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Gilles Kepel, ausgewiesener Kenner des Islam und Autor des "Schwarzbuch des Dschihad", reist nach dem 11. September 2001 durch Länder der islamischen Welt. Es ist eine Rückkehr zu den Orten und Menschen, die er in den Jahren seines Aufenthalts im Orient kennengelernt hat. Er befragt Imame und junge Frauen, militante Islamisten und Politiker. Im ständigen Rekurs auf die jüngste Geschichte versucht er die Popularität Bin Ladens zu verstehen, aber auch die Faszination des Abendlandes und die Hoffnungslosigkeit angesichts fehlender Perspektiven im eigenen Land. Dabei gelingt es ihm meisterhaft,…mehr

Produktbeschreibung
Gilles Kepel, ausgewiesener Kenner des Islam und Autor des "Schwarzbuch des Dschihad", reist nach dem 11. September 2001 durch Länder der islamischen Welt. Es ist eine Rückkehr zu den Orten und Menschen, die er in den Jahren seines Aufenthalts im Orient kennengelernt hat. Er befragt Imame und junge Frauen, militante Islamisten und Politiker. Im ständigen Rekurs auf die jüngste Geschichte versucht er die Popularität Bin Ladens zu verstehen, aber auch die Faszination des Abendlandes und die Hoffnungslosigkeit angesichts fehlender Perspektiven im eigenen Land. Dabei gelingt es ihm meisterhaft, Analyse und Erzählkunst zu verbinden - zu politisch-literarischen Impressionen von einer sehr persönlichen Reise.
Autorenporträt
Gilles Kepel, geboren 1955, studierte Soziologie und Arabistik, ist Professor für Politische Studien am Institut d'Etudes Politique in Paris und hatte zahlreiche Gastprofessuren inne. Er gilt als einer der renommiertesten Forscher zum Thema des islamischen Fundamentalismus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.12.2002

Wer begreift die Terroristen?
Eindrücke von "Orient-Reisenden" nach dem 11. September

Gilles Kepel: Zwischen Kairo und Kabul. Eine Orient-Reise in Zeiten des Dschihad. Aus dem Französischen von Ursel Schäfer. Piper Verlag, München/Zürich 2002. 158 Seiten, 12,- [Euro].

Tiziano Terzani: Briefe gegen den Krieg. Aus dem Italienischen von Elisabeth Liebl. Riemann Verlag, München 2002. 218 Seiten, 16,90 [Euro].

Zwei Kenner des Nahen und des Mittleren Ostens, ein Wissenschaftler und ein Journalist, bereisen kurz nach den Anschlägen von New York und Washington sowie dem folgenden Angriff der Vereinigten Staaten auf das Taliban-Regime in Afghanistan die weitere Region. "Eine Orient-Reise in Zeiten des Dschihad" nennt der französische Orientalist Gilles Kepel seinen Reisebericht. Der andere, Tiziano Terzani, 30 Jahre lang Fernost-Korrespondent des "Spiegel", der heute halbjährig in einer Hütte am Fuß des indischen Himalaja lebt, machte sich nach Pakistan und Afghanistan auf. Beide schildern eindringlich, wenn auch von ganz unterschiedlicher Warte - der erste mit argem Befremden, der andere mit einfühlsamem Verständnis -, die irrationalen Befindlichkeiten in der hochexplosiven Region.

Wer sich angesichts des heraufziehenden Kriegsgewitters über die Gefahren eines neuerlichen Irak-"Feldzuges", vor allem über dessen Wirkung auf "die arabische Seele", ein Bild machen möchte, sollte Terzanis rigorose, dennoch anmutige "Briefe gegen den Krieg" lesen, eine Antwort an Oriana Fallaci. Die als Starjournalistin titulierte Italienerin hat in ihrem jüngsten Buch ("Die Wut und der Stolz") mehr oder minder den gesamten Islam als Religion des Bösen verteufelt. Dafür mußte sie sich Verbalinjurien bis hin zum Rassismusvorwurf anhören. Ihr Florentiner Landsmann widerspricht vehement. In acht Briefkapiteln schildert Terzani die verzweifelte, wütende Stimmung in den Ländern, die stellvertretend für die muslimische Welt stehen. Bei aller Entschiedenheit in der Verurteilung jeden Terrors ist sein Buch aber vor allem ein Plädoyer um Verständnis für eine in Jahrhunderten von Ohnmachts- und Minderwertigkeitsgefühlen geplagte, gedemütigte Welt.

Eine Antwort in dem überaus amerikakritischen Buch auf die Frage, warum junge Muslime keinen Ausweg sehen als den Weg des Hasses bis hin zu Selbstmordanschlägen, fand er schon früher in einem von Usama Bin Ladin finanzierten Camp für die Gotteskrieger an der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan, die "ein fester Glaube einte: Sie schienen von einem anderen Planeten zu kommen, aus einer anderen Zeit. Sie vermochten zu glauben, wie auch wir es früher konnten." In diesem Glauben an ihre "gerechte Sache" sind sie bedingungslos "dogmengläubig, gewöhnt an ein spartanisches Leben, in dem sich Studium, Gebet und körperliches Training abwechselten" - ohne Drogen, ohne Alkohol, ohne Frauen vor der Ehe.

Ein so hautnahes Verständnis für eine solche Psyche jedoch dürfte hierzulande auf Unverständnis stoßen. Sein Bekenntnis, das er in einem Artikel für den "Corriere della Sera" zusammenfaßte, geht manchem zu weit: "Wir sollten die Terroristen zu begreifen suchen, das Drama der moslemischen Welt mit der Moderne, die Rolle des Islam als Weltanschauung, die sich gegen die Globalisierung wehrt." Einziger Ausweg: die Gewaltlosigkeit, innehalten um einer Gewissensprüfung willen, um für die Werte einzutreten, an die der Westen glaubt. Eine politische Antwort auf den Massenmord in den Vereinigten Staaten gibt der Autor nicht. Seine Einsichten, teils bewegend, teils radikal oder auch naiv, laufen letztlich auf eine - nicht mehr rekurrierbare - Abschottung der Kulturen in Ost und West hinaus. Ein Krieg gegen den Irak jedenfalls käme für Terzani einer moralischen Niederlage des Westens gleich.

Ähnlich schildert Kepel bei seinen Begegnungen mit Schriftstellern, Studenten, geistlichen Führern, Predigern und Machthabern die Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte, "das ungeheure Elend der muslimischen Gesellschaft", ihre hilflose und auch ambivalent antiamerikanische Stimmung. Auf nahezu sämtlichen Stationen scheint ihm, zumal in den Mittelschichten, ein mehr oder minder fundamentalistisch angehauchter Islam auf dem Vormarsch. Eine von Kepel zitierte humoristische Begebenheit an der Kairoer Ain-Schams-Universität indes sagt sehr viel über die Situation in der islamischen Welt, vor allem über unterdrückte Sinnesfreuden dort wie auch die Sexualität - und über die Verehrung des saudischen Al-Qaida-Paten dort: Eine Ägypterin wird im Restaurant der Herrentoilette verwiesen und fragt keck warum: "Ist Usama Bin Ladin dort?" Dies wird verneint, woraufhin sie meint: "Nun, dann kann ich sie ja benutzen, denn er ist der einzige Mann in der arabischen Welt." Der mutmaßliche Drahtzieher des Terror-Netzwerkes, auf Videobildern mit Heiligengesicht und Kalaschnikow, auf einem weißen Pferd durch seine Ausbildungscamps reitend, inszeniert sich - so Kepel - nicht nur wie der Prophet selber. Vielmehr verkörpere er "auch den Phallus", womit einer der wenigen Psychoanalytiker der Region "zu erklären versucht, warum alle Frauen für Bin Ladin schwärmen". Vielleicht nicht alle, aber keineswegs nur Frauen. Denn ein neuerlicher Krieg brächte ohne Zweifel zwar Befreiung, doch ebenso sicher gesteigerte Wut und noch mehr Haß auf den Westen.

KONRAD WATRIN

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