Die Verfassungsgeschichtsschreibung ist zwischen der Geschichts- und Rechtswissenschaft angesiedelt. Mit der Untersuchung ihrer personellen, ideengeschichtlichen und institutionellen Zusammenhänge erschließt Ewald Grothe einen wichtigen, aber bisher vernachlässigten Teil der deutschen Wissenschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert. Die Verfassungsgeschichtsschreibung in Deutschland zwischen 1900 und 1970 ist durch eine weitgehende Kontinuität ihrer personellen Träger und ihrer inhaltlich-methodischen Ausgestaltung gekennzeichnet. Im Kontrast dazu wird ihr Gegenstand, die deutsche Verfassungsgeschichte, von der Diskontinuität der politischen Systeme geprägt. Der Autor untersucht Inhalt, Methode und Rezeption der verschiedenen Entwürfe zur Verfassungsgeschichtsschreibung, wobei die Historiker Otto Hintze und Fritz Hartung sowie der Jurist Ernst Rudolf Huber besonders in den Vordergrund rücken.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.01.2006Zeitgebundenheit der Begriffe
Die Entwicklung der Verfassungsgeschichte als Lehr- und Forschungsgebiet von 1900 bis 1970
Auch Verfassungsgeschichte ist Teil der politischen Geschichte. Ihre Erforschung, der Gegenstand der Wissenschaftsdisziplin Verfassungsgeschichte, ist nicht abgeschottet von der politischen Bewegung der Zeit, sondern stets mit ihr verwoben und wird von daher in Fragestellung und Sichtweise mitbestimmt. So kann das von Ewald Grothe vorgelegte Buch, das die Entwicklung der Verfassungsgeschichte als Lehr- und Forschungsgebiet von 1900 bis 1970 verfolgt, auf besonderes Interesse rechnen. Es ist angelegt als wissenschaftsgeschichtliche Arbeit, nicht als Untersuchung der Verfassungsgeschichte selbst.
Die Arbeit bringt reichen Ertrag. Sie faßt innerhalb der einzelnen Zeitabschnitte - spätes Kaiserreich, Weimarer Republik, nationalsozialistische Herrschaft und die Zeit von 1945 bis 1970 jeweils drei Analyseebenen ins Auge: die handelnden Personen (einschließlich ihrer Lebenswege und Karriereverläufe), die bestehenden fachlichen Strukturen ( insbesondere die vorhandenen oder neu eingerichteten Lehrstühle und Studienordnungen) und schließlich die Produkte des wissenschaftlichen Forschens. Dieser fruchtbare Ansatz vermeidet eine geisteswissenschaftliche Isolierung auf die wissenschaftlichen Produkte allein, bezieht vielmehr deren Bedingtheit und Beeinflussung durch Wissenschafts- und personalpolitische Maßnahmen mit ein: Wissenschaftsideengeschichte mit Wissenschaftsorganisationsgeschichte und Wissenschaftssozialgeschichte verbinden sich. Das macht die Darstellung lebendig und verleiht ihr Anschaulichkeit.
Man erfährt etwa, daß der akademische Weg des berühmten Otto Hintze weniger durch Fakultäts- und Wissenschaftsautonomie als vielmehr durch den legendären Ministerialdirektor Althoff, den großen Förderer wissenschaftlicher Innovation, geebnet wurde. Es bringt aber auch Darstellungs- und Kompositionsprobleme mit sich, die nicht immer einfach zu lösen sind, weil die Lebens-, Werk- und Wirkungsgeschichte der großen Namen wie Otto Hintze, Fritz Hartung, Otto Brunner, Ernst Rudolf Huber mehrere Zeitabschnitte übergreift.
Einen besonderen Akzent erhält die Arbeit insofern, als Verfassungsgeschichte als wissenschaftliche Teildisziplin ebenso der Geschichtswissenschaft wie der Rechtswissenschaft zugehört. Das kann Anlaß für Rivalitäten und belebende Konkurrenz, für unverbundenes Nebeneinander, aber auch für wechselseitige Kenntnisnahme und Anregung sein, bis hin zu interdisziplinärem Miteinander; für all diese Varianten bringt das Buch zahlreiche Belege. Es ist auch insgesamt mit großer Sorgfalt, beeindruckender Detailkenntnis und differenziertem Urteilsvermögen gearbeitet, unter umfassender Heranziehung und Auswertung von Quellen und Literatur, nicht zuletzt der Briefkorrespondenz der Beteiligten, die oftmals - zumal während der Zeit des Nationalsozialismus - sicherere Rückschlüsse auf wirkliche Auffassungen und Einstellungen zuläßt als öffentlich Geäußertes.
Mit Recht sieht der Verfasser für das späte Kaiserreich ein Vorherrschen der von Historikern betriebenen verfassungsgeschichtlichen Forschung. Diese emanzipierte sich von einer statisch-substantiell gesehenen politischen Ideen- und Staatengeschichte, grenzte sich aber ebenso von der begrifflich-juristischen Betrachtungsweise der Rechtshistoriker ab, die auch in Werken zur Staatslehre auftrat. Sie konzentriert sich, aus profunder Aktenkenntnis arbeitend, primär auf die Staatsentwicklung in einer dynamisch-funktionalen Sichtweise, das heißt die Ausbildung von Behörden und anderen Institutionen, von Verfahrensweisen und Personalrekrutierung, und gelangt darüber auch zu europäisch-vergleichender Betrachtung; bisherige Staatengeschichte wurde durch eine wirtschaftliche und soziale Faktoren berücksichtigende Verfassungs- und insbesondere Verwaltungsgeschichte ergänzt und unterfangen. Solche genetisch-historische, tatsachengestützte Betrachtungsweise wird vor allem von Otto Hintze betrieben, aber auch Fritz Hartung, dessen zunächst als Grundriß verfaßte "Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit" sich im Zuge ihrer mehrfachen Auflagen (zwischen 1933 und 1945 lehnte Hartung eine solche ab) zu einem Standardwerk entwickelte, das weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hineinwirkte.
Während die Weimarer Zeit für den Verfasser keine weitergreifende Bewegung erkennen läßt - der Zusammenbruch der Monarchie und wilhelminischen Welt bringt für die Verfassungsgeschichte noch keinen neuen Aufbruch oder veränderte Fragestellungen, läßt sie vielmehr in der Verteidigung des deutschen Konstitutionalismus verharren -, wird die Periode der nationalsozialistischen Herrschaft zum experimentum crucis. Dieser Abschnitt, der das Ineinandergreifen von studienorganisatorischen Maßnahmen für die Juristenausbildung, die schon vor 1933 geplant wurden und einen Schub für das Fach Verfassungsgeschichte brachten, von persönlichen Berufskarrieren, die durch den Umbruch 1933 mit veranlaßt und gefördert wurden, und von dem Aufkommen neuer Wege der Verfassungsgeschichtsschreibung, die ideologisch inauguriert und überhöht wurden, schildert, ist gewiß der spannendste des Buches; aber er ist zugleich nicht ohne Probleme. Denn bei dem, was sich hier abspielte, darf man durch die politisch-ideologischen Ausgangspunkte, Instrumentalisierungen und Überhöhungen nicht die Frage nach der wissenschaftlichen Tragfähigkeit und Fruchtbarkeit der neuen Ansätze zudecken lassen, auch wenn das vielleicht unkorrekt erscheinen mag. Damit tut sich der Verfasser indes vergleichsweise schwer.
Die neuen Wege der Verfassungsgeschichtsschreibung hatten ihren Ausgangspunkt darin, daß man einen materiellen Verfassungsbegriff übernahm, der auf den Gesamtzustand des politischen Gemeinwesens als einen geformten und sich zugleich entwickelnden abstellte - unter Abkehr vom juristisch-formellen Verfassungsbegriff. Das war die Anknüpfung an die Diskussion um den Verfassungsbegriff unter Juristen in der Weimarer Zeit, den auch Historiker beachteten und für sich fruchtbar machten. Darin war und ist durchaus ein wissenschaftlicher Fortschritt zu sehen, der dadurch erheblich gefördert wurde, daß der Umbruch von 1933 und der Gang in "konkrete Ordnungen" mit einem Mal die Zeitgebundenheit der staatsbezogenen Begriffe und Unterscheidungen des 19. Jahrhunderts bewußtmachte. Dies überdeckten die ideologisch bedingte Etikettierung der Verfassungsgeschichte zur Volksgeschichte mit verfließenden Konturen, weil der Volksbegriff unklar bleibt und für aktuell-politische (völkische) Aufladung offen ist (wie der Verfasser bei Huber mehrfach ausweist und es auch bei Brunner festzustellen ist), und das politische Deutungsmuster der Verfassungsgeschichte als teleologischer Weg zur gegenwärtigen Volksordnung, bei dem die Verfassungsgeschichte als Legitimationswissenschaft in Dienst gestellt wurde. Doch kann alles nicht darüber hinwegtäuschen, daß Brunner eine Epochenwende für die Verfassungsgeschichte begründete, hinter die nicht zurückgegangen werden konnte, und Hubers großangelegte deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789 fand hier ihre Grundlage. Mit der Kennzeichnung Brunners als "politischer Historiker" läßt sich das nicht übergehen oder ausblenden. Es ist ja gerade das Problem, daß auch bei fragwürdigen, zeitgeistabhängigen Prämissen die verläßliche, jeder Manipulation abholde Arbeit an und aus den Quellen weiterführende, ja epochemachende Erkenntnisse hervorbringen kann.
Für den Zeitabschnitt nach 1945 gilt die Aufmerksamkeit des Verfassers zunächst der Entnazifizierungs- und Reintegrationsgeschichte, die für Huber materialreich ausgebreitet wird. Zutreffend diagnostiziert Grothe ein Hin und Her zwischen Kontinuität und Neubeginn, bezogen sowohl auf die kaum veränderte Neupublikation älterer Darstellungen als auch auf das Forttragen bisheriger oder das Aufkommen neuer Sichtweisen und Bewertungskriterien der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung.
ERNST-WOLFGANG BÖCKENFÖRDE.
Ewald Grothe: Zwischen Geschichte und Recht. Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung 1900-1970. Oldenbourg Verlag, München 2005. 486 S., 64,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Entwicklung der Verfassungsgeschichte als Lehr- und Forschungsgebiet von 1900 bis 1970
Auch Verfassungsgeschichte ist Teil der politischen Geschichte. Ihre Erforschung, der Gegenstand der Wissenschaftsdisziplin Verfassungsgeschichte, ist nicht abgeschottet von der politischen Bewegung der Zeit, sondern stets mit ihr verwoben und wird von daher in Fragestellung und Sichtweise mitbestimmt. So kann das von Ewald Grothe vorgelegte Buch, das die Entwicklung der Verfassungsgeschichte als Lehr- und Forschungsgebiet von 1900 bis 1970 verfolgt, auf besonderes Interesse rechnen. Es ist angelegt als wissenschaftsgeschichtliche Arbeit, nicht als Untersuchung der Verfassungsgeschichte selbst.
Die Arbeit bringt reichen Ertrag. Sie faßt innerhalb der einzelnen Zeitabschnitte - spätes Kaiserreich, Weimarer Republik, nationalsozialistische Herrschaft und die Zeit von 1945 bis 1970 jeweils drei Analyseebenen ins Auge: die handelnden Personen (einschließlich ihrer Lebenswege und Karriereverläufe), die bestehenden fachlichen Strukturen ( insbesondere die vorhandenen oder neu eingerichteten Lehrstühle und Studienordnungen) und schließlich die Produkte des wissenschaftlichen Forschens. Dieser fruchtbare Ansatz vermeidet eine geisteswissenschaftliche Isolierung auf die wissenschaftlichen Produkte allein, bezieht vielmehr deren Bedingtheit und Beeinflussung durch Wissenschafts- und personalpolitische Maßnahmen mit ein: Wissenschaftsideengeschichte mit Wissenschaftsorganisationsgeschichte und Wissenschaftssozialgeschichte verbinden sich. Das macht die Darstellung lebendig und verleiht ihr Anschaulichkeit.
Man erfährt etwa, daß der akademische Weg des berühmten Otto Hintze weniger durch Fakultäts- und Wissenschaftsautonomie als vielmehr durch den legendären Ministerialdirektor Althoff, den großen Förderer wissenschaftlicher Innovation, geebnet wurde. Es bringt aber auch Darstellungs- und Kompositionsprobleme mit sich, die nicht immer einfach zu lösen sind, weil die Lebens-, Werk- und Wirkungsgeschichte der großen Namen wie Otto Hintze, Fritz Hartung, Otto Brunner, Ernst Rudolf Huber mehrere Zeitabschnitte übergreift.
Einen besonderen Akzent erhält die Arbeit insofern, als Verfassungsgeschichte als wissenschaftliche Teildisziplin ebenso der Geschichtswissenschaft wie der Rechtswissenschaft zugehört. Das kann Anlaß für Rivalitäten und belebende Konkurrenz, für unverbundenes Nebeneinander, aber auch für wechselseitige Kenntnisnahme und Anregung sein, bis hin zu interdisziplinärem Miteinander; für all diese Varianten bringt das Buch zahlreiche Belege. Es ist auch insgesamt mit großer Sorgfalt, beeindruckender Detailkenntnis und differenziertem Urteilsvermögen gearbeitet, unter umfassender Heranziehung und Auswertung von Quellen und Literatur, nicht zuletzt der Briefkorrespondenz der Beteiligten, die oftmals - zumal während der Zeit des Nationalsozialismus - sicherere Rückschlüsse auf wirkliche Auffassungen und Einstellungen zuläßt als öffentlich Geäußertes.
Mit Recht sieht der Verfasser für das späte Kaiserreich ein Vorherrschen der von Historikern betriebenen verfassungsgeschichtlichen Forschung. Diese emanzipierte sich von einer statisch-substantiell gesehenen politischen Ideen- und Staatengeschichte, grenzte sich aber ebenso von der begrifflich-juristischen Betrachtungsweise der Rechtshistoriker ab, die auch in Werken zur Staatslehre auftrat. Sie konzentriert sich, aus profunder Aktenkenntnis arbeitend, primär auf die Staatsentwicklung in einer dynamisch-funktionalen Sichtweise, das heißt die Ausbildung von Behörden und anderen Institutionen, von Verfahrensweisen und Personalrekrutierung, und gelangt darüber auch zu europäisch-vergleichender Betrachtung; bisherige Staatengeschichte wurde durch eine wirtschaftliche und soziale Faktoren berücksichtigende Verfassungs- und insbesondere Verwaltungsgeschichte ergänzt und unterfangen. Solche genetisch-historische, tatsachengestützte Betrachtungsweise wird vor allem von Otto Hintze betrieben, aber auch Fritz Hartung, dessen zunächst als Grundriß verfaßte "Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit" sich im Zuge ihrer mehrfachen Auflagen (zwischen 1933 und 1945 lehnte Hartung eine solche ab) zu einem Standardwerk entwickelte, das weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hineinwirkte.
Während die Weimarer Zeit für den Verfasser keine weitergreifende Bewegung erkennen läßt - der Zusammenbruch der Monarchie und wilhelminischen Welt bringt für die Verfassungsgeschichte noch keinen neuen Aufbruch oder veränderte Fragestellungen, läßt sie vielmehr in der Verteidigung des deutschen Konstitutionalismus verharren -, wird die Periode der nationalsozialistischen Herrschaft zum experimentum crucis. Dieser Abschnitt, der das Ineinandergreifen von studienorganisatorischen Maßnahmen für die Juristenausbildung, die schon vor 1933 geplant wurden und einen Schub für das Fach Verfassungsgeschichte brachten, von persönlichen Berufskarrieren, die durch den Umbruch 1933 mit veranlaßt und gefördert wurden, und von dem Aufkommen neuer Wege der Verfassungsgeschichtsschreibung, die ideologisch inauguriert und überhöht wurden, schildert, ist gewiß der spannendste des Buches; aber er ist zugleich nicht ohne Probleme. Denn bei dem, was sich hier abspielte, darf man durch die politisch-ideologischen Ausgangspunkte, Instrumentalisierungen und Überhöhungen nicht die Frage nach der wissenschaftlichen Tragfähigkeit und Fruchtbarkeit der neuen Ansätze zudecken lassen, auch wenn das vielleicht unkorrekt erscheinen mag. Damit tut sich der Verfasser indes vergleichsweise schwer.
Die neuen Wege der Verfassungsgeschichtsschreibung hatten ihren Ausgangspunkt darin, daß man einen materiellen Verfassungsbegriff übernahm, der auf den Gesamtzustand des politischen Gemeinwesens als einen geformten und sich zugleich entwickelnden abstellte - unter Abkehr vom juristisch-formellen Verfassungsbegriff. Das war die Anknüpfung an die Diskussion um den Verfassungsbegriff unter Juristen in der Weimarer Zeit, den auch Historiker beachteten und für sich fruchtbar machten. Darin war und ist durchaus ein wissenschaftlicher Fortschritt zu sehen, der dadurch erheblich gefördert wurde, daß der Umbruch von 1933 und der Gang in "konkrete Ordnungen" mit einem Mal die Zeitgebundenheit der staatsbezogenen Begriffe und Unterscheidungen des 19. Jahrhunderts bewußtmachte. Dies überdeckten die ideologisch bedingte Etikettierung der Verfassungsgeschichte zur Volksgeschichte mit verfließenden Konturen, weil der Volksbegriff unklar bleibt und für aktuell-politische (völkische) Aufladung offen ist (wie der Verfasser bei Huber mehrfach ausweist und es auch bei Brunner festzustellen ist), und das politische Deutungsmuster der Verfassungsgeschichte als teleologischer Weg zur gegenwärtigen Volksordnung, bei dem die Verfassungsgeschichte als Legitimationswissenschaft in Dienst gestellt wurde. Doch kann alles nicht darüber hinwegtäuschen, daß Brunner eine Epochenwende für die Verfassungsgeschichte begründete, hinter die nicht zurückgegangen werden konnte, und Hubers großangelegte deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789 fand hier ihre Grundlage. Mit der Kennzeichnung Brunners als "politischer Historiker" läßt sich das nicht übergehen oder ausblenden. Es ist ja gerade das Problem, daß auch bei fragwürdigen, zeitgeistabhängigen Prämissen die verläßliche, jeder Manipulation abholde Arbeit an und aus den Quellen weiterführende, ja epochemachende Erkenntnisse hervorbringen kann.
Für den Zeitabschnitt nach 1945 gilt die Aufmerksamkeit des Verfassers zunächst der Entnazifizierungs- und Reintegrationsgeschichte, die für Huber materialreich ausgebreitet wird. Zutreffend diagnostiziert Grothe ein Hin und Her zwischen Kontinuität und Neubeginn, bezogen sowohl auf die kaum veränderte Neupublikation älterer Darstellungen als auch auf das Forttragen bisheriger oder das Aufkommen neuer Sichtweisen und Bewertungskriterien der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung.
ERNST-WOLFGANG BÖCKENFÖRDE.
Ewald Grothe: Zwischen Geschichte und Recht. Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung 1900-1970. Oldenbourg Verlag, München 2005. 486 S., 64,80 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Als überaus ertragreich beurteilt Rezensent Ernst-Wolfgang Böckenförde diese wissenschaftsgeschichtliche Arbeit über die Entwicklung der Verfassungsgeschichte als Lehr- und Forschungsgebiet von 1900 bis 1970, die Ewald Grothe vorgelegt hat. Den Ansatz des Autors, in den einzelnen Zeitabschnitten jeweils die handelnden Personen, die bestehenden fachlichen Strukturen und die Produkte des wissenschaftlichen Forschens zu analysieren, findet Böckenförde "fruchtbar", gewinnt die Darstellung dadurch doch an Anschaulichkeit. Einen "besonderen Akzent" der Arbeit sieht er darin, dass sie als Verfassungsgeschichte ebenso der Geschichtswissenschaft wie der Rechtswissenschaft zugehört. Am spannendsten findet Böckenförde den Abschnitt über Verfassungsgeschichtsschreibung im Nationalsozialismus. Aber auch die Abschnitte über das späte Kaiserreich, die Weimarer Republik und die Zeit nach 1945 haben ihn überzeugt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Grothe hat die rund hundertjährige Geschichte dieses Segments der Geschichtswissenschaft mit großer Sorgfalt der Quellen- und Literaturerschließung geschrieben." Michael Stolleis in: Historische Zeitschrift 282 (2006) "Ewald Grothe ist angesichts des immensen Stoffs eine gut gegliederte, problemorientierte Zusammenfassung gelungen." Manfred Messerschmidt in Militärgeschichtliche Zeitschrift 65 (2006) Die Arbeit "gehört in eine Reihe mit den neuen großen Werken der Wissenschaftsgeschichtsschreibung, mit Wilhelm Bleeks 'Geschichte der Politikwissenschaft' und der 'Geschichte des öffentlichen Rechts' von Michael Stolleis." Hans Boldt in: Neue Politische Literatur 51 (2006) Diese Habilitationsschrift "schließt eine wichtige Lücke in der wissenschaftsgeschichtlichen Literatur". "Insgesamt überzeugt Ewald Grothes Buch nicht nur durch die klare, auf großer Material- und Quellengrundlage beruhende Darstellung einer verwickelten Epoche in der jüngeren deutschen Wissenschaftsgeschichte, sondern auch durch seine sichere und überzeugende Bewertung der Abläufe und Protagonisten." Wilhelm Bleek in: Politische Vierteljahrsschrift (2006) "ein äußerst lesenswertes und wegen seiner gründlichen Quellenarbeit immens reichhaltiges Werk." Stefan Ruppert, Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte, 57/ 2007 Rezensionen sind erschienen in (von): American Historical Review (Oct.2009) (James J. Sheehan) Anuario de Filosofía del Derecho 23 (2006) (E. Mikunda Franco) Archiv für Sozialgeschichte online 47 (2007) (E. Liebmann) forum historiae iuris, 24.4.2008 (F. Meinel) Francia-Recensio 2008/4 (P. Racine) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.1.2006 (E.-W. Böckenförde) Geschichte im Wuppertal 15 (2006) (V. Wittmütz) H-Soz-u-Kult, 16.11.2005 (R. Mehring) Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 57 (2007) (S. Ruppert) Das Historisch-Politische Buch 55 (2007) (C.J. Tams) Historische Literatur 3 (2005) (R. Mehring) Historische Zeitschrift 282 (2006) (M. Stolleis) Informationsmittel 13 (2006)(F.R. Hausmann) Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung 18 (2006) (R.-U. Kunze) Journal Juristische Zeitgeschichte 1 (2007) (C. Gusy) Junge Freiheit, 10.3.2006 (R. Finck) Militärgeschichtliche Zeitschrift 65 (2006) (M. Messerschmidt) Neue Politische Literatur 51 (2006) (H. Boldt) Die Öffentliche Verwaltung 60 (2007) (H.-C. Kraus) Politische Vierteljahrsschrift 47 (2006) (W. Bleek) Rcherche Spezial 5 (2009) Revista de administracion publica 171 (2006) (F. S. Wagner) sehepunkte 7 (2007) (M. Kirsch) Der Staat 45 (2006) (W. Pauly) Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte/Germanistische Abteilung 124 (2007) (K. Ruppert) Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde 113 (2008) (J. Flemming) Zeitschrift für Historische Forschung 35 (2008) (R. Schmidt) Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 57 (2008) (E. Mühle) Zeitschrift für Politik 52 (2006) (H.-C. Kraus) Zeitschrift für Politikwissenschaft 16 (2006) (F. Schale)