Wenn ein neues Smartphone auf den Markt kommt, bilden sich frühmorgens Schlangen vor den palastartigen Shops. Das zeigt, dass es heute nicht nur um den Gebrauchswert einer Ware geht (dass man mit einem solchen Gerät telefonieren oder im Internet surfen kann), sondern auch um das, was Gernot Böhme als ihren »Inszenierungswert« bezeichnet. Die Inszenierung von Produkten und Lebensstilen ist ein zentrales Merkmal des ästhetischen Kapitalismus, dessen Erscheinungsformen Böhme nachspürt. Indem er sich mit der Ideologie des Wachstums, der Soundlandschaft in Shoppingcentern und dem Zusammenhang von Leistungsideologie und Konsum befasst, leistet er einen wichtigen Beitrag zu einer Rekonstruktion und Erweiterung der Theorie der Kulturindustrie auf den Bereich des Wirtschaftslebens.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D, I ausgeliefert werden.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Nur wenige Worte verliert der hier rezensierende Germanist Jochen Hörisch über Gernot Böhmes Essayband, den er zusammen mit Michael Hutters Studie "Ernste Spiele" bespricht. Die Ästhetisierung des Kapitalismus in Gestalt von "Gläsernen Manufakturen" oder superschicken Einkaufmalls werde hier reflektiert. Leicht süffisant klingt Hörischs Lob, dass man hier nochmal die gesammelten Thesen zur Kulturindustrie von Adorno bis Baudrillard besichtigen könne. Scheint ein bisschen retro zu sein.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.2016Den Sound bitte selbst dazudenken
Gernot Böhme, emeritierter Professor für Philosophie an der TU Darmstadt, besuchte ein schon in die Jahre gekommenes Einkaufszentrum in Frankfurt am Main und brachte von dort "Sound-Bilder" mit: Fotos mit zugehörigen Tonaufnahmen. Eine Methode, schreibt er, die eine Innovation in der urbanistischen Forschung darstellen dürfte. Weil aber der Suhrkamp Verlag offenbar kein Einsehen hatte und dem Büchlein, das seinen zuerst 2012 veröffentlichten Aufsatz über "Flanieren in der Shoppingmall" enthält, keine CD beilegte, müssen wir uns mit den transkribierten Funden des Stadtethnologen bescheiden. Die Grundtonalität des Shoppingcenters, erfahren wir, bilden "Gespräche, Rufe, Kindergeschrei". Charakteristisch sei, dass die anzutreffende Multikulturalität "dem Sound unterschiedliche Idiome einschreibt", und "auffällig, dass sich die einzelnen Boutiquen jeweils einem eigenen Musikstil verschrieben haben". Wir staunen. Aber der Autor ist nun einmal für überraschende Einsichten gut, wozu auch jene gehört, die seine Ausführungen zum "Ästhetischen Kapitalismus" grundiert, dass nämlich der fortgeschrittene Kapitalismus nicht zuletzt auf Bedürfnisse nach Lebenssteigerung, Ausstattung, Lifestyle setzt. Wofür Böhme nicht einmal Sound-Bilder ins Feld führt. Durch das Frankfurter Nordwestzentrum fühlte er sich übrigens weniger an die Pariser Passagen erinnert, sondern mehr an die Galleria Vittorio Emanuele II in Mailand, bloß ohne den ganzen Luxus. Man besieht sich noch einmal die beigegebenen soundlosen Bilder und kommt darüber ins Sinnieren, wie treu Suhrkamp seine altgedienten Autoren doch manchmal pflegt.
hmay.
Gernot Böhme: "Ästhetischer Kapitalismus". Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 159 S., br., 14,40 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gernot Böhme, emeritierter Professor für Philosophie an der TU Darmstadt, besuchte ein schon in die Jahre gekommenes Einkaufszentrum in Frankfurt am Main und brachte von dort "Sound-Bilder" mit: Fotos mit zugehörigen Tonaufnahmen. Eine Methode, schreibt er, die eine Innovation in der urbanistischen Forschung darstellen dürfte. Weil aber der Suhrkamp Verlag offenbar kein Einsehen hatte und dem Büchlein, das seinen zuerst 2012 veröffentlichten Aufsatz über "Flanieren in der Shoppingmall" enthält, keine CD beilegte, müssen wir uns mit den transkribierten Funden des Stadtethnologen bescheiden. Die Grundtonalität des Shoppingcenters, erfahren wir, bilden "Gespräche, Rufe, Kindergeschrei". Charakteristisch sei, dass die anzutreffende Multikulturalität "dem Sound unterschiedliche Idiome einschreibt", und "auffällig, dass sich die einzelnen Boutiquen jeweils einem eigenen Musikstil verschrieben haben". Wir staunen. Aber der Autor ist nun einmal für überraschende Einsichten gut, wozu auch jene gehört, die seine Ausführungen zum "Ästhetischen Kapitalismus" grundiert, dass nämlich der fortgeschrittene Kapitalismus nicht zuletzt auf Bedürfnisse nach Lebenssteigerung, Ausstattung, Lifestyle setzt. Wofür Böhme nicht einmal Sound-Bilder ins Feld führt. Durch das Frankfurter Nordwestzentrum fühlte er sich übrigens weniger an die Pariser Passagen erinnert, sondern mehr an die Galleria Vittorio Emanuele II in Mailand, bloß ohne den ganzen Luxus. Man besieht sich noch einmal die beigegebenen soundlosen Bilder und kommt darüber ins Sinnieren, wie treu Suhrkamp seine altgedienten Autoren doch manchmal pflegt.
hmay.
Gernot Böhme: "Ästhetischer Kapitalismus". Suhrkamp Verlag, Berlin 2016. 159 S., br., 14,40 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Die Lektüre dieses reich und sorgfältig illustrierten Buches ist ein lohnendes Investment und ein ästhetisches Vergnügen.« Jochen Hörisch Neue Zürcher Zeitung 20160512