Wer aufmerksam die Buchneuerscheinungen studiert, die alltäglichen Fernsehprogramme, die Theaterinszenierungen oder Ausstellungseröffnungen verfolgt … der wird es sicher selbst schon festgestellt haben: was uns da als Kultur vorgesetzt wird, ist häufig nur noch Quotenhascherei, Spektakel und
Voyeurismus.
Was wir nur unbestimmt fühlen oder ahnen, hat nun der peruanische Literaturnobelpreisträger…mehrWer aufmerksam die Buchneuerscheinungen studiert, die alltäglichen Fernsehprogramme, die Theaterinszenierungen oder Ausstellungseröffnungen verfolgt … der wird es sicher selbst schon festgestellt haben: was uns da als Kultur vorgesetzt wird, ist häufig nur noch Quotenhascherei, Spektakel und Voyeurismus.
Was wir nur unbestimmt fühlen oder ahnen, hat nun der peruanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa in seinem Essay „Alles Boulevard“ kritisch analysiert. Die vergangene Kultur nahm für sich noch in Anspruch, „die Gegenwart zu transzendieren und zu überdauern“, während der heutige Kulturbetrieb Produkte auf den Markt wirft, die „wie Kekse oder Popcorn“ konsumiert werden sollen. Ausführlich versucht Llosa zu beschreiben, wie es zu diesem Kulturwandel in den letzten fünfzig Jahren gekommen ist.
In sechs thematischen Kapiteln untersucht der Autor die Banalisierung der Kultur in den unterschiedlichsten Bereichen, so das Zusammenspiel von Politik, Gesellschaft und Kultur: „Ein weiterer heikler Aspekt, der die Demokratie schwächt, ist die Abkehr vom Gesetz, auch dies eine Folge der Kultur des Spektakels“. Er beklagt den Zerfall der Bildung und den Verlust der Gesellschaftsidentität. Auch mit seiner Kritik an den Religionen, Sekten und exotischen Glaubensvorstellungen hält er nicht hinter dem Berg. „Der kunterbunte Amüsierbetrieb“ ist für ihn nicht nur ein Orwellscher Albtraum, sondern eine sehr realistische Möglichkeit für die am weitesten entwickelten Nationen.
Als Leser mag man diesen kritischen Kultur-Rundumschlag selbst kritisch bewerten oder bei Llosa keine wesentlich neuen Argumente des Kulturpessimismus entdecken, so bietet „Alles Boulevard“ doch zahlreiche nachdenkliche Anregungen zur persönlichen Meinungsbildung. Ein unbequemes Buch, das aber auch den Blick schärft. Und da es von keinem Kulturwissenschaftler sondern von einem Schriftsteller von Weltrang verfasst ist, eine gut lesbare Lektüre.