Der Erfolgsroman des Jahres - »In Stephan Schäfers Debütroman geht es um nicht weniger als den Sinn des Lebens.« Sächsische Zeitung Am Küchentisch eines alten Bauernhauses treffen zwei Menschen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Erzähler dieser Geschichte führt ein gehetztes Leben, das er als endlose To-do-Liste empfindet; Karl hingegen sortiert Tag für Tag Kartoffeln - und denkt nach. Als Karl seinen Gast mit der Tatsache konfrontiert, dass ihm noch ungefähr 25 Sommer bleiben, beginnen beide ein Gespräch über die großen Fragen des Lebens: Warum verbringen wir so viel Zeit mit unserer Arbeit anstatt mit den Menschen und Dingen, die uns wirklich wichtig sind? Woher nehmen wir den Mut, unsere eigenen Träume zu verwirklichen? Und warum beginnt das richtige Leben oft erst, wenn wir erkennen, dass wir nur eines haben? Stephan Schäfer bringt uns dazu, Antworten auf diese Fragen in uns selbst zu suchen. 25 letzte Sommer ist eine warme, tiefe Erzählung, die uns in unserer Sehnsucht nach einem Leben in Gleichgewicht abholt, uns mitnimmt zu Karl und seinem Hof, zum See und auf den Kartoffelacker - zu einer Geschichte über Freundschaft, über das Zu-viel und Zu-wenig im Leben. Und über die Fragen, auf die wir alle so gerne Antworten finden wollen.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.03.2024Seelenschau
eines Managers
Stephan Schäfer, der Gruner + Jahr in die Herrschaft
von RTL überführte, schreibt eine Erzählung und findet
sein spätes Glück. Das Buch ist der Wahnsinn.
VON CLAUDIA TIESCHKY
Als Stephan Schäfer im August 2022 aufhörte, Manager zu sein, sah es bei Gruner + Jahr, wo er den Großteil seines Berufslebens auf die eine oder andere Art Chef war, für viele Menschen düster aus. Schäfer war da Co-CEO von RTL Deutschland und erklärter Freund der Zusammenlegung von Gruner + Jahr und RTL, die der Mutterkonzern Bertelsmann schon eingeleitet hatte. Ein paar Monate nach Schäfers Ausscheiden begann dann im Hamburger Traditionsverlag ein beispielloser Kahlschlag – gleich massenweise wurden Magazine eingestellt oder verkauft, und bei dem Rest, der übrig blieb, noch mal 500 Stellen gestrichen.
Womöglich war es, das wäre eine vielsagende und dabei doch irritierend nutzlose Erkenntnis, auch dem Konzernlenker Stephan Schäfer ganz persönlich düster zumute. Zumindest ist sein jetzt erschienenes literarisches Debüt – die Erzählung „25 letzte Sommer“ – die Seelenschau eines Managers, der „den inneren Kompass verloren“ hat. In den fiktionalen Text seien „durchaus Erfahrungen des Autors mit eingeflossen“, teilt der Ullstein Verlag mit. Das macht neugierig.
Dieser Ich-Erzähler ist ein Mann am kranken Puls der Zeit. Saumäßig wichtig, innerlich aufs Funktionieren reduziert. Aber immerhin, wie inzwischen jeder anständige Medienmensch, mit einer Rein-raus-Zweitexistenz im ländlichen Raum – da, wo diese ganz anderen Menschen wohnen.
Nur funktioniert es nicht so richtig, das Wohlfühlen im Umland, und es ist auch nicht so lustig wie bei der Landgängerin Linda Zervakis, sondern Schäfers Erzähler ist sehr, sehr nachdenklich. „Tau auf den grünen Wiesen, der Gesang einer Amsel, der weiche Boden des Waldes unter meinen Füßen. Aber da war auch diese gläserne Wand zwischen mir und der Welt.“
Man denkt gerade, dass man echt Glück hatte, weil man selber noch nie in solche Glaswände in der Landschaft gerannt ist, das hätte ja übel ausgehen können, doch da begegnet der Erzähler schon an einem Weiher dem nackten Kartoffelbauern Karl, „ein liebevolles Lächeln zu frechen Augen“. Es ist Liebe auf den ersten Blick, und in zwei Tagen, in denen sie nicht mehr voneinander lassen, kann der Erzähler endlich über seinen ganzen stillen Kummer sprechen, über seine Arbeit, seine Eltern, über alles. Er erfährt Trost, darf ein Nickerchen machen und labt sich an den Weisheiten des Älteren.
Karl gehört nicht zu denen, die mit dem Traktor protestieren fahren. Sondern er definiert sich – sozusagen als Rechtfertigung für die bei ihm nicht vermutete (Erzähler: „ich bin sprachlos“) Bücherwand – eher so: „Ich bin Bauer. Ich mache mir aber nebenbei gerne Gedanken und versuche, durchlässig für die Gefühle meiner Umwelt zu sein. Johanna ist die Frau, mit der ich jeden Tag Sterne klauen darf, die Kartoffel sichert mir ein erfüllendes Auskommen.“ (Ein nicht ganz treffsicherer Bezug, oder Karl hat einen besonders erdigen Kosenamen für seine Frau?) Und er mahnt: „Bei aller Verbundenheit mit der Welt – für einen Augenblick nicht verfügbar zu sein, ist wundervoll. Das solltest du mal ausprobieren!“
Und was soll man sagen: Gruner + Jahr lebt!
Hier kommt die sanfte Hamburger Seelenwellness-Kompetenz von Brigitte aufs Schönste zusammen mit dem Genießerblick von Schöner Wohnen und den Entschleunigungsseufzern bei der Lektüre von Landlust. Korrekterweise muss angemerkt werden: G+J hielt an Landlust über ein Joint Venture leider nur 50 Prozent, was nicht am Naturfreund Schäfer gelegen haben kann. Aber der wurde natürlich auch nicht fürs Entschleunigen bezahlt. Er war zwar mal Chefredakteur von Couch und Brigitte, aber sollte auf dem Höhepunkt seiner Karriere ja die ganz große Offensive der alten Medienwelt aus Köln und Hamburg ins digitale Zeitalter bewirken. Der Manager-Erzähler in seinem Buch hat verblüffenderweise eher das digital Tapsige eines Boomer-Chefs. Wenn er sein iPhone irgendwo liegenlassen würde, so klagt er über seine Handysucht, „wären alle meine Adressen verloren“. Doch, es gibt es ein paar Dinge, die man diesem Erzähler noch hätte sagen können. Zum Beispiel, wie unwahrscheinlich es ist, dass die Gesamtausgabe von Jane Austen „Rücken an Rücken“ mit einem Donald-Duck-Heft im Regal steht. Das sind natürlich schnöde Kleinigkeiten – die das Gesamtbild keineswegs ändern.
Dann doch lieber: Sahne! Also buchstäblich, in der Küche von Karl, aber auch metaphorisch. „Alles strahlte Gemütlichkeit aus. Ein langer Holztisch, groß genug für ein ganzes Kabinett, ging quer durch den Raum, in der Ecke residierte ein alter Kohleofen aus einer längst verglühten Zeit, gusseiserne Töpfe, ineinander gestapelt zu einem schiefen Turm. Auf der Anrichte: Schüsseln mit Salat, Erdbeeren in Milch und ein großes Blech mit warmem Butterkuchen. Die geschlagene Sahne lag wie eine schlafende Wolke in einer gläsernen Schale daneben.“ Man möchte auf der Stelle auch noch Butter schlagen und selber Käselaibe rollen.
Überhaupt, der ganze Hof von Karl: „Ein altes Bauernhaus aus gelben Ziegeln, links und rechts umarmt von zwei großen Scheunen“, Pferde, Kinder, „ein rostiger Pflug versteckte sich vor seinem nächsten Feldeinsatz hinter einem Strohballen. Gelebte Landlust, idyllisches Durch- und Miteinander“.
Und beim Traktor-Ausflug schneidet Karl dann einen Strauß Wiesenblumen, „so schön und schlicht, dass man ihn für kein Geld der Welt so in New York oder London kaufen könnte“ und bringt ihn einer alten Frau, deren „elegantes Gesicht“ auffällt und die im „weißen Häuschen mit Reetdach“ wohnt. Selbst Karls Kartoffelsortiermaschine ist nicht irgendwas, sondern „in einem warmen Grünton gehalten“.
Man kann so lange suchen, wie man will, es gibt einfach nichts Hässliches in dieser Welt, alles direkt instagrammable, und man denkt, vielleicht ist der Typ, also der Erzähler, wirklich in eine andere Realität gefallen. In dieser Welt ist alles so doppelt und dreifach dekorativ, dass man sich einen Verdauungsschnaps wünschte, wenn man nicht fürchten müsste, dass sogar der von Karl selbstgebrannt und in entzückend schlichte Flaschen gefüllt wäre.
Der Wahnsinn, was Manager so schreiben, wenn sie genug Geld haben, um das Glück zu suchen.
Dabei steht „25 letzte Sommer“ formal in einer großen literarischen Tradition spiritueller Suche – dem Meister-Schüler-Gespräch. Nur hier eben so runtergebrochen, dass niemand überfordert ist und jeder abgeholt wird. Von Karl erfährt unser Landlustiger zum Beispiel, dass man Nichtstun richtig lernen muss – „dabei entstehen die wundervollsten Dinge langsam“. – Der Schüler fragt nach: „‚Wie meinst du das‘, wollte ich es genauer wissen.“ Und erfährt: „Das Komponieren eines Liedes, das Modellieren einer Keramik, das Erforschen einer seltenen Pflanze, das Entstehen einer großen Liebe. Das alles benötigt Zeit. Nur wer nachdenkt, kommt auf wirklich Neues. Kreativität entsteht durch Empathie – und Langeweile. Schönheit geht nicht schnell.“
So von seinem neuen Freund balsamiert, kann der Erzähler auch seine eigene Seele öffnen. Er spricht von einem traumatischen Erlebnis als Kind, das in eine dunkle Kammer gesperrt wurde, von der Wiederkehr dieses Traumas, als er Weihnachten 2004 auf einer thailändischen Insel vor dem Tsunami floh, von seiner Einsamkeit als angehender Tennisprofi. Und auch Karl hat ein bitteres Geheimnis zu erzählen, aber selbst das endet philosophisch versöhnlich.
Warum das Buch „25 letzte Sommer“ heißt, erschließt sich nicht wirklich, selbst wenn da einmal steht: „Wenn ich uns beide so betrachte, bleiben uns bestimmt noch 25 Sommer“. Vielleicht wirken Zahlen mit zwanzig nach Caroline Wahls Bestseller „22 Bahnen“ einfach besonders attraktiv.
Auf dem Buchumschlag schwärmt die Ärztin Anne Fleck, die für Brigitte einen Medizinpodcast bei RTL+ betreibt, über die „lebenskluge, liebevolle, tröstende Erzählung“ – „man fühlt sich sanft umarmt und ist dankbar für jede Zeile.“
Und vielleicht gibt es ja für Schäfer eine ganz neue Zukunft bei seiner Ex-Firma, als Sahnehäubchen, achtsam selbstgeschlagen.
Der Sound von „Brigitte“,
der Genießerblick von
„Schöner Wohnen“
„In einem warmen Grünton
gehalten“ ist hier selbst die
Kartoffelsortiermaschine
Endlich Erdbeeren in Milch und ein großes Blech Butterkuchen: Stephan Schäfer erzählt von einem geplagten Manager, der das entschleunigte Leben entdeckt.
Foto: Matthias Ziegler / Ullstein Verlag / DPA
Stephan Schäfer:
25 letzte Sommer.
Park x Ullstein, Berlin, 2024. 176 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
eines Managers
Stephan Schäfer, der Gruner + Jahr in die Herrschaft
von RTL überführte, schreibt eine Erzählung und findet
sein spätes Glück. Das Buch ist der Wahnsinn.
VON CLAUDIA TIESCHKY
Als Stephan Schäfer im August 2022 aufhörte, Manager zu sein, sah es bei Gruner + Jahr, wo er den Großteil seines Berufslebens auf die eine oder andere Art Chef war, für viele Menschen düster aus. Schäfer war da Co-CEO von RTL Deutschland und erklärter Freund der Zusammenlegung von Gruner + Jahr und RTL, die der Mutterkonzern Bertelsmann schon eingeleitet hatte. Ein paar Monate nach Schäfers Ausscheiden begann dann im Hamburger Traditionsverlag ein beispielloser Kahlschlag – gleich massenweise wurden Magazine eingestellt oder verkauft, und bei dem Rest, der übrig blieb, noch mal 500 Stellen gestrichen.
Womöglich war es, das wäre eine vielsagende und dabei doch irritierend nutzlose Erkenntnis, auch dem Konzernlenker Stephan Schäfer ganz persönlich düster zumute. Zumindest ist sein jetzt erschienenes literarisches Debüt – die Erzählung „25 letzte Sommer“ – die Seelenschau eines Managers, der „den inneren Kompass verloren“ hat. In den fiktionalen Text seien „durchaus Erfahrungen des Autors mit eingeflossen“, teilt der Ullstein Verlag mit. Das macht neugierig.
Dieser Ich-Erzähler ist ein Mann am kranken Puls der Zeit. Saumäßig wichtig, innerlich aufs Funktionieren reduziert. Aber immerhin, wie inzwischen jeder anständige Medienmensch, mit einer Rein-raus-Zweitexistenz im ländlichen Raum – da, wo diese ganz anderen Menschen wohnen.
Nur funktioniert es nicht so richtig, das Wohlfühlen im Umland, und es ist auch nicht so lustig wie bei der Landgängerin Linda Zervakis, sondern Schäfers Erzähler ist sehr, sehr nachdenklich. „Tau auf den grünen Wiesen, der Gesang einer Amsel, der weiche Boden des Waldes unter meinen Füßen. Aber da war auch diese gläserne Wand zwischen mir und der Welt.“
Man denkt gerade, dass man echt Glück hatte, weil man selber noch nie in solche Glaswände in der Landschaft gerannt ist, das hätte ja übel ausgehen können, doch da begegnet der Erzähler schon an einem Weiher dem nackten Kartoffelbauern Karl, „ein liebevolles Lächeln zu frechen Augen“. Es ist Liebe auf den ersten Blick, und in zwei Tagen, in denen sie nicht mehr voneinander lassen, kann der Erzähler endlich über seinen ganzen stillen Kummer sprechen, über seine Arbeit, seine Eltern, über alles. Er erfährt Trost, darf ein Nickerchen machen und labt sich an den Weisheiten des Älteren.
Karl gehört nicht zu denen, die mit dem Traktor protestieren fahren. Sondern er definiert sich – sozusagen als Rechtfertigung für die bei ihm nicht vermutete (Erzähler: „ich bin sprachlos“) Bücherwand – eher so: „Ich bin Bauer. Ich mache mir aber nebenbei gerne Gedanken und versuche, durchlässig für die Gefühle meiner Umwelt zu sein. Johanna ist die Frau, mit der ich jeden Tag Sterne klauen darf, die Kartoffel sichert mir ein erfüllendes Auskommen.“ (Ein nicht ganz treffsicherer Bezug, oder Karl hat einen besonders erdigen Kosenamen für seine Frau?) Und er mahnt: „Bei aller Verbundenheit mit der Welt – für einen Augenblick nicht verfügbar zu sein, ist wundervoll. Das solltest du mal ausprobieren!“
Und was soll man sagen: Gruner + Jahr lebt!
Hier kommt die sanfte Hamburger Seelenwellness-Kompetenz von Brigitte aufs Schönste zusammen mit dem Genießerblick von Schöner Wohnen und den Entschleunigungsseufzern bei der Lektüre von Landlust. Korrekterweise muss angemerkt werden: G+J hielt an Landlust über ein Joint Venture leider nur 50 Prozent, was nicht am Naturfreund Schäfer gelegen haben kann. Aber der wurde natürlich auch nicht fürs Entschleunigen bezahlt. Er war zwar mal Chefredakteur von Couch und Brigitte, aber sollte auf dem Höhepunkt seiner Karriere ja die ganz große Offensive der alten Medienwelt aus Köln und Hamburg ins digitale Zeitalter bewirken. Der Manager-Erzähler in seinem Buch hat verblüffenderweise eher das digital Tapsige eines Boomer-Chefs. Wenn er sein iPhone irgendwo liegenlassen würde, so klagt er über seine Handysucht, „wären alle meine Adressen verloren“. Doch, es gibt es ein paar Dinge, die man diesem Erzähler noch hätte sagen können. Zum Beispiel, wie unwahrscheinlich es ist, dass die Gesamtausgabe von Jane Austen „Rücken an Rücken“ mit einem Donald-Duck-Heft im Regal steht. Das sind natürlich schnöde Kleinigkeiten – die das Gesamtbild keineswegs ändern.
Dann doch lieber: Sahne! Also buchstäblich, in der Küche von Karl, aber auch metaphorisch. „Alles strahlte Gemütlichkeit aus. Ein langer Holztisch, groß genug für ein ganzes Kabinett, ging quer durch den Raum, in der Ecke residierte ein alter Kohleofen aus einer längst verglühten Zeit, gusseiserne Töpfe, ineinander gestapelt zu einem schiefen Turm. Auf der Anrichte: Schüsseln mit Salat, Erdbeeren in Milch und ein großes Blech mit warmem Butterkuchen. Die geschlagene Sahne lag wie eine schlafende Wolke in einer gläsernen Schale daneben.“ Man möchte auf der Stelle auch noch Butter schlagen und selber Käselaibe rollen.
Überhaupt, der ganze Hof von Karl: „Ein altes Bauernhaus aus gelben Ziegeln, links und rechts umarmt von zwei großen Scheunen“, Pferde, Kinder, „ein rostiger Pflug versteckte sich vor seinem nächsten Feldeinsatz hinter einem Strohballen. Gelebte Landlust, idyllisches Durch- und Miteinander“.
Und beim Traktor-Ausflug schneidet Karl dann einen Strauß Wiesenblumen, „so schön und schlicht, dass man ihn für kein Geld der Welt so in New York oder London kaufen könnte“ und bringt ihn einer alten Frau, deren „elegantes Gesicht“ auffällt und die im „weißen Häuschen mit Reetdach“ wohnt. Selbst Karls Kartoffelsortiermaschine ist nicht irgendwas, sondern „in einem warmen Grünton gehalten“.
Man kann so lange suchen, wie man will, es gibt einfach nichts Hässliches in dieser Welt, alles direkt instagrammable, und man denkt, vielleicht ist der Typ, also der Erzähler, wirklich in eine andere Realität gefallen. In dieser Welt ist alles so doppelt und dreifach dekorativ, dass man sich einen Verdauungsschnaps wünschte, wenn man nicht fürchten müsste, dass sogar der von Karl selbstgebrannt und in entzückend schlichte Flaschen gefüllt wäre.
Der Wahnsinn, was Manager so schreiben, wenn sie genug Geld haben, um das Glück zu suchen.
Dabei steht „25 letzte Sommer“ formal in einer großen literarischen Tradition spiritueller Suche – dem Meister-Schüler-Gespräch. Nur hier eben so runtergebrochen, dass niemand überfordert ist und jeder abgeholt wird. Von Karl erfährt unser Landlustiger zum Beispiel, dass man Nichtstun richtig lernen muss – „dabei entstehen die wundervollsten Dinge langsam“. – Der Schüler fragt nach: „‚Wie meinst du das‘, wollte ich es genauer wissen.“ Und erfährt: „Das Komponieren eines Liedes, das Modellieren einer Keramik, das Erforschen einer seltenen Pflanze, das Entstehen einer großen Liebe. Das alles benötigt Zeit. Nur wer nachdenkt, kommt auf wirklich Neues. Kreativität entsteht durch Empathie – und Langeweile. Schönheit geht nicht schnell.“
So von seinem neuen Freund balsamiert, kann der Erzähler auch seine eigene Seele öffnen. Er spricht von einem traumatischen Erlebnis als Kind, das in eine dunkle Kammer gesperrt wurde, von der Wiederkehr dieses Traumas, als er Weihnachten 2004 auf einer thailändischen Insel vor dem Tsunami floh, von seiner Einsamkeit als angehender Tennisprofi. Und auch Karl hat ein bitteres Geheimnis zu erzählen, aber selbst das endet philosophisch versöhnlich.
Warum das Buch „25 letzte Sommer“ heißt, erschließt sich nicht wirklich, selbst wenn da einmal steht: „Wenn ich uns beide so betrachte, bleiben uns bestimmt noch 25 Sommer“. Vielleicht wirken Zahlen mit zwanzig nach Caroline Wahls Bestseller „22 Bahnen“ einfach besonders attraktiv.
Auf dem Buchumschlag schwärmt die Ärztin Anne Fleck, die für Brigitte einen Medizinpodcast bei RTL+ betreibt, über die „lebenskluge, liebevolle, tröstende Erzählung“ – „man fühlt sich sanft umarmt und ist dankbar für jede Zeile.“
Und vielleicht gibt es ja für Schäfer eine ganz neue Zukunft bei seiner Ex-Firma, als Sahnehäubchen, achtsam selbstgeschlagen.
Der Sound von „Brigitte“,
der Genießerblick von
„Schöner Wohnen“
„In einem warmen Grünton
gehalten“ ist hier selbst die
Kartoffelsortiermaschine
Endlich Erdbeeren in Milch und ein großes Blech Butterkuchen: Stephan Schäfer erzählt von einem geplagten Manager, der das entschleunigte Leben entdeckt.
Foto: Matthias Ziegler / Ullstein Verlag / DPA
Stephan Schäfer:
25 letzte Sommer.
Park x Ullstein, Berlin, 2024. 176 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
»Ein zauberhaftes Buch.« Christoph Amend Ubin Eoh ZEIT Podcast "Und was machst Du am Wochenende?" 20240315