Magisterarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,0, Ludwig-Maximilians-Universität München (Institut für deutsche Philologie), Sprache: Deutsch, Abstract: Das natürliche Verhalten des Menschen legt ihm nahe, bevorzugt aus subjektiver Perspektive zu entscheiden, zu handeln und zu urteilen. Die Kunst der Intersubjektivität scheint im Alltagsleben noch realisierbar, stößt aber unmittelbar an ihre Grenzen, wenn es darum geht, außergewöhnliche Phänomene nachzuvollziehen. Es stellt sich schnell die Frage danach, wie und warum ein derart dem eigenen Ich fremdes Verhalten existieren kann. Aufgehellt wird dieses ein Übermaß an sozialer Kompetenz postulierende Verhalten durch die Frage nach Motiven. Denn diese liefern oftmals eine Antwort darauf, was uns so unvorstellbar erscheint. Das ist wohl auch der Grund dafür, warum in der Literatur eine tiefgründige Motivik zu finden ist. Mit Hilfe dieser Handlungsketten und Schemata ist es oftmals möglich, einem literarischen Werk Sinn zu verleihen und die Frage nach der "tieferen Botschaft" zu klären. Dabei ist eines der wohl beliebtesten Motive in der Literatur das Motiv des Inzests, das aufgrund seines ambivalenten Charakters stets von neuem fasziniert. Dabei bindet sich die Inzestthematik an die unterschiedlichsten Sinnzusammenhänge: Sie ist Zeichen für Dekadenz ebenso wie für Utopie, sie beschreibt sowohl eine grausame Handlung als auch einen Liebesrausch. Und sie ist Ausdruck für Schöpfung wie auch für Destruktion. Inzest stellt sich als eine Thematik dar, die sich gegen Eindeutigkeit sperrt. Diese Uneindeutigkeit der Inzestthematik eröffnet gerade deshalb ein weitläufiges Spektrum, das auch innerfamiliäre Gewalt sowie seelischen und physischen Missbrauch implizieren kann - doch gerade auf literarischer Ebene ist häufig ein durchaus positiv konnotiertes Phänomen gemeint. In welchem Bedeutungszusammenhang das Motiv des Inzests zu setzen ist, in welchen (strukturellen) Kontexten es zutage tritt und welche Intention ein Autor bei der Verwendung dieses Motivs verfolgt, soll in der folgenden Arbeit untersucht werden. Dabei erfolgt die Beschäftigung mit dem Inzestmotiv anhand der Romane "Der Erwählte" (1951) von Thomas Mann und "Der Mann ohne Eigenschaften" (1930-1952) von Robert Musil. Im "Erwählten" wird dabei eine doppelte Inzestkonstellation aufgezeigt. Aus der Verbindung der Zwillinge Wiligis und Sibylla entspringt das Kind Grigorß, das später eine Beziehung zu seiner Mutter eingehen wird. Im "Mann ohne Eigenschaften" hingegen wird allein das Verhältnis der Geschwister Ulrich und Agathe thematisiert.
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