Ob durch Werbung, Ratgeber oder digitale Hilfsmittel – wir werden unablässig dazu animiert, uns selbst zu optimieren. Der Impuls, sich zu verändern, gehört zum Menschsein. Daraus speist sich die positive Botschaft der Selbstoptimierung: Wir können etwas für unsere Gesundheit und unser Glück tun. Heutzutage ist daraus eine Verheißung geworden: Glück und Erfolg seien nur eine Frage der bewussten Einstellung und des richtigen "Mindsets". Michael Girkinger geht der Frage nach, was hinter dem Drang zur Selbstoptimierung steckt. Ideengeschichtlich ist sie eine Fortsetzung von Individualisierungsprozessen, die bis zum Beginn der Neuzeit zurückreichen. Der steigende Wohlstand und mehr Freizeit haben es ermöglicht, dass sich die Menschen mehr mit sich selbst beschäftigen. Die Konsum- und Werbeindustrie trägt ihren Teil dazu bei, indem sie immer neue Schönheits-, Wohlfühl- und Leistungsideale verkauft. Wettbewerb und technischer Fortschritt zwingen die Menschen, sich anzupassen und zu verbessern. Selbstoptimierung kann ein lustvoller Prozess sein, bei dem die Menschen entdecken, dass mehr möglich ist, als sie dachten. Sie ist, wo sie freiwillig passiert, ein Privileg, das die Mehrheit der Menschheit gar nicht besitzt. Doch Selbstoptimierung wirkt auch als indirekter Zwang, wo Menschen auf den Ausbildungs-, Berufs- oder Beziehungsmärkten unter Konkurrenzdruck geraten. Zusätzlich Druck entsteht durch die Vorstellung, dass Erfolg allein in der eigenen Verantwortung liegt, während individuelle Umstände oder die sozialen Verhältnisse ausgeblendet werden. Subtiler kann sich ein indirekter Zwang zur Selbstoptimierung dort zeigen, wo wir versuchen, verinnerlichten Idealen eines gelungenen Lebens zu entsprechen: der ideale Job, die ideale Work-Life-Balance oder die ideale Partnerschaft. Nicht selten führt dieser Zwang zum Glück in die Überforderung und den Burn-Out.