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Muslim*Innen, die neben Allah die Göttin des Südmeeres verehren, das rituelle Fasten durch Arbeit ersetzen oder den Koran feministisch auslegen: Susanne Schröter führt kurzweilig durch unbekannte Kulturen des Islams, die vor allem eines gemeinsam haben: Sie gehören zu den bedrohten Arten, die von Fundamentalisten und Radikalen bekämpft werden. Das anschauliche Buch ist ein längst überfälliger Einspruch gegen die fatale Verkürzung der zweitgrößten Weltreligion auf wenige Prinzipien und eine Einladung, den Islam in all seiner Vielfalt und Farbigkeit neu zu entdecken. Die tanzenden Derwische in…mehr

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Produktbeschreibung
Muslim*Innen, die neben Allah die Göttin des Südmeeres verehren, das rituelle Fasten durch Arbeit ersetzen oder den Koran feministisch auslegen: Susanne Schröter führt kurzweilig durch unbekannte Kulturen des Islams, die vor allem eines gemeinsam haben: Sie gehören zu den bedrohten Arten, die von Fundamentalisten und Radikalen bekämpft werden. Das anschauliche Buch ist ein längst überfälliger Einspruch gegen die fatale Verkürzung der zweitgrößten Weltreligion auf wenige Prinzipien und eine Einladung, den Islam in all seiner Vielfalt und Farbigkeit neu zu entdecken. Die tanzenden Derwische in der Türkei haben eine eigene Orthodoxie ausgebildet, während es auf dem Balkan seit langem einen unorthodoxen, genuin europäischen Islam gibt. Im Sudan unterläuft der Zar-Kult rigide Scharia-Regeln. Im Senegal leiten mächtige Scheichs zu einem Leben im Rhythmus von Gebet, Arbeit und Musik an. In Malaysia existieren alte muslimische Matriarchate, während in den USA eine progressive muslimische Subkultur blüht und in Deutschland liberale Vereinigungen mit Imaminnen entstehen. Mit den Ibaditen im Oman ist eine traditionell tolerante Glaubensrichtung zu entdecken. In Pakistan haben sich Sufi-Heiligtümer zu gesellschaftlichen Freiräumen entwickelt, auch für Transgender. Auf der Insel Java ist der Islam mit Hinduismus und Buddhismus verschmolzen, und in China entwickelt sich unter den Augen der KP ein interreligiöser Islam. Susanne Schröters erstaunliche Reise durch das islamische Multiversum zeigt auf schönste Weise, dass die zweitgrößte Weltreligion vielfältiger, diverser, kreativer und pragmatischer ist, als es uns islamische Fundamentalisten und wütende Islamkritiker glauben machen wollen.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Susanne Schröter lehrt Ethnologie an der Universität Frankfurt a.M., leitet das Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam (FFGI) und nimmt daneben weitere Aufgaben wahr, u.a. als Senatorin der Deutschen Nationalstiftung und Vorstandsmitglied des Deutschen Orient-Instituts.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Lutz Berger empfiehlt Susanne Schröter als Reiseleiterin durch die Vielfalt der Varianten des Islams. Von türkischen Derwischen über die senegalesischen Anhänger Amadou Bambas und Geisterkulte im Sudan bis zu den pakistanischen Hijras und zum indonesischen Islam folgt Berger der Autorin. Kompetent, ausgewogen und lehrreich findet er Schröters Darstellung der jeweiligen sozialen und kulturellen Kontexte. Sichtbar wird für den Rezensenten, wo sich Tradition und Gegenwart reiben, aber auch, dass die Abgrenzung der vorgestellten Islamformen vom Fundamentalismus nicht immer so einfach ist.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.08.2021

Wo genau beginnt der Fundamentalismus?
Reibungspunkte mit der modernen Welt: Susanne Schröter manövriert durch die kulturelle Vielfalt des Islams

Das neue Buch von Susanne Schröter, eine "Reise durch das islamische Multiversum", versteht sich als Einspruch gegen die Verkürzung des Islams auf "Fundamentalisten und Radikale". Die Autorin stellt einen anderen Islam vor oder besser: die verschiedenen Islame, die über Jahrhunderte auf unterschiedlichen kulturellen Nährböden gewachsen sind oder in jüngster Zeit erst neu entstehen.

Sie beginnt ihre Reise bei den Mevlevi- und Naqschbandi-Derwischen in der Türkei. In knappen und kompetenten Darlegungen wird deutlich, wie in diesen Varianten des türkischen Sufismus Kunstsinnigkeit, mystische Gottesliebe und (eben doch) strikteste Einhaltung von religiösen Normen sowie islamistischer politischer Aktivismus eine immer wieder neu sich konfigurierende Verbindung eingegangen sind. Bereits hier zeigt sich, dass eine klare Abgrenzung von "Fundamentalisten und Radikalen" von anderen Muslimen nicht immer einfach ist.

An strikte Interpretationen der Scharia gebundenes Sufitum war und ist im Osmanischen Reich und seinen Nachfolgestaaten auf dem Balkan nicht die einzige Form islamischer Mystik. Das wird im folgenden Kapitel beschrieben. Am Beispiel Albaniens sieht man darüber hinaus, dass nationalistische Ideologien durchaus in der Lage sind, in einer religiösen Gemengelage über die Konfessionen hinweg Einheit zu stiften. Der Krieg im nahen Bosnien in den neunziger Jahren war nicht die Konsequenz eines angeblich grundsätzlich unmöglichen Zusammenlebens von Christen und Muslimen, sondern eines gescheiterten Nation Building.

Die Reise führt den Leser dann in den Senegal zu den unermüdlich arbeitenden und Handel im großen Stil treibenden (und zum Teil sich um die Scharia nicht besonders sorgenden) Adepten des Amadou Bamba. Diese bilden das wichtigste sozial-religiöse Netzwerk des Landes mit gewaltigem Einfluss auch auf das politische Geschehen. Weiter führt uns die Verfasserin zu den Frauen in Sudan und ihren Geisterkulten, zu den Ibaditen Omans, den Hijras (Transgender) in Pakistan, zu progressiven Muslimen, die im Westen Zuflucht gesucht und den modernistischen Islam in den Vereinigten Staaten und in Deutschland begründet haben. Wir gelangen in die Welt matriarchalischer Strukturen in Malaysia, die im Zuge einer "islamischen Globalisierung" von Konservativen kritisiert werden, während gleichzeitig von Amerika angeregte muslimische Feministinnen das neue Konzept der Gleichberechtigung der Geschlechter islamisch zu begründen suchen.

Weiter geht es nach Indonesien, wo ältere lokale oder hinduistische Vorstellungen (etwa von der Göttin des Südmeers, die durch einschlägige Riten besänftigt werden muss) über Jahrhunderte in enger Symbiose mit dem Islam lebten. Erst im zwanzigsten Jahrhundert wird dieser spezifisch indonesische Islam vor allem in den Städten zunehmend von einem globalen Islam verdrängt. Eine ähnliche Verbindung mit einheimischen Traditionen ist der Islam über lange Jahrhunderte in China eingegangen. Sowohl fundamentalistische Strömungen als auch die Sorge der Regierung vor unkontrollierbaren fremden Religionen, die auch den Katholiken zu schaffen macht, führten in den letzten Jahren zunehmend zu Konflikten.

Wohin man mit der Verfasserin auch gelangt, man lernt auf leichte Weise ungeheuer viel. Nicht zuletzt, dass die islamische Welt bunt und nicht allein islamisch ist. Die Verfasserin idealisiert oder verteufelt nichts, sie ordnet alle Phänomene kenntnisreich und mit sicherem Urteil in ihre sozialen und kulturellen Kontexte ein und verdeutlicht so die ganze Komplexität des gelebten Islams und seine Reibungspunkte mit einer sich verändernden Welt. Das geschieht etwa am Beispiel der Kinder, die im Senegal von Sufimeistern erzogen werden, indem man sie zum Betteln schickt. Was über Jahrhunderte normal war, erscheint heute, da moderne Bildung über Lebenschancen entscheidet und die Vorstellungen von individuellen Kinderrechten andere sind denn ehedem, als Problem.

Antworten auf Probleme von traditionellen Muslimen in der heutigen globalisierten Welt gibt nicht allein die säkularisierte individualistische Moderne. Diese Antworten, das wird auch von der Verfasserin immer wieder angesprochen, gibt auf seine Weise auch ein "fundamentalistischer", von äußeren Beimischungen angeblich "gereinigter" Islam; genau jener Islam also, der hier als Gegner der untersuchten Erscheinungsformen des Islams beschrieben wird.

Die vorgenommene Auswahl könnte den Leser, wenn er nicht genau liest, zu der Annahme verleiten, es gebe eine vom beschriebenen Multiversum abgrenzbare Einförmigkeit eines "fundamentalistischen" Islams. Die Zwölferschiiten, die türkischen Naqschbandis, aber auch die omanischen Ibaditen und andere zeigen, dass die Abgrenzung des Fundamentalismus von anderen Formen von Islam problematisch ist. Was allen "Orthodoxien" gemeinsam ist, ist womöglich nur ihre Ablehnung von offenem Synkretismus und ein ängstliches Bemühen, die eigene Identität sauber von anderen zu trennen. Mit Thomas Bauer könnte man hier von Ambiguitätsintoleranz sprechen. Damit wäre der zeitgenössische "fundamentalistische" Islam in der klassischen Moderne verortet. Dazu passt (und darauf verweist die Verfasserin immer wieder), dass diese "Fundamentalismen" in der islamischen Welt besonders in städtischen, modernisierten Milieus gedeihen.

Gerade weil alles nicht so einfach ist, möchte man nach Ende der ebenso kurzweiligen wie lehrreichen Reise durch das islamische Multiversum hoffen, dass sich die Verfasserin in einem Folgeband auch der "Orthodoxen" in ihrer ganzen Vielfalt und inneren Widersprüchlichkeit annimmt. LUTZ BERGER

Susanne Schröter: "Allahs Karawane". Eine Reise durch das islamische Multiversum.

Verlag C. H. Beck, München 2021. 203 S., Abb., br., 16,95 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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