Zeit für eine neue Zeitkultur!
Alle_Zeit von Teresa Bücker ist ein sehr wichtiges, kluges, gut recherchiertes und argumentiertes Buch, das aber auch traurig stimmt, da so viele offensichtliche und logische Gedanken und Schlussfolgerungen in der Realität der gegenwärtigen Gesellschaft bisher nur
wenige Auswirkungen gefunden haben, obwohl wie nahegelegt eine sehr viel gerechtere, gesündere,…mehrZeit für eine neue Zeitkultur!
Alle_Zeit von Teresa Bücker ist ein sehr wichtiges, kluges, gut recherchiertes und argumentiertes Buch, das aber auch traurig stimmt, da so viele offensichtliche und logische Gedanken und Schlussfolgerungen in der Realität der gegenwärtigen Gesellschaft bisher nur wenige Auswirkungen gefunden haben, obwohl wie nahegelegt eine sehr viel gerechtere, gesündere, zufriedenere Realität möglich wäre, wenn nur die verfügbare Zeit für alle gleichmäßiger aufgeteilt wäre, und auch alle tatsächlich über diese Zeit verfügen könnten.
Das Buch liest sich für ein derartiges Sachbuch sehr flüssig und angenehm, hier merkt man eindeutig den journalistischen Hintergrund der Autorin. Allerdings hätte es für mein Empfinden an vielen Stellen deutlich gestrafft werden können, da viele Punkte und Ideen wiederholt ausgeführt wurden. Da ich mich allerdings selbst schon länger mit der Thematik beschäftige, ist mein Blick auf die Sachverhalte sicher auch ein anderer als der von Lesenden, die sich mit diesen Gedanken noch nicht so auseinandergesetzt haben.
Trotzdem muss man sich auch dessen bewusst sein, dass man aus einer privilegierten Position überhaupt die Zeit hat, sich mit einem Buch wie diesem zu beschäftigen, während gerade denjenigen, denen Teresa Bückers Gedanken am meisten mit einer neuen Sicht auf ihr Verhältnis zur Zeit helfen könnten, wohl kaum die Lektüre dieses vergleichsweise umfangreichen Buches neben ihren täglichen Aufgaben priorisieren können und/oder wollen. Aber auch deshalb ist natürlich die Gesellschaft als Ganzes gefragt, denjenigen, deren Zeit zu einem Großteil anderen gehört, die Kontrolle und Entscheidungsfreiheit über die eigene Zeit zurückzugeben.
Obwohl ich im Allgemeinen die genderspezifische Zuordnung bestimmter Farben ablehne, finde ich hier die Designentscheidung, den Buchumschlag knallpink mit rosa Lesebändchen zu gestalten, eher fragwürdig, schließlich wird diese Farbe doch generell stark feminin gelesen. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass Frauen weltweit aufgrund von u.a. ungleich verteilter Care-Arbeit tatsächlich deutlich weniger Zeit zur freien Verfügung haben, und das Buch eine neue Zeitkultur als Schlüssel zur Geschlechtergerechtigkeit vorschlägt, wäre das Ziel absolut verfehlt, wenn diese nur als Frauenthema vermarktet und gesehen würde. Vielleicht ist es aber auch eine bewusste Entscheidung, und männlich identifizierende Leser haben inzwischen keinerlei Probleme damit, ein pinkfarbenes Buch beispielsweise in der U-Bahn in die Hand zu nehmen - dann wäre die Gesellschaft tatsächlich schon weiter als gedacht, was natürlich auch eine begrüßenswerte Entwicklung wäre.
Ich hoffe sehr, dass Alle_Zeit und die darin vorgestellten Thesen und Handlungsvorschläge viel verdiente Aufmerksamkeit bekommen, um die nötigen Änderungen auf politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und persönlichen Ebenen anzustoßen, damit die Gesellschaftsaufgabe Zeitgerechtigkeit keine Utopie bleibt.