde hier immer wieder "Reichsgeschichte" wirksam, in der gemeinsamen Türkenabwehr 1522, der Verbreitung der Reformation und später der Durchsetzung der Gegenreformation, im Widerstand gegen Napoleon, in der Beteiligung an der Wahl zur Frankfurter Paulskirche und schliesslich im Streben nach Errichtung einer "Brücke zur Adria". Mit der Vertreibung der Italiener und Deutschen aus den slowenischen, kroatischen und serbischen Gebieten 1945 endete vorläufig die deutsche Geschichte im Südosten Europas. Heute, nach den Unabhängigkeitserklärungen Sloweniens und Kroatiens und den nachfolgenden kriegerischen Auseinandersetzungen, rücken die neuen Staaten wieder näher an Mitteleuropa heran.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.1999

Lange Schatten
Deutsche Geschichte zwischen Adria und Karawanken

Arnold Suppan: Zwischen Adria und Karawanken. Deutsche Geschichte im Osten Europas. Siedler Verlag, Berlin 1998. 480 Seiten, 250 Schwarzweißabbildungen, 16 Farbtafeln, 128 Mark.

Kurz bevor sich die Gebirgsstraße, die den Wocheiner See mit dem Tal des Flusses Soca (italienisch: Isonzo) verbindet, in eine einfache Schotterpiste verwandelt, trifft man auf die Siedlung Nemski rovt, die vor ihrer Slowenisierung im neunzehnten Jahrhundert einmal "Deutschreuth" hieß. Weiter unten im Tal, wenige Kilometer vom See entfernt, verweist das Ortsschild auf ein Dorf, das heute Laski rovt (welsche Rodung) genannt wird. Die Toponyme lassen ahnen, daß in dieser Region der germanische, der romanische und der slawische Sprach- und Kulturraum aufeinandertrafen. Dies blieb in gewandelter Form bis in unser Jahrhundert hinein so: Als 1906 der Eisenbahnbau durch das Wocheiner Tal abgeschlossen und die Triglav-Region mit dem Isonzo-Gebiet durch einen Tunnel verbunden war, da fuhr der erste Zug in Görz ein, ohne daß ein Bahnhofsschild dem Reisenden angekündigt hätte, wo er überhaupt angekommen war. Italiener und Slowenen waren mit einem rein deutschsprachigen Schild nicht einverstanden, die Slowenen hätten aber gegen eine zweisprachige (Görz/Gorizia), die Italiener gegen eine dreisprachige Tafel (Görz/Gorizia/Gorica) protestiert. Ein Foto aus dem Ersten Weltkrieg wiederum zeigt den völlig zerstörten Bahnhof mit einem angesichts der verheerenden Isonzo-Schlachten seltsam berührenden deutsch-italienischen Schild.

Die in den fünfziger Jahren exhumierten Gebeine der Grafen von Cilli (Celje) in der Untersteiermark sind heute in einem Museum zu besichtigen; einige Vertreter dieses Adelsgeschlechtes sollen bis zu zehn Sprachen gesprochen haben. Das Gebiet der Cillier Grafen wurde unterbrochen von den Besitztümern der Bischöfe von Brixen, Freising und Salzburg; auch das weiter westlich gelegene Patriarchat von Aquileja und die Grafschaft Görz waren multiethnische politische Gebilde. Aus Osttirol, Kärnten oder Friaul holten Bischöfe und Grafen Siedler in ein überwiegend von Slawen bewohntes Land, das sich ungefähr über das Gebiet der heutigen Republik Slowenien erstreckte.

Der Nationalismus des neunzehnten Jahrhunderts, der Untergang der Habsburger-Monarchie, der "Volkstumskampf" zwischen den beiden Weltkriegen, vor allem aber der deutsch-italienische Überfall auf Jugoslawien im April 1941 bereiteten dem friedlichen Zusammenleben der Nationalitäten ein Ende. Maribor (Marburg a. d. Drau) war am Ende des Ersten Weltkriegs noch eine Stadt mit mehrheitlich deutscher Bevölkerung; erst der Zuzug Tausender von Slowenen, die aufgrund der faschistischen Assimilationspolitik aus Julisch Venetien emigrierten, veränderte die Zusammensetzung der Einwohnerschaft und schuf eine slowenische Mehrheit.

Direktes Ergebnis der Verhandlungen zwischen Hitler und Mussolini war 1941 die Aussiedlung der Deutschen aus dem Gottscheer Gebiet, das zur Überraschung der Diktatoren ein Stützpunkt der slowenischen Partisanen wurde. Galt das italienische Besatzerregime im annektierten Südslowenien (Provincia di Lubiana) zunächst als relativ milde, so betrieb die SS in dem von Deutschland kontrollierten nördlichen Teil des Landes eine barbarische Politik der Zwangsumsiedlung und -assimilation. Zehntausende von Slowenen wurden deportiert, in Konzentrationslager eingeliefert, nach Serbien und Ustascha-Kroatien abgeschoben.

Bei Kriegsende ergriff die slowenische Regierung unter Boris Kidric ihrerseits Maßnahmen zur gewaltsamen Verschiebung von Teilen der Bevölkerung: Weder durften die Gottscheer in ihre Dörfer zurückkehren, noch war es den Untersteirern und Laibachern erlaubt, in Slowenien zu bleiben. Während der Friedensvertrag von 1947 den italienischsprachigen Bewohnern Istriens klar definierte Minderheitenrechte zugestand (viele von ihnen gingen trotzdem in den Westen), war die deutsche Bevölkerungskomponente in Slowenien den Vergeltungsakten der jugoslawischen Geheimpolizei OZNA schutzlos ausgeliefert.

Das katastrophale Ende der "deutschen Geschichte" in dieser Region, die Unterstützung des nationalsozialistischen Regimes durch die deutsche Minderheit und deren Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg, wirft lange Schatten auf die Jahrhunderte, in denen Deutsche, Slowenen, Ungarn, Kroaten, Italiener und Friauler miteinander oder nebeneinander lebten, teils in enger Nachbarschaft und Symbiose, teils durch soziale und ethnische Schranken getrennt. So verwundert das optimistische Fazit des Herausgebers: Erst jetzt, am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, sei "erstmals auch Distanz zu den Nationalismen der Frontgenerationen möglich" und damit "freie Sicht auf die Vergangenheit gegeben".

ROLF WÖRSDÖRFER

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