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Rechtzeitig zum Beginn dieses neuen Abschnitts unternimmt dieses Buch einen Rückblick in die Geschichte der deutschen Diplomatie in Berlin seit der Gründung des Deutschen Reiches im Jahr 1871. Es erzählt von Bismarcks Bündnispolitik auf dem glatten diplomatischen Parkett des ausgehenden 19. Jh., schildert die Bemühungen deutscher Diplomaten, die Scherben, die der Erste Weltkrieg hinterließ, zu kitten, beschreibt die unheilvollen Impulse, die während des Dritten Reiches von Berlin ausgingen und berücksichtigt die Rolle Berlins für die Diplomatie der DDR.

Produktbeschreibung
Rechtzeitig zum Beginn dieses neuen Abschnitts unternimmt dieses Buch einen Rückblick in die Geschichte der deutschen Diplomatie in Berlin seit der Gründung des Deutschen Reiches im Jahr 1871. Es erzählt von Bismarcks Bündnispolitik auf dem glatten diplomatischen Parkett des ausgehenden 19. Jh., schildert die Bemühungen deutscher Diplomaten, die Scherben, die der Erste Weltkrieg hinterließ, zu kitten, beschreibt die unheilvollen Impulse, die während des Dritten Reiches von Berlin ausgingen und berücksichtigt die Rolle Berlins für die Diplomatie der DDR.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.05.1999

Starker Ausländerzuzug
Eine Geschichte der Diplomatie in Berlin

Bernd Fischer: Zwischen Wilhelmstraße und Bellevue. Geschichte der Diplomatie in Berlin von 1871 bis heute. Henschel Verlag, Berlin 1998. 288 Seiten, 30 Abbildungen, 39,90 Mark.

Freudig erwarten die Hauptstädter in diesem Jahr starken Ausländerzuzug. Endlich geht in Erfüllung, was sich Politiker in Ost- und West-Berlin jahrzehntelang wünschten. Diplomaten aus aller Welt kehren Bonn ein für allemal den Rücken, um in der Hauptstadt der Republik Quartier zu nehmen. Rechtzeitig zum großen Umzug erinnert ein prächtig ausgestattetes Buch in Wort und Bild an die lange Tradition des diplomatischen Lebens in Berlin.

Das erste überlieferte diplomatische Ereignis fand dort im August 1280 statt. Die regierenden Markgrafen Otto der V., Albrecht der III. und Otto der IV. trafen sich mit dem Landadel aus der Mark in einem Gebäude, das etwa da stand, wo dieser Tage am Alexanderplatz die Post abgeht und Briefmarken, Sparbücher und Zahlungsanweisungen gestempelt werden. Diplomatisches Geschick nützt hier heutzutage freilich beim Verkehr mit den Postbediensteten nichts. Trotz Privatisierung geht die Hauptstadtpost noch ihren sozialistischen Gang. Wer bezahlen will, muß Schlange stehen.

Kitschzimmer Ums Geld, genauer gesagt um Steuerangelegenheiten, ging es auch 1280, als die beiden Ottos und der dritte Albrecht mit den Brandenburger Provinzfürsten zusammensaßen. Wie die Steuern schließlich verteilt wurden, ist dem Buch nicht zu entnehmen, da seine ersten Kapitel recht knapp gehalten sind. Auf neun Seiten wird die Zeit von 1280 bis 1688, dem Todesjahr des Großen Kurfürsten, abgehandelt. Aus seiner Regentschaft tritt nur ein aufsehenerregendes Ereignis hervor: der Empfang von Gesandten der Tataren-Khane im Jahre 1679. Ein zeitgenössischer Bericht vermerkte: "Exzellenz selber waren nur unverhältnismäßig gekleidet und die Attachés mit elenden Lumpen, welche kaum die Blöße bedeckten."

Das hätte dem Soldatenkönig vielleicht sogar Vergnügen bereitet. Er mied den diplomatischen Verkehr und untersagte seinen Geheimräten den privaten Umgang mit ausländischen Gesandten. "Es sein so viel gesante in Berlin", klagte er in einem Brief, "das wen man gehet so stolperdt man über einen." So war es auch weniger eine diplomatische Geste, als der Soldatenkönig das heute sagenumwobene Bernsteinzimmer Zar Peter dem Großen schenkte. Der Kitsch gefiel dem Preußen einfach nicht, wohl aber das Gegengeschenk, 55 großgewachsene Russen für seine heißgeliebte Garde, die langen Kerls. Der Soldatenkönig war es schließlich, der im Jahre 1728 die Einrichtung des Preußischen Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten anordnete und Heinrich von Podewil, der fast dreißig Jahre die preußische Außenpolitik leitete, in dieses Ministerium berief.

Friedrich der Große war ebenfalls kein Freund der Diplomaten. Er hielt sie für "privilegierte Spione". Frankophil, wie er war, bat er häufiger nur den französischen Gesandten Guy Louis Henry de Valory an seine Tafel, weil sich mit dem trefflich parlieren ließ; bisweilen empfing er auch den Briten Sir Andrew Mitchell. Das größte öffentliche Aufsehen erregte in dieser Zeit allerdings der türkische Sondergesandte Achmed Effendi, der 1763 am Hofe Friedrichs II. eintraf. Der Effendi notierte in seinen Erinnerungen, die Preußen, die zeitlebens keinen Türken gesehen hatten, seien wohl "ein Seltsamkeit liebendes Volk". Aus der ganzen Berliner Umgebung strömten sie herbei "und gafften unaufhörlich jede unserer Handlungen und Bewegungen an". Das war - wie wir heute wissen - der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Es sind solche Anekdoten aus der Berliner Diplomatiegeschichte, die diesem Buch in seinem ersten Teil eine liebenswerte Lebendigkeit verleihen. Je näher aber die jüngste Geschichte ins Blickfeld rückt, um so ernster präsentiert sich das diplomatische Geschehen. Wenn der Wille zum Krieg obsiegt, verstummt die Diplomatie und wird zur Staffage. Am Abend des 3. September 1939 packte der französische Botschafter Coulondre sein Diplomatengepäck. Nur zwei Handkoffer waren ihm zugestanden worden. Als er am nächsten Morgen um Viertel nach acht das Botschaftsgebäude verließ und seine Heimreise antrat, deutete nichts darauf hin, daß der fürchterlichste Krieg aller Zeiten begonnen hatte. Die Straßen Berlins waren öde und leer.

Trümmerfeld Sechs Jahre später war von der Stadt nur ein gigantisches Trümmerfeld übrig. Das von den Siegern geplante diplomatische Großereignis, die "Berliner Konferenz der drei Mächte", mußte in den Vorort Potsdam verlegt werden. Mit der Proklamation Nr. 2 des Alliierten Kontrollrates wurde im September 1945 die Aufhebung aller diplomatischen, konsularen, Handelsund sonstigen Beziehungen des deutschen Staates mit anderen Ländern angeordnet. West-Berlin blieb bis zum Ende der deutschen Teilung unter alliierter Kontrolle, in Ost-Berlin begann im November 1949 mit der Akkreditierung des sowjetischen Botschafters ein Sonderweg der Berliner Diplomatie, den der Band ausführlich würdigt. Bis 1989 war das ohne Zweifel eine Erfolgsgeschichte eigener Art. Immerhin brachte es die DDR zu weltweiter Anerkennung und auf 92 akkreditierte Staaten im Berliner diplomatischen Corps. Als das DDR-Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten am 3. Oktober 1990 seine Tätigkeit einstellte, waren seine knapp 3000 Mitarbeiter ihre Arbeit los. Nur zwei jüngere der höheren DDR-Diplomaten stellte das vereinigte Deutschland in seinen Dienst.

Heute ist die halbe Hauptstadtdiplomatie schon Episode. Dem wird die Bonner Hälfte über kurz oder lang auch nicht entgehen. Im November 1999 beginnt eine neue Ära der Berliner Diplomatiegeschichte. Das Auswärtige Amt nimmt seine Geschäfte in einem Gebäude auf, das früher schon Geschäftsträger von höchstem Rang beherbergt hat: die Reichsbank und das Zentralkomitee der SED, Geld und Macht. Denen folgt jetzt ein grüner Hausherr. Per Nachname bleibt für alteingesessene Ost-Berliner ausnahmsweise einmal alles beim alten, der letzte rote Außenminister hieß wie der grüne, Fischer.

Als Anhang bietet das schöne Buch eine Aufstellung aller bis 1945 in Berlin akkreditieren Diplomaten, die Adressen ihrer jeweiligen Residenzen und Hinweise darauf, wo demnächst nach dem Berlin-Umzug die einzelnen dipomatischen Vertretungen zu finden sein werden. Das Königreich Schweden ist als ältester Partner ausgewiesen, vertreten schon 1654 durch Graf Christoph Carl Schlippenbach. Es folgen die Niederlande mit Godard Adrian van Reede 1679 und Frankreich 1680 mit François des Pas Graf von Rébénac. Unter den vielen klangvollen Namen in der Liste des diplomatischen Corps kann Österreich-Ungarn den imposantesten vorweisen, Graf Ladislaus Szögyeny-Marich von Magyar-Szöggyen und Szolgaegyhaza vertrat das Kaiserreich in den Jahren 1892 bis 1914. Nicht minder beindruckend repräsentierte sich die portugiesische Krone von 1893 bis 1910 mit Vincente Pinheiro Lobo Machado de Melo e Almada Visconde de Pindela. So viele Prinzen, Khans, Fürsten, Marquis und andere Edle wie zur letzten Jahrhundertwende wird die Hauptstadtpresse nach dem kommenden Neujahrsempfang nicht vermelden können. An guten Namen wird es gleichwohl nicht fehlen. Noch offen ist, wer im neuen Jahrtausend auf deutscher Seite das Defilee der Diplomaten abnimmt. Wird altväterlich gelächelt, oder gibt sich die Bundesrepublik feminin die Ehre?

JOCHEN STAADT

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