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Nach 1945 konstituierte und profilierte sich die deutsche Zeitgeschichtsforschung vor allem durch die Auseinandersetzung mit Erstem Weltkrieg, Weimarer Republik und Nationalsozialismus. Erst später trat die Geschichte von Bundesrepublik und DDR als wichtiges Untersuchungsfeld hinzu. Bis 1989 stand die Forschung zudem im Spannungsfeld der deutsch-deutschen Systemkonkurrenz. Zentrale Bücher wie Friedrich Meineckes Die deutsche Katastrophe (1946), Fritz Fischers Griff nach der Weltmacht (1961) oder Joachim C. Fests Hitler. Eine Biographie (1973) waren nicht allein von innerwissenschaftlichem…mehr

Produktbeschreibung
Nach 1945 konstituierte und profilierte sich die deutsche Zeitgeschichtsforschung vor allem durch die Auseinandersetzung mit Erstem Weltkrieg, Weimarer Republik und Nationalsozialismus. Erst später trat die Geschichte von Bundesrepublik und DDR als wichtiges Untersuchungsfeld hinzu. Bis 1989 stand die Forschung zudem im Spannungsfeld der deutsch-deutschen Systemkonkurrenz. Zentrale Bücher wie Friedrich Meineckes Die deutsche Katastrophe (1946), Fritz Fischers Griff nach der Weltmacht (1961) oder Joachim C. Fests Hitler. Eine Biographie (1973) waren nicht allein von innerwissenschaftlichem Interesse, sondern lösten auch breitere gesellschaftliche Debatten aus. Viele dieser Bücher werden bis heute oft zitiert; ihre prägnanten Titel sind mitunter zu Chiffren einer Epoche geworden (z.B. Die Unfähigkeit zu trauern). 50 solcher Klassiker werden im vorliegenden Band aus heutiger Sicht neu gelesen – als Dokumente ihrer jeweiligen Entstehungszeit, aber auch als Referenztexte mit Impulsen bis in die Gegenwart. Das Spektrum der chronologisch geordneten Werke reicht von Ernst Fraenkels Der Doppelstaat (1941) bis zu den Begleitbänden der beiden »Wehrmachtsausstellungen« (1995/2002). Dieses Buch richtet sich an alle, die sich für deutsche Geschichte und Historiographiegeschichte im 20. Jahrhundert interessieren. Die hier versammelten Essays renommierter Historikerinnen und Historiker machen die methodischen und thematischen Wandlungen der Forschung ebenso deutlich wie die Wandlungen der Nachkriegsgesellschaft, an die die Werke adressiert waren. Nicht zuletzt lädt dieses Buch dazu ein, die vorgestellten Bände wieder oder erstmals selbst zu lesen.
Autorenporträt
Dr. Jürgen Danyel ist stellvertretender Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam und Leiter der Abteilung »Zeitgeschichte der Medien- und Informationsgesellschaft«.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.08.2007

Die Suche nach Verbindlichkeit
Klassiker und Basistexte zu Geschichte und Politik
Das ZDF hatte vor einigen Jahren zur Wahl gebeten: Demnach ist der beste deutsche Kicker aller Zeiten Franz Beckenbauer, der witzigste Deutsche Loriot und unser Bester überhaupt ist der, den keiner versteht: Albert Einstein. Der Mensch, zumindest der deutsche männliche, braucht Tabellen, um seinen Spieltrieb auszuleben und um die Welt zu ordnen. Das gilt auch und erst recht für die Wissenschaft: Nicht nur ist das Uni-Ranking im Zeitalter der Exzellenz mittlerweile fast so wichtig wie die Bundesligatabelle, die Wissenschaft ist zudem selbst ein Projekt zur Ordnung von Natur und Kultur.
Auf dieser Welle scheinen auf den ersten Blick auch drei Geschichtsbücher zu surfen, welche „50 Klassiker der Zeitgeschichte”, Basistexte zur historischen Anthropologie und historische Schlüsseltexte zur politischen Theorie präsentieren. Doch hier werden keine Suchspielchen nach den hundert schlauesten Historikern veranstaltet, sondern es geht um Ernsthafteres: um Selbstreflektion mittels Selbsthistorisierung und um die Bergung von kleinen und großen Schätzen. Und natürlich um Ordnung und Orientierung.
Die 50 Klassiker der Zeitgeschichte – von Ernst Fraenkels „Doppelstaat” über Joachim Fests Hitlerbiographie bis zum Katalog der Wehrmachtsausstellung – werden jeweils knapp und kompetent vorgestellt und historisiert. Neben den NS-Büchern liegt der Schwerpunkt auf der DDR, die Geschichte der Bundesrepublik ist offensichtlich noch nicht reif für eine Rückschau. In jedem Fall wird deutlich: Zeitgeschichte in Deutschland ist eine sehr deutsche Zeitgeschichte. Und eine männliche: Außer Hannah Arendt, die so berühmt ist, dass sie auch der Kerner kennt, hat nicht eine Historikerin Eingang ins Pantheon gefunden. Das Buch dokumentiert aber nicht nur die nationale Bezogenheit und die männliche Dominanz der Zeitgeschichte, sondern die grundlegenden Veränderungen sowohl der Inhalte und Methoden als auch der wechselnden politischen und sozialphilosophischen Fragestellungen deutscher Geschichtswissenschaft nach 1945, und das in prächtig kommensurabler Form.
Männliche Dominanz
Das von Marcus Llanque und Herfried Münkler herausgegebene opulente Lehr- und Textbuch zur Politischen Theorie und Ideengeschichte möchte dazu beitragen, die Unklarheit und Unübersichtlichkeit der theoretischen Bemühungen zur Klärung des Politischen zu vermindern. Dabei gilt die Prämisse: „Jede Generation muss sich den für sie verbindlichen Begriff des Politischen selbst erarbeiten.” Der Grundaufbau des Buches ist demnach klassisch politikwissenschaftlich: das Politische, politisches Handeln, politische Institutionen, politische Normen. Die Auswahl der Texte dagegen bemüht sich, nicht bei den Klassikern, den Hobbes, Rousseaus und Montesquieus, stehenzubleiben, sondern zum einen von der Gesellschaft her denkende Kritiker des Politischen wie Marx oder Adorno aufzunehmen und zum anderen näher an die Gegenwart heranzukommen. So hat man etwa den Menschenrechten einen Abschnitt gewidmet, wohlwissend, dass globaler Menschenrechtspolitik heute größere Aufmerksamkeit zuteil wird als vergleichender Regierungslehre.
Die Basistexte zur historischen Anthropologie, die der Freiburger Historiker Aloys Winterling zusammengestellt hat, beginnen sogar mit der Kritik der Anthropologie, nämlich Jürgen Habermas’ Aufsatz von 1958 zur „Philosophischen Anthropologie”: „Weil Menschen sich erst zu dem machen, was sie sind, und das, den Umständen nach, je auf eine andere Weise, gibt es sehr wohl Gesellschaften oder Kulturen, über die sich, wie über Pflanzenarten oder Tiergattungen, allgemeine Aussagen machen lassen; aber nicht über ‚den’ Menschen.” In einer sehr erhellenden und reflektierten Einleitung zeigt Winterling, wie sich die historische Anthropologie seitdem entwickelt hat, was man darunter versteht und wozu sie zu gebrauchen ist. Kontinuität durch Wandel scheint die Entwicklungsformel dieser Disziplin und historischen Perspektive zu sein. Sie steht, das belegen die Basistexte von Clifford Geertz über Thomas Nipperdey, Jochen Martin bis zur jüngsten Generation, auf durchaus breiten Schultern, pflegt jedoch noch immer ein Mauerblümchendasein.
Ordnung muss sein
Drei als konservativ geltende Fächer versuchen sich somit über eine Selbsthistorisierung zu reformieren. Herausgekommen sind drei schöne und spannende Lehr- und Textbücher, die sowohl Studierenden wie Lehrenden als auch einem interessierten Laienpublikum eine Orientierung über Geschichte und Gegenwart der Geschichtswissenschaft verschaffen. Auf meinem persönlichen Bücherranking dieses Sommers stehen sie weit oben. JÖRG SPÄTER
JÜRGEN DANYEL, JAN-HOLGER KIRSCH, MARTIN SABROW (Hrsg.): 50 Klassiker der Zeitgeschichte. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007. 247 Seiten, 19, 90 Euro.
MARCUS LLANQUE, HERFRIED MÜNKLER (Hrsg.): Politische Theorie und Ideengeschichte. Lehr- und Textbuch. Akademie Verlag, Berlin 2007. 480 Seiten, 29,80 Euro.
ALOYS WINTERLING (Hrsg.): Historische Anthropologie. Basistexte. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2007, 301 Seiten, 28 Euro.
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