In Island ist Literatur tief in der Geschichte, Kultur und im Alltag verwurzelt. Die Liebe zum geschriebenen Wort macht das kleine Land zu einer der literarisch reichsten Nationen der Welt. Island hat eine außergewöhnlich hohe Publikationsrate. Statistisch gibt es mehr Autor*innen und
veröffentlichte Bücher pro Kopf als in fast jedem anderen Land. Umso bedeutender ist die Tatsache, dass "60 Kilo…mehrIn Island ist Literatur tief in der Geschichte, Kultur und im Alltag verwurzelt. Die Liebe zum geschriebenen Wort macht das kleine Land zu einer der literarisch reichsten Nationen der Welt. Island hat eine außergewöhnlich hohe Publikationsrate. Statistisch gibt es mehr Autor*innen und veröffentlichte Bücher pro Kopf als in fast jedem anderen Land. Umso bedeutender ist die Tatsache, dass "60 Kilo Sonnenschein" dort mit dem Preis für den besten Roman des Jahres ausgezeichnet wurde.
Nicht nur die Jury, auch ich bin restlos begeistert. Hallgrímur Helgason hat hier ein monumentales Werk geschaffen, das die rauen und magischen Seiten Islands in einer literarischen Glanzleistung vereint. Der isländische Bestsellerautor entführt uns in die entbehrungsreiche Welt der Menschen im frühen 20. Jahrhundert, inmitten von Vulkanausbrüchen, Lawinen und bitterer Not.
Helgason erzählt die Geschichte des Waisenjungen Gestur, der in einem kleinen Fischerdorf im Nordwesten Islands aufwächst. Von Anfang an spürt man die Härte des Lebens in dieser isolierten, unwirtlichen Landschaft: eine Welt, die von gnadenloser Natur, Armut und den strengen moralischen Regeln einer patriarchalischen Gesellschaft geprägt ist. Doch Gestur ist ein Überlebenskünstler – schlau, empfindsam und voller Witz. Durch seine Augen erleben wir die rohe Schönheit Islands und den unbändigen Lebenswillen seiner Menschen.
Helgasons Schreibstil ist ein Ereignis. Mit einer unvergleichlichen Mischung aus Sprachwitz, Poesie und beißender Satire fängt er die Eigenheiten des isländischen Lebens ein. Seine Beschreibungen der Landschaft – von tosenden Stürmen über glitzernden Schnee bis hin zu schroffen Küsten – sind so lebendig, dass man den eisigen Wind auf der Haut zu spüren meint. Gleichzeitig verwebt er die isländische Kultur und Geschichte mit der Handlung, ohne je belehrend zu wirken. Es ist eine höchst fesselnde Mischung aus Historien-, Abenteuer- und Gesellschaftsroman. Dabei kennt der Autor sichtlich keine Tabus, Tod und Komik gehen Hand in Hand, und auch Religion und Sexualität werden immer wieder verwoben. Teils geht es - sprachlich wie auch in der Handlung - recht derb und brutal zu, aber ohne Effekthascherei.
Protagonist Gestur ist eine faszinierende literarische Figur. Trotz der Schicksalsschläge, die ihn ereilen, bewahrt er sich eine unerschütterliche Lebenskraft und einen staubtrockenen Humor. Er ist ein Symbol für die Widerstandsfähigkeit und den Kampfgeist der Isländer, ein moderner Schelm, der uns zeigt, dass selbst in den dunkelsten Zeiten ein Lichtschein – oder 60 Kilo Sonnenschein – Hoffnung geben kann.
Obwohl tief in der isländischen Geschichte verankert, greift "60 Kilo Sonnenschein" universelle Themen auf: Armut, soziale Ungerechtigkeit, den Konflikt zwischen Tradition und Fortschritt sowie die Suche nach Identität und Freiheit. Es ist ein Roman über das Überleben – körperlich, emotional und spirituell.
Fazit: Hallgrímur Helgason hat mit "60 Kilo Sonnenschein" einen modernen Klassiker geschaffen. Es ist ein Buch, das mich tief bewegt hat, zum Lachen brachte und staunen ließ, es berührt Herz und Verstand gleichermaßen. Wer sich auf diese intensive literarische Reise einlässt, wird mit einem Werk belohnt, das in Erinnerung bleibt – ein strahlender Sonnenstrahl in der Welt der zeitgenössischen Literatur. Unbedingt lesen!