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1924 (eBook, ePUB) - Reissner, Larissa
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Mit einem Vorwort von Steffen Kopetzky. Larissa Reissners Deutschlandreise 1924 zeigt ein faszinierendes, farbiges Kaleidoskop des Lebens vor hundert Jahren. Aufgewachsen in Berlin-Zehlendorf, war die Revolutionärin eine einzigartige Beobachterin: Reissner ist schon 1923 beim heute vergessenen Hamburger Aufstand dabei, sie beschreibt die dramatischen Geschehnisse wie die Situation der Arbeiter, dann reist sie ins Ruhrgebiet und nach Berlin, die Motoren und Moloche der Moderne. Sie beleuchtet das kleine Leben und seine Tragödien, die die Mächtigen ignorieren. Auch von diesen erzählt sie. Sie…mehr

Produktbeschreibung
Mit einem Vorwort von Steffen Kopetzky. Larissa Reissners Deutschlandreise 1924 zeigt ein faszinierendes, farbiges Kaleidoskop des Lebens vor hundert Jahren. Aufgewachsen in Berlin-Zehlendorf, war die Revolutionärin eine einzigartige Beobachterin: Reissner ist schon 1923 beim heute vergessenen Hamburger Aufstand dabei, sie beschreibt die dramatischen Geschehnisse wie die Situation der Arbeiter, dann reist sie ins Ruhrgebiet und nach Berlin, die Motoren und Moloche der Moderne. Sie beleuchtet das kleine Leben und seine Tragödien, die die Mächtigen ignorieren. Auch von diesen erzählt sie. Sie besucht das Verlagshaus Ullstein, erkennt den Geist der neuen Massenmedien. Die Junkers-Werke und Krupp, die mächtige Industrie, beschreibt sie so kritisch wie fasziniert als die «nationalen deutschen Heiligtümer». So entsteht ein hellsichtiges Bild der fünf Jahre alten Republik, durch die sich bereits Risse ziehen. Und, ergänzt durch Reportagen aus anderen Teilen der Welt, das Panorama einer aufgewühlten, so hoffnungsvollen wie zerrissenen Zeit, die uns näher ist, als wir denken. Reissners fulminante Reportagen aus der Epoche der Weltrevolution, ediert und begleitet durch ein Vorwort von Steffen Kopetzky – eine Wiederentdeckung.

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Autorenporträt
Larissa Reissner, geboren 1895, war schon jung berühmt, als Reporterin, Schriftstellerin, Revolutionärin. Trotzki und Gorki bewunderten sie, Pasternak nahm sie zum Vorbild seiner Lara in «Doktor Schiwago». Reissners früher Tod 1926 beflügelte die Legende. Fulminant und unmittelbar schrieb sie über den Russischen Bürgerkrieg, an dem sie selbst als Kommissarin der Wolga-Flotte teilnahm, oder über Afghanistan, wobei sie die klassische Reisereportage mit Weltpolitik kombinierte. Im Herbst 1923 kam sie in die junge Weimarer Republik. Ihre Texte gehören zum Besten, was über das Deutschland der frühen Zwanziger geschrieben wurde. Steffen Kopetzky, geboren 1971, ist Autor von Romanen, Erzählungen, Hörspielen und Theaterstücken. Sein Roman «Monschau» (2021) stand monatelang auf der «Spiegel»-Bestsellerliste, ebenso wie «Risiko» (2015, Longlist Deutscher Buchpreis). «Propaganda» (2019) war für den Bayerischen Buchpreis nominiert, zuletzt erschien «Damenopfer» (2023). Von 2002 bis 2008 war Kopetzky künstlerischer Leiter der Theater-Biennale Bonn. Er lebt mit seiner Familie in seiner Heimatstadt Pfaffenhofen an der Ilm.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Hilmar Klute hat die nun mit einem Vorwort von Steffen Kopetzky veröffentlichten Reportagen der zur Zeit der Weimarer Republik schreibenden Journalistin Larissa Reissner mit Interesse gelesen. Die deutsch-sowjetrussische Autorin war, wie Klute berichtet, eine überzeugte Sozialistin, die mit den kommunistischen Größen ihrer Zeit befreundet war und sich zum Beispiel im Kontext des Hamburger Werftaufstands auf die Seite der streikenden Arbeiter stellte. Diese politischen Überzeugungen sprechen deutlich aus ihren Texten, die laut dem Rezensenten bisweilen etwas zu pathetisch die ausstehende kommunistische Revolution herbeizuschreiben suchen. Bemerkenswert sind für Klute jedoch Reissners differenzierte und empathische Darstellungen des Milieus armer Berliner Arbeiterfamilien und die originell formulierte Kritik, die sie an der medialen Revolution im von massenhaft gedruckten, erfolgreichen Zeitungen und Magazinen überschwemmten Nachkriegsdeutschland übt. So anhaltend wie die Wiederentdeckungen ihrer Zeitgenossinnen Gabriele Tergit und Vicki Baum wird die Renaissance Larissa Reissners nach Einschätzung des Rezensenten nicht sein. Als repräsentative Dokumente zur historischen Situation in der von sozialen und politischen Schwierigkeiten geprägten ersten deutschen Demokratie schätzt er die von Kopetzky ausführlich kommentierten Reportagen Reissners jedoch sehr.

© Perlentaucher Medien GmbH
Kopetzkys Vorwort sprüht vor Begeisterung ... Wertvoll sind Reissners Texte wegen ihrer atmosphärisch-dichten Beschreibungen, die in ihrer Unmittelbarkeit eine Annäherung an die damalige Lebenswirklichkeit möglich machen. taz

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.06.2024

Die Genossen
aus St. Pauli
Die Sozialistin Larissa Reissner hat die Weimarer
Republik so modern beschrieben wie nur wenige. Einige
ihrer Reportagen liegen nun auf Deutsch vor.
VON HILMAR KLUTE
Die Weimarer Republik mit ihrer stets wankenden politischen Stabilität, ihrer gesellschaftlichen Modernität und angeblichen kulturellen Diversität ist seit einer guten Weile ein Referenzgebilde unserer verunsicherten 2020er Jahre. Opulente Serien und Biopics, Neuverfilmungen damaliger Romanerfolge wie Kästners „Fabian“ sowie die kontinuierliche Wiederentdeckung von Autorinnen und Journalistinnen jener Jahre nähren den Mythos oft auch auf Kosten der historischen Authentizität. Mitunter erwiesen sich die Wiedererweckungen als mäßig erfolgreich, wie im Fall der Reporterin Maria Leitner. Geglückt und anhaltend dagegen ist bis heute die Renaissance der heute noch gut lesbaren Feuilletons der klugen Journalistin und – eher mäßigen – Romanautorin Gabriele Tergit, die mit immer neuen Editionen und Auskoppelungen in Gang gehalten wird.
Nun ist bei Rowohlt eine Auswahl von Reportagen der aus Deutschland stammenden sowjetrussischen Autorin Larissa Reissner erschienen, ausgewählt und mit einem sehr ausführlichen biografischen Abriss versehen von Steffen Kopetzky. Der Schriftsteller hatte zuletzt einen Roman („Damenopfer“, 2023) über das zwischen russischer Revolution und Berliner Gesellschaftsleben rasch verglühende Leben der Journalistin geschrieben, die, folgt man Kopetzkys emphatischem Vorwort zur aktuellen Textauswahl, eine Art Revolutions-Amazone gewesen ist, deren weiblicher Heroismus von Zeitzeugen beschrieben, schon schwer angekitscht in die biografischen Überlieferungen einzieht.
Befreundet war sie mit den linken Granden ihrer Zeit, liiert mit dem später im Gulag untergegangenen Karl Radek, der mit Trotzki von den „Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa“ träumte. Als in Hamburg die Werftarbeiter einen bewaffneten Aufstand riskierten, stellten sie rasch fest, dass es mit der Solidarität der Genossen aus St. Pauli und Altona nicht sehr weit bestellt war. Larissa Reissner widmete der gescheiterten Revolution ein Stück expressionistischer Komintern-Prosa, deren Pathos die Lektüre befremdlich macht.
Die Fanfaren der Sowjetkommunistin sind deutlich vernehmbar in manchen ihrer Reportagen. Zugleich aber mischt sie einen eigenen, oft mit überraschend schöner Alltagspoesie angereicherten Ton, der die oft tristen, dem Sound der anklagenden Sozialstudien verpflichteten Schilderungen des Elends auf eine frische Ebene hebt. „Wie ein großer, eben gefangener, noch zuckender Fisch liegt Hamburg an der Nordsee.“ Geografisch etwas gewagt ist es doch von erfrischender Anschaulichkeit.
Es gibt unter den Texten Reissners auch solche von genauer Milieukenntnis, wie die Studien über die Armut Berliner Arbeiterfamilien, in denen sie die Sprache der Hoffnungslosen protokolliert: „Ich möchte zu Hause sterben, Herr Doktor. Ich möchte, dass mein Mann das Kind sieht und selbst in die Windeln wickelt.“ Es sind krass konturierte Milieubilder, die Larissa Reissner zeichnet.
Ihre Botschaft ist klar: Die marode Weimarer Republik ist in einen Zustand eingetreten, den nur noch eine kommunistische Revolution zum Guten kehren kann. Man liest diese Skizzen, wie man heute Kohlezeichnungen von Käthe Kollwitz anschaut: ein bisschen bedrückt von der Intensität der Anschauung, zugleich aber erleichtert über ihre zeitliche Entrücktheit. Etwas sarkastisch könnte man sagen, Reissners Sozialreportagen sind ein guter Beleg dafür, dass die Bundesrepublik von heute nicht Weimar ist.
Zu den stärkeren Stücken gehört die titelgebende Reportagenreihe über die „nationalen Heiligtümer“ des ersten Nachkriegsdeutschlands, gemeint sind die gigantisch erfolgreichen Zeitungen und Magazine des Ullstein-Verlags. In diesen kurzen Snapshots beschreibt Larissa Reissner modern, ironisch und analytisch eine Medienrevolution, die Nachrichten zur schnell konsumierten Ware macht und Redakteure zu termingetriebenen Aufzugfahrern – die Türen der Fahrstühle hat man vorsorglich ausgebaut, damit das Kommen und Gehen durchlässiger wird: „Heute bringt Ullstein eine Menge Zeitungen auf die Straße, die alle verschieden gekleidet sind, verschiedene Mundarten sprechen, stets zu anderer Zeit herauskommen und einander nicht stören.“
Dann folgen kleine Porträts der wichtigsten Blätter, originelle Schnellzeichnungen mit fantasievollen Bildern; die B.Z. am Mittag ist eine „kleine Pfütze, in der sich die Welt spiegelt“. Die Medienkritik, die Larissa Reissner an ihre Beobachtungen knüpft, findet ihre Bezugsgröße in der immer noch anvisierten großen Revolution der deutschen Arbeiter, die ihre Delegierten nach Russland schickten, während der Kleinbürger sich als versklavter Ullstein-Leser in die Besinnungslosigkeit unterhalten lässt: „Millionen von Menschen haben sich unter Einwirkung dieser literarischen Narkotika niedermetzeln lassen.“ Schweres Geschütz gegen leichte Kost.
Als klug und weitsichtig erweisen sich Reissners Industriereportagen über die Dessauer Junkerwerke und die Umtriebe der Krupp-Dynastie. Hugo Junkers ursprünglich der zivilen Luftfahrt verschriebenen Forschungsarbeit widmet Reissner eine penible Recherche. Aus der Kenntnis, wie sich die Rohstoffe zu einer Tragfläche, einem Flugkörper zusammensetzen, entfaltet Reissner eine Parabel der Ambivalenz von technischem Fortschritt und den niederen Interessen der Rüstungsindustrie. Aus den Junkerschen Betrieben wurde in den Folgejahren eine Waffenfabrik. Und Krupp ist den Bund mit dem Teufel des Krieges eingegangen, so eng ist dieser Bund, dass die Friedenszeiten nach Versailles den Betrieb zu ruinieren drohten.
Reissner hat einen guten Sinn für die verschiedenen Tonarten ihrer Kapitalismuskritik, für Überblendungen sowie die Fallhöhe vom obszönen Verdienst der Stahlgiganten an Krieg und Unterdrückung hinab zur Almosenbewirtschaftung der unteren Arbeiterschichten. Gegen die Erzählung vom skrupellosen Großunternehmer schneidet Larissa Reissner stille Porträts von Arbeiterinnen wie der Pantoffelmacherin Frau Kremer, die nicht in die Gewerkschaft eintreten will, weil den Funktionären das Malochen für den Hungerlohn, den sie für ihre Arbeit am warmen Fuß des Bürgertums bekommt, verbieten würde.
Die journalistischen Texte von Larissa Reissner lassen sich als textliche Illustrationen zum historischen Kontext der in krassen sozialen Schieflagen und unter den Angriffen der alten, vom Versailles-Frieden gedemütigten Militärs taumelnden ersten deutschen Demokratie lesen. Eine Solokarriere als wiederentdeckte Schriftstellerin nach dem Vorbild Gabriele Tergits und Vicki Baums wird Larissa Reissner nicht mehr hinlegen. Zu befremdlich ist ihre Sowjetschwärmerei, zu schablonenhaft – trotz gelegentlicher sprachlicher Funkenschlägerei – ist ihre Literatur. Larissa Reissner ist als Figur in Steffen Kopetzkys klugem und atmosphärischen Roman „Damenopfer“ so gut aufgehoben wie in den sentimentalen Erinnerungen Joseph Roths, die den Band beschließen: „Diese Frau scheint da zu sein, um in Legenden weiterzuleben.“ So mag es stimmen, denn in ihren Texten wird sie es eher nicht tun.
„Diese Frau scheint
da zu sein, um in Legenden
weiterzuleben.“
Larissa Reissner:
1924 – Eine Reise
durch die deutsche
Republik. Mit
einem Vorwort von
Steffen Kopetzky.
Rowohlt Berlin 2024,
270 Seiten, 24 Euro.
Die Fanfaren der Sowjetkommunistin sind deutlich vernehmbar
in manchen ihrer Reportagen: Larissa Reisner (1895 – 1926) war begeistert von
der russischen Revolution. Foto: picture alliance / Heritage Images
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