Als jemand, für den sein Name noch aus der Wendezeit einen positiven Klang hatte, machte der Titel mich neugierig und habe ich das Buch in einem Zuge gelesen, allerdings mit zunehmender Enttäuschung. Erschrocken bin ich darüber, dass er als jemand, der lange Jahre bis 2017 im Vorstand des BVUK
Verbandes e.V. war und beruflich Unternehmen und Kommunen m Blick auf Altersversorgung ihrer Mitarbeiter…mehrAls jemand, für den sein Name noch aus der Wendezeit einen positiven Klang hatte, machte der Titel mich neugierig und habe ich das Buch in einem Zuge gelesen, allerdings mit zunehmender Enttäuschung. Erschrocken bin ich darüber, dass er als jemand, der lange Jahre bis 2017 im Vorstand des BVUK Verbandes e.V. war und beruflich Unternehmen und Kommunen m Blick auf Altersversorgung ihrer Mitarbeiter beraten hat, (S. 36), auf S. 215 schreiben kann: „1950 lebten in der westlichen Welt (Nordamerika und Westeuropa ) etwa zweieinhalb Milliarden Menschen, das entsprach 28 % der Weltbevölkerung.“ Wenn das stimmen sollte, hätten damals schon 8,9 Milliarden Menschen gelebt! Ein übersehener Schreibfehler scheint mir dies nicht zu sein. Mich mahnt dies zur Vorsicht bei all den zahlreichen anderen „Fakten“, die Berghofer hier zur Sprache bringt
Außerdem tut er ständig das, was er an anderen kritisiert, angefangen vom Witzeln über jene Autoren, die ihren Kapiteln „ein gewichtiges Zitat bedeutender Zeitgenossen oder eine philosophische Sentenz voranstellen, damit zeigend, wie belesen der Autor ist und welch tiefgründige Reflexionen im Folgenden zu erwarten sind“. Das macht er dann selber reichlich.
So auch, wenn er über amerikanische Propaganda schreibt: „Die Welt ist geschieden in die Schöne und das Biest, es gibt den Guten und den Bösen,...wie im Märchen, im Western, in den Medien, in der Literatur.“ - (S. 104) Zwar gibt Berghofer zu, dass der Befehl Putins zum Einmarsch in der Ukraine am 24. Februar 2022 ein Bruch des Völkerrechts war, doch eigentliche Verursacher sind die USA. Die Kapitalisten bleiben die Bösen, auch wenn es die Guten nur noch in reichlich gewandelter Gestalt gibt und Berghofer sie stellenweise auch kritisch sehen kann, so wenn er schreibt: die weltanschaulichen und machtpolitischen Schwächen“ des (russischen) Systems „können nach meiner Überzeugung auf Dauer kaum militärisch kompensiert werden. Das System Putin ist sehr fragil, der Ukraine-Krieg stabilisiert es keineswegs.“ (S. 146) „Weltanschauliche Schwächen“ - wenn Putin z.B. die Politik der Bolschewiki für den Ukraine-Konflikt ursächlich verantwortlich macht und die Menschewiki lobt, wie in dessen Artikel vom 12. Juli 2021?
„Wir Menschen besitzen allerdings die Fähigkeit, nachträglich zu entscheiden, woran wir uns erinnern wollen und woran nicht. Und wie wir dies tun.“ (S. 81) – Woran Berghofer sich hier erinnert, sind vor allem Gespräche mit führenden Politikern der 90er Jahre. Die DDR kommt kaum vor. Gescheitert sei die Sowjetunion daran, der Hochrüstungspolitik der USA standhalten zu müssen (S. 20), also nicht an inneren Problemen. Der Böse ist der andere, für ihn: Die Amerikaner! Wir in der DDR und also auch er selbst waren also Opfer. Die zahlreichen Suizide von DDR-Bürgern in der Wendezeit waren für ihn „vereinigungsbedingte“, nicht etwa veranlasst dadurch, dass nicht wenigen das geistige Rückgrat mit dem Zusammenbruch ihrer Weltanschauung brach, als innerhlb weniger Tage unter der Regierung Modrow aus dem Feind der Retter wurde, die einzig gangbare Zukunftsoption.
Ihm gehe es wie Willy Brandt und Egon Bahr:Je älter er werde, umso linker werde er (S.240). Die Systemfrage ist für ihn in erster Linie eine Eigentumsfrage. Näheres führt er dazu nicht aus, meint, wir bräuchten „eine Revolution im Bildungswesen“, Geist sei „nun mal das wichtigste Kapital mit der höchsten Rendite“.
Wenig Geist zeigt er im Kapitel „Doppelmoral“. Dort schreibt er: „Die doppelbödige Moral der christlich-abendländischen Kultur, diese Bigotterie, findet sich schon in der Bibel.“ und erzählt im folgenden vom Ehebruch des Königs David mit Bathseba und dem Mord an ihrem Mann, verschweigt aber, dass David durch den Propheten Nathan im Namen Gottes zur Rede gestellt und verurteilt wird, und dass damit dessen Doppelmoral als Warnung für alle Künftigen entlarvt und unter Strafe gestellt. Dass für Berghofer „Du sollst nicht töten“ das 5. und nicht das 6. Gebot des „Alten Testaments“ ist, sei ihm verziehen. - Ob er sich solche Ungenauigkeiten auch bei den zahlreichen anderen Zitaten erlaubt hat, mögen andere überprüfen.