Die neue große Hitler-Biographie für unsere Zeit Wäre der größte Zivilisationsbruch in der Geschichte - der Vernichtungskrieg in Osteuropa und der Mord an den europäischen Juden - ohne Hitler denkbar gewesen? Mit souveräner Kennerschaft und auf der Basis neuer Quellen zeigt der Zeithistoriker Volker Ullrich, in welchem Ausmaß der Diktator den Charakter der Kriegführung und die Entwicklung zum Holocaust bestimmt hat. Deutlich wird: Die monströsen Verbrechen waren nur möglich, weil Hitler sich bis zuletzt auf die Kooperation der Generalität und breiter Teile der Gesellschaft verlassen konnte. In seiner meisterhaften Biographie gelingt es Volker Ullrich überzeugend, die Persönlichkeit Hitlers greifbar zu machen. Erst so wird erkennbar, wie all das geschehen konnte - und welchen Platz der Diktator in der Geschichte einnimmt. Eine glänzend geschriebene Darstellung auf dem letzten Stand der Forschung, die unser Bild von Hitler für lange Zeit maßgeblich prägen wird. Der viel beachtete erste Band behandelt die Jahre des Aufstiegs bis 1939. Der zweite Band zeichnet die Jahre des Untergangs nach - von der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs bis zum apokalyptischen Finale 1945.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Braucht es noch einen weiteren biografischen Versuch, fragt sich nicht nur Rezensent Klaus Hillenbrand, sondern auch Autor Volker Ullrich, der sie aber trotz Hitlers medialer Omnipräsenz und auch Kershaws Groß-Biografie aus den 90ern plausibel mit "Ja" beantworte, wie Hillenbrand meint. Der Rezensent findet Ullrichs nahe an der Person Hitler orientierten, aber weitgehend unvoyeuristischen Ansatz nicht reizlos: So erscheint der Diktator hier nicht als folgerichtige Emergenz oder gar "Marionette" der Geschichte, sondern als ein mit einigen Fähigkeiten beschlagener Akteur, ohne den sich die politische Inkarnation des Nazismus nicht schlüssig erklären lasse. Über weite Strecken "glänzend gelungen" sei der Versuch, die Person Hitler und die deutsche Geschichte miteinander zu verbinden, schreibt der Rezensent, nicht ohne allerdings darauf hinzuweisen, dass auch Ullrich die biografische Keimzelle von Hitlers Antisemitismus mangels Quellen nicht überzeugend isolieren kann. Anlass zu Kritik besteht für Hillenbrand unterdessen nur am Rande: Ullrich grabe sich zuweilen zu stark in Hitlers Persönlichkeit ein, präsentiere in Folge gelegentlich und ergehe sich in mitunter in Beschreibungen rein äußerlicher, aber erkenntnisloser Details.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.11.2013Ein unterschätzter Politiker
Frankfurter Premiere: Volker Ullrich spricht in der Historischen Villa Metzler über seine Hitler-Biographie
Er verfügte über eine demagogische Rednergabe. Er beherrschte die Kunst der Verstellung. Er hatte organisatorisches Talent und wusste gläubige Jünger ebenso um sich zu scharen wie gesellschaftlich bedeutende Kontakte zu knüpfen. Kurz: Adolf Hitler war ein raffiniert kalkulierender Politiker, der als solcher vor allem von den nationalkonservativen Ministern seines Kabinetts von 1933 unterschätzt wurde. Aber auch vorher schon hatten ihm die bayerischen Behörden den Wiederaufbau der NSDAP nach dem missglückten Novemberputsch von 1923 und den Aufstieg zum Reichskanzler nicht zugetraut. Von fünf Jahren Festungshaft brauchte er nur ein Dreivierteljahr abzusitzen. Und dann kam ihm 1929 auch noch die Weltwirtschaftskrise zu Hilfe, wie 1923 die Inflation.
"Wer weiß, ob er es sonst geschafft hätte", sagte Volker Ullrich in der Historischen Villa Metzler. Im Rahmen der vom Kulturamt veranstalteten "Frankfurter Premieren" stellte der Historiker den ersten Teil seiner bei S. Fischer erschienenen Hitler-Biographie vor, im steten Gespräch mit Hans Sarkowicz, Leiter des Ressorts Kultur, Bildung und künstlerisches Wort im Radiosender HR2-Kultur. Unter dem Titel "Adolf Hitler - Die Jahre des Aufstiegs" zeichnet Ullrich auf 800 Seiten und weiteren 200 Seiten Anmerkungen die Jahre des Nationalsozialismus bis zum Bruch des Münchner Abkommens durch Hitlers Übernahme Böhmens und Mährens als "Protektorat" im März 1939 nach. Ein weiterer Band über den Zweiten Weltkrieg ist geplant, aber wann er erscheint, weiß auch Ullrichs Lektor Walter Pehle nicht.
Beinahe skurril mutete die Auseinandersetzung zwischen den Gesprächspartnern über Hitlers vermeintliches "Elend" an, auf das Sarkowicz immer wieder zu sprechen kam. "Hitler war nicht elend", wiederholte Ullrich fast gebetsmühlenartig. Weder sei er im österreichischen Prekariat aufgewachsen (er habe vielmehr in einer gutsituierten Mittelstandsfamilie gelebt) noch sei er später ins Elend geraten. Als er 1918 aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrte, sei er ein Nobody gewesen, aber schon fünf Jahre später habe er als "König von München" Prominenz in ganz Deutschland genossen und danach die NSDAP von einer ideologischen Sekte mit 2,6 Prozent der Wählerstimmen (1928) zur ernstzunehmenden Partei mit 18 Prozent Stimmenanteil (1930) gemacht. Wie konnte es dazu kommen? Weil er eine so mediokre Figur war, wie manche Biographen vermuten?
Diesen Widerspruch wollte Ullrich lösen. Dafür hat er nicht nur die großen Vorgänger-Biographien von Joachim Fest und Ian Kershaw gelesen, sondern in den Archiven auch Nachlässe der Hitler-Entourage studiert, die erst allmählich eingesehen werden dürfen. Da der Diktator die meisten persönlichen Dokumente in den letzten Tagen des Krieges vernichten ließ, seien Briefe wie jene des jahrelang als Privatsekretär Hitlers tätigen Rudolf Heß an seine Eltern oder der Nachlass von Albert Speer umso wichtiger. München sei das ideale Biotop für Hitlers Aufstieg gewesen. Die führende Rolle der Juden in der Räterepublik von 1919 habe zu einer epidemischen Ausbreitung des Antisemitismus geführt. Auch Hitler sei damals zum fanatischen Antisemiten geworden.
Im Sommer 1933 habe er keine politischen Gegner mehr zu fürchten gehabt. Alle Förderer hätten seinen Machtinstinkt, seine taktische Gerissenheit unterschätzt. 1937 sei er von der Revision des Versailler Vertrags zur Expansion übergegangen. Beide Ziele, die Gewinnung neuen Lebensraums im Osten und die Vernichtung der europäischen Juden, seien eng miteinander verknüpft gewesen. Auch sei Hitler keineswegs Asket gewesen, sondern ein vielfacher Millionär, der modische Maßanzüge und Luxushotels zu schätzen gewusst habe, wie entsprechende Rechnungen belegten. Über Hitlers Liebesleben wollte Ullrich nicht spekulieren, jedenfalls habe Eva Braun seit 1932 eine starke emotionale Bedeutung für ihn besessen.
CLAUDIA SCHÜLKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Frankfurter Premiere: Volker Ullrich spricht in der Historischen Villa Metzler über seine Hitler-Biographie
Er verfügte über eine demagogische Rednergabe. Er beherrschte die Kunst der Verstellung. Er hatte organisatorisches Talent und wusste gläubige Jünger ebenso um sich zu scharen wie gesellschaftlich bedeutende Kontakte zu knüpfen. Kurz: Adolf Hitler war ein raffiniert kalkulierender Politiker, der als solcher vor allem von den nationalkonservativen Ministern seines Kabinetts von 1933 unterschätzt wurde. Aber auch vorher schon hatten ihm die bayerischen Behörden den Wiederaufbau der NSDAP nach dem missglückten Novemberputsch von 1923 und den Aufstieg zum Reichskanzler nicht zugetraut. Von fünf Jahren Festungshaft brauchte er nur ein Dreivierteljahr abzusitzen. Und dann kam ihm 1929 auch noch die Weltwirtschaftskrise zu Hilfe, wie 1923 die Inflation.
"Wer weiß, ob er es sonst geschafft hätte", sagte Volker Ullrich in der Historischen Villa Metzler. Im Rahmen der vom Kulturamt veranstalteten "Frankfurter Premieren" stellte der Historiker den ersten Teil seiner bei S. Fischer erschienenen Hitler-Biographie vor, im steten Gespräch mit Hans Sarkowicz, Leiter des Ressorts Kultur, Bildung und künstlerisches Wort im Radiosender HR2-Kultur. Unter dem Titel "Adolf Hitler - Die Jahre des Aufstiegs" zeichnet Ullrich auf 800 Seiten und weiteren 200 Seiten Anmerkungen die Jahre des Nationalsozialismus bis zum Bruch des Münchner Abkommens durch Hitlers Übernahme Böhmens und Mährens als "Protektorat" im März 1939 nach. Ein weiterer Band über den Zweiten Weltkrieg ist geplant, aber wann er erscheint, weiß auch Ullrichs Lektor Walter Pehle nicht.
Beinahe skurril mutete die Auseinandersetzung zwischen den Gesprächspartnern über Hitlers vermeintliches "Elend" an, auf das Sarkowicz immer wieder zu sprechen kam. "Hitler war nicht elend", wiederholte Ullrich fast gebetsmühlenartig. Weder sei er im österreichischen Prekariat aufgewachsen (er habe vielmehr in einer gutsituierten Mittelstandsfamilie gelebt) noch sei er später ins Elend geraten. Als er 1918 aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrte, sei er ein Nobody gewesen, aber schon fünf Jahre später habe er als "König von München" Prominenz in ganz Deutschland genossen und danach die NSDAP von einer ideologischen Sekte mit 2,6 Prozent der Wählerstimmen (1928) zur ernstzunehmenden Partei mit 18 Prozent Stimmenanteil (1930) gemacht. Wie konnte es dazu kommen? Weil er eine so mediokre Figur war, wie manche Biographen vermuten?
Diesen Widerspruch wollte Ullrich lösen. Dafür hat er nicht nur die großen Vorgänger-Biographien von Joachim Fest und Ian Kershaw gelesen, sondern in den Archiven auch Nachlässe der Hitler-Entourage studiert, die erst allmählich eingesehen werden dürfen. Da der Diktator die meisten persönlichen Dokumente in den letzten Tagen des Krieges vernichten ließ, seien Briefe wie jene des jahrelang als Privatsekretär Hitlers tätigen Rudolf Heß an seine Eltern oder der Nachlass von Albert Speer umso wichtiger. München sei das ideale Biotop für Hitlers Aufstieg gewesen. Die führende Rolle der Juden in der Räterepublik von 1919 habe zu einer epidemischen Ausbreitung des Antisemitismus geführt. Auch Hitler sei damals zum fanatischen Antisemiten geworden.
Im Sommer 1933 habe er keine politischen Gegner mehr zu fürchten gehabt. Alle Förderer hätten seinen Machtinstinkt, seine taktische Gerissenheit unterschätzt. 1937 sei er von der Revision des Versailler Vertrags zur Expansion übergegangen. Beide Ziele, die Gewinnung neuen Lebensraums im Osten und die Vernichtung der europäischen Juden, seien eng miteinander verknüpft gewesen. Auch sei Hitler keineswegs Asket gewesen, sondern ein vielfacher Millionär, der modische Maßanzüge und Luxushotels zu schätzen gewusst habe, wie entsprechende Rechnungen belegten. Über Hitlers Liebesleben wollte Ullrich nicht spekulieren, jedenfalls habe Eva Braun seit 1932 eine starke emotionale Bedeutung für ihn besessen.
CLAUDIA SCHÜLKE
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Noch mehr als andere Biografen zitiert Ullrich zeitgenössische Einschätzungen und Beobachtungen. Das verleiht seinem Buch eine Lebhaftigkeit, die sich mit Ullrichs gutem Stil vorzüglich ergänzt. Franziska Augstein Süddeutsche Zeitung 20131029
Eine inhaltlich wie sprachlich brillante Analyse. [...] Diese Biografie kann aufgrund ihrer plastischen Darstellung auch den an Geschichte interessierten Laien begeistern. Diethard Hennig Nürnberger Nachrichten 20190129