Was macht einen guten inklusiven Unterricht aus? Wie können Lehr-Lernsituationen in leistungsheterogenen Gruppen so gestaltet werden, dass alle Schülerinnen und Schüler davon profitieren? Frank Borsch gibt pädagogisch-psychologisches Wissen an die Hand, um den Herausforderungen des Unterrichts rund um Inklusion souverän begegnen zu können. Warum ist Diagnostik notwendig? Wie kann die Lernentwicklung aller Schülerinnen und Schüler im Blick behalten werden? Welche Hilfe benötigen Schülerinnen und Schüler mit Schwierigkeiten beim Lernen und Verhalten? Wie können unterschiedliche Lernleistungen bewertet werden? Wie gelingt die Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams? Das Buch gibt Antworten auf diese und weitere Fragen zur schulischen Inklusion.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.09.2018Ohne Kontrolle und Disziplin geht es nicht
Ein Frankfurter Uni-Psychologe gibt Ratschläge für den inklusiven Unterricht
zos. FRANKFURT. Dass Inklusion funktionieren kann, weiß Frank Borsch aus eigener Anschauung. Seine beiden Töchter sind auf Schulen gegangen, in denen behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam unterrichtet werden. Auch ist der Akademische Oberrat der Goethe-Universität des Öfteren selbst in Schulen mit inklusivem Anspruch zu Gast: Als Ausbilder betreut er Studenten, die sich in Praktika auf den Lehrerberuf vorbereiten. Erst kürzlich hat Borsch die Römerstadtschule besucht - die Frankfurter Grundschule war 2014 für ihr Inklusionsmodell im Wettbewerb um den Deutschen Schulpreis mit einem zweiten Preis ausgezeichnet worden.
Dem Dozenten sind aber auch die Schwierigkeiten nicht verborgen geblieben, die das gemeinsame Lernen sehr unterschiedlich begabter Schüler mit sich bringt. Gerade wenn Teamarbeit gefordert ist, stoßen die Bemühungen der Lehrer öfter an Grenzen. Um angehenden und schon im Beruf stehenden Pädagogen Hilfen an die Hand zu geben, hat Borsch, der am Institut für Psychologie lehrt, ein Buch geschrieben: In dem kleinen Band erklärt er, wie inklusiver Unterricht in der Praxis aussehen kann und wie sich dessen Erfolg beurteilen lässt.
Schon im Vorwort gibt sich Borsch als "großer Befürworter" der Inklusion zu erkennen. Er gibt aber zu, dass es "noch ein langer Weg bis zu einer wirklich inklusiven Gesellschaft ist". Die Effektivität des gemeinsamen Lernens wissenschaftlich zu beurteilen sei nicht einfach - vor allem, weil es an Studien fehle, die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge nachwiesen und standardisierte Tests verwendeten. Internationale Forschungsresultate deuteten aber darauf hin, dass zum Beispiel lernbeeinträchtigte Kinder an inklusiven Schulen ebenso gute, teils sogar bessere Leistungen erbrächten als an Förderschulen.
In seinem Buch "aus Platzgründen" ausgelassen hat Borsch nach eigenen Worten die Frage, wie sich Inklusion auf die Leistungen der nicht förderbedürftigen Schüler auswirkt - ein Aspekt, der ihren Eltern oft Sorge bereitet. Auf Nachfrage teilt der Autor mit, die Sachlage erscheine ihm eindeutig: Normal oder hoch leistungsfähige Schüler würden im inklusiven Unterricht nicht benachteiligt, wenn die Lehrer ausreichend auf deren Bedürfnisse eingingen. Studien zu diesem Thema wiesen darauf hin, dass die oft bessere Ausstattung und das stärkere Bemühen um schülerorientierten Unterricht in solchen Klassen allen Kindern zugute kämen.
Damit wird auch klar, woran Inklusion allzu oft scheitert - an den personellen und materiellen Voraussetzungen. Borsch hebt aber hervor, dass auch günstige Rahmenbedingungen noch keinen guten Unterricht garantierten. Entscheidend sei, dass die Lehrer das theoretische Rüstzeug für diese Aufgabe mitbrächten. Dazu gehört für ihn das Wissen über die Anwendung von Lerndiagnostik. Nur die regelmäßige Überprüfung der Fortschritte stelle sicher, dass Schwierigkeiten rechtzeitig erkannt würden.
Sein Buch befasst sich auch ausführlich mit den Möglichkeiten, die ein Lehrer hat, um in seiner Klasse für ein gutes Lernklima, aber ebenso für Disziplin und Struktur zu sorgen. Gerade Letzteres ist gefordert, wenn sozial oder emotional schwer gestörte Kinder in einer Regelschule unterrichtet werden sollen. Hier stellt sich die Frage des Vertretbaren am dringlichsten, während der inklusive Unterricht von Körperbehinderten mittlerweile praktisch unumstritten ist und auch die Integration von Schülern mit intellektuellen Defiziten nach Borschs Eindruck immer besser gelingt.
Kann ein Kind, das hochaggressiv oder extrem unkonzentriert ist, eine normale Schule besuchen, oder ist hier nicht doch die Förderschule die bessere Wahl? "Ich glaube, dass es Fälle gibt, in denen Inklusion sehr schwierig ist", sagt Borsch. Er bezweifle aber trotzdem, dass der Besuch einer Förderschule dann zwingend sei. Ihm erscheint es denkbar, auch solche Kinder an einer regulären Schule zu unterrichten, allerdings womöglich getrennt von den anderen Schülern. In Skandinavien werde das so praktiziert. "Bedeutet Inklusion, dass alle immer im gleichen Raum unterrichtet werden? Ich meine, nein."
Frank Borsch: "Alle lernen gemeinsam! Pädagogisch-psychologisches Wissen für den inklusiven Unterricht". Vandenhoeck & Ruprecht Verlage, 160 Seiten, 18 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Frankfurter Uni-Psychologe gibt Ratschläge für den inklusiven Unterricht
zos. FRANKFURT. Dass Inklusion funktionieren kann, weiß Frank Borsch aus eigener Anschauung. Seine beiden Töchter sind auf Schulen gegangen, in denen behinderte und nichtbehinderte Kinder gemeinsam unterrichtet werden. Auch ist der Akademische Oberrat der Goethe-Universität des Öfteren selbst in Schulen mit inklusivem Anspruch zu Gast: Als Ausbilder betreut er Studenten, die sich in Praktika auf den Lehrerberuf vorbereiten. Erst kürzlich hat Borsch die Römerstadtschule besucht - die Frankfurter Grundschule war 2014 für ihr Inklusionsmodell im Wettbewerb um den Deutschen Schulpreis mit einem zweiten Preis ausgezeichnet worden.
Dem Dozenten sind aber auch die Schwierigkeiten nicht verborgen geblieben, die das gemeinsame Lernen sehr unterschiedlich begabter Schüler mit sich bringt. Gerade wenn Teamarbeit gefordert ist, stoßen die Bemühungen der Lehrer öfter an Grenzen. Um angehenden und schon im Beruf stehenden Pädagogen Hilfen an die Hand zu geben, hat Borsch, der am Institut für Psychologie lehrt, ein Buch geschrieben: In dem kleinen Band erklärt er, wie inklusiver Unterricht in der Praxis aussehen kann und wie sich dessen Erfolg beurteilen lässt.
Schon im Vorwort gibt sich Borsch als "großer Befürworter" der Inklusion zu erkennen. Er gibt aber zu, dass es "noch ein langer Weg bis zu einer wirklich inklusiven Gesellschaft ist". Die Effektivität des gemeinsamen Lernens wissenschaftlich zu beurteilen sei nicht einfach - vor allem, weil es an Studien fehle, die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge nachwiesen und standardisierte Tests verwendeten. Internationale Forschungsresultate deuteten aber darauf hin, dass zum Beispiel lernbeeinträchtigte Kinder an inklusiven Schulen ebenso gute, teils sogar bessere Leistungen erbrächten als an Förderschulen.
In seinem Buch "aus Platzgründen" ausgelassen hat Borsch nach eigenen Worten die Frage, wie sich Inklusion auf die Leistungen der nicht förderbedürftigen Schüler auswirkt - ein Aspekt, der ihren Eltern oft Sorge bereitet. Auf Nachfrage teilt der Autor mit, die Sachlage erscheine ihm eindeutig: Normal oder hoch leistungsfähige Schüler würden im inklusiven Unterricht nicht benachteiligt, wenn die Lehrer ausreichend auf deren Bedürfnisse eingingen. Studien zu diesem Thema wiesen darauf hin, dass die oft bessere Ausstattung und das stärkere Bemühen um schülerorientierten Unterricht in solchen Klassen allen Kindern zugute kämen.
Damit wird auch klar, woran Inklusion allzu oft scheitert - an den personellen und materiellen Voraussetzungen. Borsch hebt aber hervor, dass auch günstige Rahmenbedingungen noch keinen guten Unterricht garantierten. Entscheidend sei, dass die Lehrer das theoretische Rüstzeug für diese Aufgabe mitbrächten. Dazu gehört für ihn das Wissen über die Anwendung von Lerndiagnostik. Nur die regelmäßige Überprüfung der Fortschritte stelle sicher, dass Schwierigkeiten rechtzeitig erkannt würden.
Sein Buch befasst sich auch ausführlich mit den Möglichkeiten, die ein Lehrer hat, um in seiner Klasse für ein gutes Lernklima, aber ebenso für Disziplin und Struktur zu sorgen. Gerade Letzteres ist gefordert, wenn sozial oder emotional schwer gestörte Kinder in einer Regelschule unterrichtet werden sollen. Hier stellt sich die Frage des Vertretbaren am dringlichsten, während der inklusive Unterricht von Körperbehinderten mittlerweile praktisch unumstritten ist und auch die Integration von Schülern mit intellektuellen Defiziten nach Borschs Eindruck immer besser gelingt.
Kann ein Kind, das hochaggressiv oder extrem unkonzentriert ist, eine normale Schule besuchen, oder ist hier nicht doch die Förderschule die bessere Wahl? "Ich glaube, dass es Fälle gibt, in denen Inklusion sehr schwierig ist", sagt Borsch. Er bezweifle aber trotzdem, dass der Besuch einer Förderschule dann zwingend sei. Ihm erscheint es denkbar, auch solche Kinder an einer regulären Schule zu unterrichten, allerdings womöglich getrennt von den anderen Schülern. In Skandinavien werde das so praktiziert. "Bedeutet Inklusion, dass alle immer im gleichen Raum unterrichtet werden? Ich meine, nein."
Frank Borsch: "Alle lernen gemeinsam! Pädagogisch-psychologisches Wissen für den inklusiven Unterricht". Vandenhoeck & Ruprecht Verlage, 160 Seiten, 18 Euro
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