Adler (1870-1937) stellt uns mit der Individualpsychologie (IP), einem vor allem aus der Therapiepraxis entstandenen psychologischen System, ein erstes Gesamtpsychotherapiemodell vor, das sowohl die normale Psyche als auch Neurosen, Psychosen, Psychopathien, Prävention und Rehabilitation umfasst. Aufgrund der Ergebnisse der Psychotherapieforschung ist die Suche nach einem umfassenden Psychotherapiemodell auch ein wichtiges Thema der Klinischen Psychologie heute. Die Arbeit soll einen Beitrag zur Beantwortung der Frage leisten, ob die IP als eine der ältesten Psychotherapie-Schulen im theoretischen Diskurs und in der psychotherapeutischen Praxis dennoch mit dem Erkenntnisstand der Akademischen Psychologie Schritt halten und in welchem Maß sie auch in unserer heutigen Gesellschaft in Deutschland Anteil an der Lösung oder Linderung psychischer Störungen und Krankheiten haben kann. Ihre Leistungsfähigkeit wird dadurch bewiesen, dass mit ihr auch die psychologischen und sozialen Phänomene einer späteren Epoche erklärt und verstanden werden können. Es geht also um das der IP immanente Entwicklungspotential, um seine konkrete Nutzung in der Gegenwart und um mögliche Entwicklungsbehinderungen. Schwerpunkt der Analyse ist die Entwicklung nach dem 2.Weltkrieg, besonders die Diskussionen, die in IP-Kreisen ab 1976 geführt wurden, dem Jahr, in dem der 1. Internationale Nachkriegskongress in Deutschland (München) stattfand. Auf diesem Kongress wurde die Frage nach der Identität der IP klar gestellt und äußerst kontrovers diskutiert.
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