Im Sommer 1931 ereignete sich in Deutschland eine der größten Finanzkrisen der modernen Zeit, die zum Fanal für den Untergang der Weimarer Republik wurde. Zuerst erklärte die deutsche Regierung das Reich für zahlungsunfähig, daraufhin brach das Bankensystem zusammen, und schliesslich konnte die Stabilität der Reichsmark nur noch durch die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen gesichert werden. Dies wiederum löste eine weltweite Panik aus, die das globale Finanzsystem in seinen Grundfesten erschütterte und die Weltwirtschaft in eine tiefe Depression riss. Zu den triumphierenden Profiteuren der Krise zählte Adolf Hitler, der 1932 mit seiner NSDAP die stärkste politische Kraft in der Weimarer Republik wurde. Tobias Straumann beschreibt in seinem packenden Buch, warum Bankiers, Diplomaten und Politiker dabei scheiterten, diese Katastrophe zu verhindern, und damit entscheidend zum Aufstieg Hitlers beitrugen. Es ist die Geschichte einer Krise, die als eindrückliches Lehrstück für die Gegenwart dienen kann.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Tillmann Neuscheler liest das Buch des Wirtschaftshistorikers Tobias Straumann über die Weltwirtschaftskrise von 1931 mit Spannung. Minutiös und nüchtern beschreibt ihm der Autor den Weg in die Krise, die vergeblichen Bemühungen der internationalen Politik und die Darstellung der Ereignisse in der Presse. Verstanden als Mahnung macht der Band bewusst, wie rasant sich Krisen ausbreiten können und welche Verantwortung Deutschland heute in Europa trägt, erklärt Neuscheler.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.02.2021Ein explosives Gemisch
Die Finanzkrise 1931 und der Aufstieg der Nazis
Der Börsencrash im Jahr 1929 an der Wall Street gilt vielen als Auslöser der großen Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre, in deren Folge die Arbeitslosigkeit schnell stieg und damit der Boden für den Aufstieg Adolf Hitlers bereitet wurde. Doch für Wirtschaftshistoriker ist nicht 1929, sondern 1931 das entscheidende Jahr, in dem die Weltwirtschaftskrise ein bedrohliches Ausmaß annahm, schreibt Tobias Straumann in seinem lesenswerten Buch "1931: Die Finanzkrise und Hitlers Aufstieg".
Jener Sommer habe viel verheerendere Wirkung auf die Weltwirtschaft gehabt als der Börsensturz eineinhalb Jahre zuvor. Zwar habe Hitlers Aufstieg schon vorher begonnen, doch die Beschleunigung der Krise in jenen Monaten habe seine Partei auf neue Höhen geführt. Minutiös schildert er, wie die deutsche Regierung unter Reichskanzler Heinrich Brüning Stück für Stück in die Finanzkrise hineingeriet, bis im Juli 1931 mit dem Zusammenbruch der Danat-Bank ein Ansturm auf die Banken einsetzte und eine internationale Liquiditätskrise auslöste.
Straumann beschreibt nüchtern, wie Politiker, Diplomaten und Bankiers die Katastrophe verhindern wollten, aber doch scheiterten. Auch deshalb, weil aggressives Gebaren deutscher Würdenträger die öffentliche Meinung im Ausland so verschlechterte, dass Politiker kaum noch Zugeständnisse machen konnten. Die großen Gläubigerländer Frankreich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten hätten an der Entstehung der Finanzkrise eine ebenso große Verantwortung wie die Regierung Brünings, weil es niemand schaffte, die Forderungen mit den wirtschaftlichen Realitäten in Einklang zu bringen. Es ist eine Mahnung, wie schnell Krisen aus dem Ruder laufen können. Akribisch zeigt Straumann, wie die Vorgänge damals in der Presse kommentiert wurden, in den großen französischen Zeitungen "Le Figaro", "Le Temps", den britischen Wirtschaftsblättern "The Economist" und "Financial Times" und in der "New York Times".
Ursprünglich habe er das Buch für die englischsprachige Welt geschrieben, betont der Autor. Mit einer deutschen Ausgabe wolle er nun dazu beitragen, dass "man sich auch in Deutschland noch stärker bewusst wird, welche Verantwortung das Land heute als größter Gläubiger Europas trägt". An der Lösung von Schuldenkrisen südeuropäischer Länder müssten sich Schuldner und Gläubiger beteiligen, mahnt Straumann.
TILLMANN NEUSCHELER
Tobias Straumann: 1931 - Die Finanzkrise und Hitlers Aufstieg, wbg Theiss, Darmstadt 2020, 264 Seiten, 25 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Finanzkrise 1931 und der Aufstieg der Nazis
Der Börsencrash im Jahr 1929 an der Wall Street gilt vielen als Auslöser der großen Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre, in deren Folge die Arbeitslosigkeit schnell stieg und damit der Boden für den Aufstieg Adolf Hitlers bereitet wurde. Doch für Wirtschaftshistoriker ist nicht 1929, sondern 1931 das entscheidende Jahr, in dem die Weltwirtschaftskrise ein bedrohliches Ausmaß annahm, schreibt Tobias Straumann in seinem lesenswerten Buch "1931: Die Finanzkrise und Hitlers Aufstieg".
Jener Sommer habe viel verheerendere Wirkung auf die Weltwirtschaft gehabt als der Börsensturz eineinhalb Jahre zuvor. Zwar habe Hitlers Aufstieg schon vorher begonnen, doch die Beschleunigung der Krise in jenen Monaten habe seine Partei auf neue Höhen geführt. Minutiös schildert er, wie die deutsche Regierung unter Reichskanzler Heinrich Brüning Stück für Stück in die Finanzkrise hineingeriet, bis im Juli 1931 mit dem Zusammenbruch der Danat-Bank ein Ansturm auf die Banken einsetzte und eine internationale Liquiditätskrise auslöste.
Straumann beschreibt nüchtern, wie Politiker, Diplomaten und Bankiers die Katastrophe verhindern wollten, aber doch scheiterten. Auch deshalb, weil aggressives Gebaren deutscher Würdenträger die öffentliche Meinung im Ausland so verschlechterte, dass Politiker kaum noch Zugeständnisse machen konnten. Die großen Gläubigerländer Frankreich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten hätten an der Entstehung der Finanzkrise eine ebenso große Verantwortung wie die Regierung Brünings, weil es niemand schaffte, die Forderungen mit den wirtschaftlichen Realitäten in Einklang zu bringen. Es ist eine Mahnung, wie schnell Krisen aus dem Ruder laufen können. Akribisch zeigt Straumann, wie die Vorgänge damals in der Presse kommentiert wurden, in den großen französischen Zeitungen "Le Figaro", "Le Temps", den britischen Wirtschaftsblättern "The Economist" und "Financial Times" und in der "New York Times".
Ursprünglich habe er das Buch für die englischsprachige Welt geschrieben, betont der Autor. Mit einer deutschen Ausgabe wolle er nun dazu beitragen, dass "man sich auch in Deutschland noch stärker bewusst wird, welche Verantwortung das Land heute als größter Gläubiger Europas trägt". An der Lösung von Schuldenkrisen südeuropäischer Länder müssten sich Schuldner und Gläubiger beteiligen, mahnt Straumann.
TILLMANN NEUSCHELER
Tobias Straumann: 1931 - Die Finanzkrise und Hitlers Aufstieg, wbg Theiss, Darmstadt 2020, 264 Seiten, 25 Euro.
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»Ein lesenswertes Buch« Frankfurter Allgemeine Zeitung »Wenn John Kenneth Galbraith mit seinem Klassiker aus dem Jahr 1955 den Börsencrash von 1929 für immer ins historische Gedächtnis einbrannte, so liefert uns Straumann die Geschichte von 1931, die jeder Entscheidungsträger in Europa lesen sollte. Man kann es nur bedauern, dass seine Darstellung vor 10 Jahren noch nicht verfügbar war.« Adam Tooze, Financial Times »Es ist Straumann gelungen, auf knappem Platz und auf äusserst kurzweilige Weise eine Wirtschaftskrise zu sezieren, die mit zur grössten Katastrophe des 20. Jahrhunderts beigetragen hat.« Christoph Eisenring, NZZ »Straumann erzählt komplexe Ereignisse mit bemerkenswerter Klarheit, verzichtet dabei auf Fachjargon und zeigt eine beachtliche Ausdrucksstärke.« Roger Moorhouse, BBC History Magazine