Für die Literatur ein Glücksfall! War Max Brods Missachtung von Kafkas Notiz juristisch ein Fehler? Als Franz Kafka am 3. Juni 1924 starb, hatte er einen großen Teil seiner Papiere bereits selbst vernichtet, nur wenig war zu Lebzeiten veröffentlicht worden. Kafkas Freund, der Prager Schriftsteller Max Brod, fand zwei schriftliche Verfügungen Kafkas vor, die ihn aufforderten, den bei Kafkas Tode noch vorhandenen literarischen Nachlass einschließlich aller Briefe nicht nur nicht zu lesen und zu veröffentlichen, sondern unwiederbringlich zu vernichten. Ulrich Fischer analysiert auf der Basis der damals geltenden Rechtslage die Rechtsqualität und Rechtswirkungen dieser Verfügungen und konfrontiert sie mit dem Handeln Max Brods, der sich bekanntlich nicht an die Anweisung des Freundes gehalten hat. Die Rettung des Werks für die Weltliteratur war nicht nur moralisch, sondern - wie detailliert beschrieben - auch juristisch gerechtfertigt. Das verändert den Blick auf Kafkas angebliches Testament und Brods Handeln, wie es bisher in der Forschung diskutiert wurde.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Eigentlich sollte Kafkas Freund Max Brod alle dessen Schriften verbrennen, zum Glück hat er sich nicht darangehalten, erinnert Rezensent Paul Jandl. Der Jurist Ulrich Fischer hat nun ein Buch darüber geschrieben, warum das nicht nur für die Literaturgeschichte, sondern auch aus juristischer Perspektive richtig war. Mit der handschriftlichen Verfügung Kafkas hat dieser eine sogenannte "perplexe Rechtslage" geschaffen, was bedeutet, dass sich mehrere Bestimmungen rechtlich widersprechen und sich dieser Widerspruch nicht auflösen lässt, erfahren wir. Ulrich Fischer widmet sich in seiner manchmal etwas sperrig formulierten Darstellung einer Verbindung von rechtlichen Fragen und Kulturgeschichte, so kommen auch Äußerungen jener zur Sprache, die Brods Handeln als unmoralisch ablehnten. Eine komplizierte Geschichte, die Jandl wie folgt resümiert: "Da ist er ganz, der Kafka Franz."
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»ein wahnsinnig interessantes Buch« (Johanna Adorján, Süddeutsche Zeitung Magazin, 31.05.2024) »Fischer hat eine knappe und zwischen juristischer Akribie und erkennbarer Lust am Absurden flirrende, rechtliche Erörterung geschrieben« (Ronen Steinke, Süddeutsche Zeitung, 13.11.2024)