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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
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Gernot Böhme, emeritierter Professor für Philosophie an der TU Darmstadt, besuchte ein schon in die Jahre gekommenes Einkaufszentrum in Frankfurt am Main und brachte von dort "Sound-Bilder" mit: Fotos mit zugehörigen Tonaufnahmen. Eine Methode, schreibt er, die eine Innovation in der urbanistischen Forschung darstellen dürfte. Weil aber der Suhrkamp Verlag offenbar kein Einsehen hatte und dem Büchlein, das seinen zuerst 2012 veröffentlichten Aufsatz über "Flanieren in der Shoppingmall" enthält, keine CD beilegte, müssen wir uns mit den transkribierten Funden des Stadtethnologen bescheiden. Die Grundtonalität des Shoppingcenters, erfahren wir, bilden "Gespräche, Rufe, Kindergeschrei". Charakteristisch sei, dass die anzutreffende Multikulturalität "dem Sound unterschiedliche Idiome einschreibt", und "auffällig, dass sich die einzelnen Boutiquen jeweils einem eigenen Musikstil verschrieben haben". Wir staunen. Aber der Autor ist nun einmal für überraschende Einsichten gut, wozu auch jene gehört, die seine Ausführungen zum "Ästhetischen Kapitalismus" grundiert, dass nämlich der fortgeschrittene Kapitalismus nicht zuletzt auf Bedürfnisse nach Lebenssteigerung, Ausstattung, Lifestyle setzt. Wofür Böhme nicht einmal Sound-Bilder ins Feld führt. Durch das Frankfurter Nordwestzentrum fühlte er sich übrigens weniger an die Pariser Passagen erinnert, sondern mehr an die Galleria Vittorio Emanuele II in Mailand, bloß ohne den ganzen Luxus. Man besieht sich noch einmal die beigegebenen soundlosen Bilder und kommt darüber ins Sinnieren, wie treu Suhrkamp seine altgedienten Autoren doch manchmal pflegt.
hmay.
Gernot Böhme: "Ästhetischer Kapitalismus". Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 159 S., br., 14,40 [Euro].
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