Der Verleger Kurt Wolff warb mit Karl Kraus um einen Schriftsteller, der den Literaturbetrieb verachtete. Er bewunderte den Dichter der »Worte in Versen« und gab - anonym - die einzige Gedichtauswahl zu dessen Lebzeiten heraus. Und er verehrte den polemischen Moralisten, der Weltgericht hielt über die »große Zeit«. Wolff feierte seine Beziehung zu Karl Kraus später als »Begegnung mit dem Absoluten«.Und Karl Kraus? Seine Wertschätzung für den »edlen Jüngling« Wolff überstand verlagsinterne Autorenpolemiken, seine grundsätzliche Abneigung gegen alle, die er »Neutöner« nannte und die großen Fährnisse bei der Herstellung seiner Bücher.Der Briefwechsel bezieht Äußerungen von Autoren und Mitarbeitern beider Seiten mit ein, die zur Gründung des Ein-Mann-Verlages unter Kurt Wolffs Ägide führten, den »Verlag der Schriften von Karl Kraus«. Doch private Mitteilungen wurden schon bald von öffentlichen Kundgebungen in Zeitungen und Zeitschriften begleitet, in denen sich vor allem eine Polarisierung zwischen Karl Kraus und Franz Werfel abzeichnete. Werfel hatte Wolff zum Verleger von Kraus gemacht - und durch ihn zerbrach die Verbindung, bevor Kraus' Hauptwerk, »Die letzten Tage der Menschheit«, erscheinen konnte.Ergänzt wird der Briefwechsel u.a. durch Briefe von und an Albert Ehrenstein, Kurt Hiller, Siegfried Jacobsohn, Leopold Liegler, Sidonie Nádherny, Berthold Viertel und Franz Werfel sowie die Erinnerungen Kurt Wolffs an Kraus, die zum Schönsten gehören, was je über Karl Kraus geschrieben wurde.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.04.2008Unter Literarhysterikern
Verlegen ja, aber nicht um jeden Preis, und die Enttäuschung kam dann später auch: Die Beziehung zwischen Karl Kraus und Kurt Wolff konnte nicht gut enden.
Er ist ein wunderschöner etwa fünfundzwanzigjähriger Mensch, dem Gott eine schöne Frau, einige Millionen Mark, Lust zum Verlagsgeschäft und wenig Verlegersinn gegeben hat." Dieses einnehmende Porträt von Kurt Wolff hat Kafka im Frühjahr 1913 in einem Brief an Felice Bauer gezeichnet. Damit hat er wohl die gemischte Persönlichkeit getroffen, die auch Karl Kraus um dieselbe Zeit so betört hat. Besonders der noch angenehm unerfahrene junge Verleger wird es diesem angetan haben. Denn wie Kafka wollte Kraus nicht um jeden Preis verlegt werden. Im Zusammenhang einer späteren Enttäuschung mit Kurt Wolff telegraphierte der sich immer wieder zurückziehende Kraus: "verzichte jederzeit gern da mir gleichgiltig ob und wann buecher erscheinen".
Obwohl fünfundzwanzig Briefe und Telegramme zwischen Wolff und Kraus in das 1966 erschienene Standardwerk "Briefwechsel eines Verlegers 1911-1963" aufgenommen wurden, ergab diese Auswahl erst einen Schattenriss der herzlichen, aber von Anfang an prekären Beziehung zwischen dem Verleger der neuen Literatur und dem Schriftsteller, der 1912 in seiner Zeitschrift "Die Fackel" verkündet hatte, er habe mit "Futuristen, Neopathetikern, Neoklassizisten und sonstigen Inhabern von Titeln ebensowenig zu schaffen wie mit Wiener Kommerzial- oder Sangräten". Kraus-Biographen haben diese immerhin von 1912 bis 1921 dauernde Verlags- und Freundschaftsverbindung bisher nur gestreift und sich dabei ausschließlich auf Wolffs eigene, in den fünfziger und sechziger Jahren verfasste Memoiren gestützt.
"In ungezählten Briefen, Telegrammen, Unterredungen" habe Kurt Wolff "seinen sehnlichen Wunsch bekundet, um meine Schriften in Deutschland bemüht zu sein", berichtete Kraus 1917 mitten in ihrer wechselreichen Beziehung. Friedrich Pfäfflin hat nun alle erhaltenen Briefe und Telegramme gezählt. Aber nicht bloß die mehr als hundertzwanzig Mitteilungen Wolffs sowie die nicht ganz zwanzig Korrespondenzstücke von Kraus hat er mit einem kenntnisreichen Kommentar vollständig veröffentlicht. In weiteren fast zweihundert Verlagskorrespondenzen, Briefen anderer, polemischen Glossen und satirischen Gedichten entsteht die spannende Biographie in Dokumenten einer für das zwanzigste Jahrhundert exemplarischen Autor-Verleger-Beziehung.
Im Kurt Wolff Verlag selbst erschien nur ein Buch von Karl Kraus. Die von Adolf Loos angeregte bibliophile Ausgabe des Essays "Die chinesische Mauer" mit Illustrationen von Oskar Kokoschka (1914) galt aber hauptsächlich als Werk des Malers. Die Stellung des Autors zu solchen Kostbarkeiten kann man dem späteren, von Pfäfflin nachgedruckten Gedicht "Luxusdrucke" entnehmen, in dem "Ruhm ist" mit "Kuhmist" gereimt wird. Obwohl Kraus bereits vorher auf einen Vertrag für das nie erschienene Werk "Kultur und Presse" mit Kurt Wolff sich eingelassen hatte, schreckte die expressionistische Nachbarschaft ihn bald wieder ab. Er wollte in Deutschland lieber gar nicht erscheinen, als mit "Literarhysterikern" zusammen, wie er Kurt Hiller, Max Brod und andere charakterisierte.
Die eigentliche Zusammenarbeit begann erst 1916, nachdem man auf die Lösung gekommen war, unter dem größeren Verlagsdach ein exklusives Imprint-Zimmer einzurichten: "Verlag der Schriften von Karl Kraus (Kurt Wolff)". Hier erschienen in rascher Folge Neuauflagen der früheren Bücher, 1918 die dritte Aphorismensammlung "Nachts", 1919 die zweibändige Ausgabe der "Kriegsaufsätze", "Weltgericht" und, zwischen 1916 und 1920, die ersten fünf Bände der "Worte in Versen". Seiner begeisterten Aufnahme der Lyrik des Satirikers verdankte der Verleger die Überlassung eines letzten, auch 1920 erschienenen Werkes "Ausgewählte Gedichte", dessen Auswahl er selbst treffen durfte. Aber bald danach gingen Verlagsverbindung und Freundschaft in die Brüche, als Franz Werfels Drama "Spiegelmensch" erschien. In dieser "Magischen Trilogie" spricht die Titelfigur einen Monolog, in dem Kraus und seine Zeitschrift aufs unflätigste karikiert werden.
Franz Werfel war es auch, der Kraus und Wolff 1912 zusammengeführt hatte. Frühe Gedichte von Werfel, den ja Rilke und Kafka zunächst als großen Lyriker feierten und den dieser eine Zeitlang als "Führer" ihrer literarischen Generation verehrte, wurden in der "Fackel" gelobt und veröffentlicht. Am Anfang des Zerwürfnisses stand eine Klatschgeschichte, die Werfel nach einer unglücklichen Begegnung mit Rilke und Sidonie Nádherný im Herbst 1913 verbreitete, gerade als Kraus sich in die böhmische Baronesse verliebte. Bald kamen dazu prinzipielle Angriffe in der "Fackel" auf den lyrischen Feuilletonismus, den Kraus bei Werfel und anderen expressionistischen Schriftstellern diagnostizierte. Die bald beiderseitig geführte Polemik gipfelte in der brillanten "Magischen Operette" mit dem Titel "Literatur oder Man wird da doch sehn", mit der Kraus auf Werfels "Spiegelmensch" antwortete. Für Wolff blieb das Stück bloß "eine schwache Arbeit im OEuvre von Kraus", deren Lektüre allerdings bei den Freunden Walter Benjamin und Gershom Scholem Erstickungsanfälle vor Lachen auslöste.
Zu den faszinierendsten Dokumenten in Pfäfflins Edition gehören Kurt Wolffs von Ambivalenz gelähmte Versuche, die Katastrophe abzuwenden, die er mit der Drucklegung von "Spiegelmensch" heraufziehen sieht. Nachdem eine briefliche Intervention bei Werfel gescheitert und ein erster Gegenschlag in der "Fackel" publiziert worden war, schrieb Wolff einen Brief an Kraus, in dem er diesem recht gab: Man könne nicht gleichzeitig "Inhaber des ,Verlags der Schriften von Karl Kraus'" und "Verleger der jungen deutschen Literatur" sein. Er konstatiert die Angriffe von Kraus auf Autoren seines Verlags und, ohne Werfel mit einem Wort zu erwähnen, stellt fest, dass er den "Widerstand gegen Angriffe" auf Kraus aufgegeben habe und bereit sei, die Konsequenzen zu ziehen.
Wie man der Edition des Briefwechsels jetzt entnehmen kann, gab es für diesen knappen, etwas trotzigen Brief einen erheblich längeren Entwurf, den Wolffs Schwager und Mitarbeiter Jesko von Puttkamer formuliert hatte. Darin werden nicht nur die Bemühungen, Werfel umzustimmen, geschildert, sondern es wird auch ziemlich penibel erklärt, warum die Gefährdung des Vertrags mit ihm "aus kaufmännischem Interesse" nicht zu riskieren sei. Sidonie Nádherný gegenüber kommentierte Kraus Wolffs abgeschickten Erklärungsversuch mit einer harten, an den "Goethedieb" Werfel erinnernden Anspielung: "Natürlich: wo ,zwei Seelen', ists zumeist nur eine, wertlose." Das Schreiben selbst und ein bald folgender, um ein persönliches Treffen bittender Brief wurden ignoriert.
Der "Verlag der Schriften von Karl Kraus" war schließlich nur eine wichtige Episode im langen produktiven Berufsleben seines Inhabers, dessen ganzer verlegerischen Tätigkeit das Buch zur Ausstellung "Kurt Wolff. Ein Literat und Gentleman" gewidmet ist. Wolfgang Göbel resümiert seine unübertroffene Verlagsgeschichte, und wichtige Teilaspekte werden in einer Reihe von Aufsätzen und Dokumenten neu beleuchtet. Von großem Interesse sind die leider nur in knapper Auswahl mitgeteilten Tagebuchblätter des Oberleutnants Wolff aus der Zeit zwischen Oktober 1914 und Juni 1915. Eine beeindruckende parataktische Schilderung von Kriegsgreueln entschuldigt er zum Beispiel mit einem den "Fackel"-Leser ehrenden Kommentar: "Man kann aus dem Chaos nicht Sätze bilden mit Subjekt und Praedikat." Die Herausgeberin hat offenbar die ärgsten Zeugnisse einer "zeittypischen" Kriegsbegeisterung ausgespart, aber es bleiben fragwürdige Deutschlandverherrlichung und stramme Untergangshaltung genug. Obwohl Kraus von der früheren Zwiespältigkeit wohl nichts erfuhr, hat er Ende 1918 auch den dringenden telegraphierten Wunsch, das Antikriegsdrama "Die letzten Tage der Menschheit verlegen zu dürfen" - wie man in Wien sagt und in München versteht -, gar net ignoriert.
LEO A. LENSING.
"Zwischen Jüngstem Tag und Weltgericht". Karl Kraus und Kurt Wolff. Briefwechsel 1912-1921. Hrsg. von Friedrich Pfäfflin. Wallstein Verlag, Göttingen 2007. 335 S., 39 Abb., geb., 32,- [Euro].
"Kurt Wolff. Ein Literat und Gentleman". Hrsg. von Barbara Weidle. Weidle Verlag, Bonn 2007. 289 S., zahlr. Abb., geb., 25,- [Euro].
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Verlegen ja, aber nicht um jeden Preis, und die Enttäuschung kam dann später auch: Die Beziehung zwischen Karl Kraus und Kurt Wolff konnte nicht gut enden.
Er ist ein wunderschöner etwa fünfundzwanzigjähriger Mensch, dem Gott eine schöne Frau, einige Millionen Mark, Lust zum Verlagsgeschäft und wenig Verlegersinn gegeben hat." Dieses einnehmende Porträt von Kurt Wolff hat Kafka im Frühjahr 1913 in einem Brief an Felice Bauer gezeichnet. Damit hat er wohl die gemischte Persönlichkeit getroffen, die auch Karl Kraus um dieselbe Zeit so betört hat. Besonders der noch angenehm unerfahrene junge Verleger wird es diesem angetan haben. Denn wie Kafka wollte Kraus nicht um jeden Preis verlegt werden. Im Zusammenhang einer späteren Enttäuschung mit Kurt Wolff telegraphierte der sich immer wieder zurückziehende Kraus: "verzichte jederzeit gern da mir gleichgiltig ob und wann buecher erscheinen".
Obwohl fünfundzwanzig Briefe und Telegramme zwischen Wolff und Kraus in das 1966 erschienene Standardwerk "Briefwechsel eines Verlegers 1911-1963" aufgenommen wurden, ergab diese Auswahl erst einen Schattenriss der herzlichen, aber von Anfang an prekären Beziehung zwischen dem Verleger der neuen Literatur und dem Schriftsteller, der 1912 in seiner Zeitschrift "Die Fackel" verkündet hatte, er habe mit "Futuristen, Neopathetikern, Neoklassizisten und sonstigen Inhabern von Titeln ebensowenig zu schaffen wie mit Wiener Kommerzial- oder Sangräten". Kraus-Biographen haben diese immerhin von 1912 bis 1921 dauernde Verlags- und Freundschaftsverbindung bisher nur gestreift und sich dabei ausschließlich auf Wolffs eigene, in den fünfziger und sechziger Jahren verfasste Memoiren gestützt.
"In ungezählten Briefen, Telegrammen, Unterredungen" habe Kurt Wolff "seinen sehnlichen Wunsch bekundet, um meine Schriften in Deutschland bemüht zu sein", berichtete Kraus 1917 mitten in ihrer wechselreichen Beziehung. Friedrich Pfäfflin hat nun alle erhaltenen Briefe und Telegramme gezählt. Aber nicht bloß die mehr als hundertzwanzig Mitteilungen Wolffs sowie die nicht ganz zwanzig Korrespondenzstücke von Kraus hat er mit einem kenntnisreichen Kommentar vollständig veröffentlicht. In weiteren fast zweihundert Verlagskorrespondenzen, Briefen anderer, polemischen Glossen und satirischen Gedichten entsteht die spannende Biographie in Dokumenten einer für das zwanzigste Jahrhundert exemplarischen Autor-Verleger-Beziehung.
Im Kurt Wolff Verlag selbst erschien nur ein Buch von Karl Kraus. Die von Adolf Loos angeregte bibliophile Ausgabe des Essays "Die chinesische Mauer" mit Illustrationen von Oskar Kokoschka (1914) galt aber hauptsächlich als Werk des Malers. Die Stellung des Autors zu solchen Kostbarkeiten kann man dem späteren, von Pfäfflin nachgedruckten Gedicht "Luxusdrucke" entnehmen, in dem "Ruhm ist" mit "Kuhmist" gereimt wird. Obwohl Kraus bereits vorher auf einen Vertrag für das nie erschienene Werk "Kultur und Presse" mit Kurt Wolff sich eingelassen hatte, schreckte die expressionistische Nachbarschaft ihn bald wieder ab. Er wollte in Deutschland lieber gar nicht erscheinen, als mit "Literarhysterikern" zusammen, wie er Kurt Hiller, Max Brod und andere charakterisierte.
Die eigentliche Zusammenarbeit begann erst 1916, nachdem man auf die Lösung gekommen war, unter dem größeren Verlagsdach ein exklusives Imprint-Zimmer einzurichten: "Verlag der Schriften von Karl Kraus (Kurt Wolff)". Hier erschienen in rascher Folge Neuauflagen der früheren Bücher, 1918 die dritte Aphorismensammlung "Nachts", 1919 die zweibändige Ausgabe der "Kriegsaufsätze", "Weltgericht" und, zwischen 1916 und 1920, die ersten fünf Bände der "Worte in Versen". Seiner begeisterten Aufnahme der Lyrik des Satirikers verdankte der Verleger die Überlassung eines letzten, auch 1920 erschienenen Werkes "Ausgewählte Gedichte", dessen Auswahl er selbst treffen durfte. Aber bald danach gingen Verlagsverbindung und Freundschaft in die Brüche, als Franz Werfels Drama "Spiegelmensch" erschien. In dieser "Magischen Trilogie" spricht die Titelfigur einen Monolog, in dem Kraus und seine Zeitschrift aufs unflätigste karikiert werden.
Franz Werfel war es auch, der Kraus und Wolff 1912 zusammengeführt hatte. Frühe Gedichte von Werfel, den ja Rilke und Kafka zunächst als großen Lyriker feierten und den dieser eine Zeitlang als "Führer" ihrer literarischen Generation verehrte, wurden in der "Fackel" gelobt und veröffentlicht. Am Anfang des Zerwürfnisses stand eine Klatschgeschichte, die Werfel nach einer unglücklichen Begegnung mit Rilke und Sidonie Nádherný im Herbst 1913 verbreitete, gerade als Kraus sich in die böhmische Baronesse verliebte. Bald kamen dazu prinzipielle Angriffe in der "Fackel" auf den lyrischen Feuilletonismus, den Kraus bei Werfel und anderen expressionistischen Schriftstellern diagnostizierte. Die bald beiderseitig geführte Polemik gipfelte in der brillanten "Magischen Operette" mit dem Titel "Literatur oder Man wird da doch sehn", mit der Kraus auf Werfels "Spiegelmensch" antwortete. Für Wolff blieb das Stück bloß "eine schwache Arbeit im OEuvre von Kraus", deren Lektüre allerdings bei den Freunden Walter Benjamin und Gershom Scholem Erstickungsanfälle vor Lachen auslöste.
Zu den faszinierendsten Dokumenten in Pfäfflins Edition gehören Kurt Wolffs von Ambivalenz gelähmte Versuche, die Katastrophe abzuwenden, die er mit der Drucklegung von "Spiegelmensch" heraufziehen sieht. Nachdem eine briefliche Intervention bei Werfel gescheitert und ein erster Gegenschlag in der "Fackel" publiziert worden war, schrieb Wolff einen Brief an Kraus, in dem er diesem recht gab: Man könne nicht gleichzeitig "Inhaber des ,Verlags der Schriften von Karl Kraus'" und "Verleger der jungen deutschen Literatur" sein. Er konstatiert die Angriffe von Kraus auf Autoren seines Verlags und, ohne Werfel mit einem Wort zu erwähnen, stellt fest, dass er den "Widerstand gegen Angriffe" auf Kraus aufgegeben habe und bereit sei, die Konsequenzen zu ziehen.
Wie man der Edition des Briefwechsels jetzt entnehmen kann, gab es für diesen knappen, etwas trotzigen Brief einen erheblich längeren Entwurf, den Wolffs Schwager und Mitarbeiter Jesko von Puttkamer formuliert hatte. Darin werden nicht nur die Bemühungen, Werfel umzustimmen, geschildert, sondern es wird auch ziemlich penibel erklärt, warum die Gefährdung des Vertrags mit ihm "aus kaufmännischem Interesse" nicht zu riskieren sei. Sidonie Nádherný gegenüber kommentierte Kraus Wolffs abgeschickten Erklärungsversuch mit einer harten, an den "Goethedieb" Werfel erinnernden Anspielung: "Natürlich: wo ,zwei Seelen', ists zumeist nur eine, wertlose." Das Schreiben selbst und ein bald folgender, um ein persönliches Treffen bittender Brief wurden ignoriert.
Der "Verlag der Schriften von Karl Kraus" war schließlich nur eine wichtige Episode im langen produktiven Berufsleben seines Inhabers, dessen ganzer verlegerischen Tätigkeit das Buch zur Ausstellung "Kurt Wolff. Ein Literat und Gentleman" gewidmet ist. Wolfgang Göbel resümiert seine unübertroffene Verlagsgeschichte, und wichtige Teilaspekte werden in einer Reihe von Aufsätzen und Dokumenten neu beleuchtet. Von großem Interesse sind die leider nur in knapper Auswahl mitgeteilten Tagebuchblätter des Oberleutnants Wolff aus der Zeit zwischen Oktober 1914 und Juni 1915. Eine beeindruckende parataktische Schilderung von Kriegsgreueln entschuldigt er zum Beispiel mit einem den "Fackel"-Leser ehrenden Kommentar: "Man kann aus dem Chaos nicht Sätze bilden mit Subjekt und Praedikat." Die Herausgeberin hat offenbar die ärgsten Zeugnisse einer "zeittypischen" Kriegsbegeisterung ausgespart, aber es bleiben fragwürdige Deutschlandverherrlichung und stramme Untergangshaltung genug. Obwohl Kraus von der früheren Zwiespältigkeit wohl nichts erfuhr, hat er Ende 1918 auch den dringenden telegraphierten Wunsch, das Antikriegsdrama "Die letzten Tage der Menschheit verlegen zu dürfen" - wie man in Wien sagt und in München versteht -, gar net ignoriert.
LEO A. LENSING.
"Zwischen Jüngstem Tag und Weltgericht". Karl Kraus und Kurt Wolff. Briefwechsel 1912-1921. Hrsg. von Friedrich Pfäfflin. Wallstein Verlag, Göttingen 2007. 335 S., 39 Abb., geb., 32,- [Euro].
"Kurt Wolff. Ein Literat und Gentleman". Hrsg. von Barbara Weidle. Weidle Verlag, Bonn 2007. 289 S., zahlr. Abb., geb., 25,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Als "präzise und liebevoll" zusammengestellt, beurteilt Jens Malte Fischer den von Friedrich Pfäfflin herausgegebenen Briefwechsel zwischen Karl Kraus und Kurt Wolff. Der Rezensent gibt dabei vor allem die enge und turbulente Beziehung zwischen dem Literaten und seinem Verleger wieder. Er erinnert, wie es dem noch sehr jungen Verleger gelang, den scheuen (!) Literaten Kraus für seinen Verlag zu gewinnen und beschreibt darüber hinaus, wie die Beziehung erste Schwierigkeiten durchleben musste, als Kraus von anderen Autoren des Verlags, wie Brod und Hiller, polemisch angegriffen wurde. Zum endgültigen Bruch kam es, wie der Rezensent berichtet, durch Franz Werfels Veröffentlichung "Spiegelmensch" im Verlag Kurt Wolff, in der Kraus diffamiert wurde. Der Briefwechsel dokumentiert ebenfalls die vergeblichen Versuche Wolffs, die Situation zu klären. Der Rezensent zeigt sich beeindruckt von der Intensität der Freundschaft und der Vielfältigkeit der beiden Charaktere, die im Briefwechsel auf besondere Weise deutlich werden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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