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Sabine Peters Roman entführt den Leser in den herbstlichen Süden, aber thematisiert werden die brennenden Fragen unserer Gegenwart, so beiläufig wie tiefsinnig. Zwei Künstlerinnen in der urtümlichen Landschaft Portugals: Marie kommt aus Hamburg geflogen und besucht Lino, die vor Jahren von dort zurückgegangen war in das kleine Bergdorf Feital, aus dem sie stammt. So lange sind die beiden schon befreundet, nur ihre Ehemänner fehlen, sie gibt es nicht mehr. Die Freundinnen schlendern durch Olivenhaine und steigen in verfallenen Bauernhöfen herum, beobachten Hund, Katze, Ziegen und Eidechsen,…mehr

Produktbeschreibung
Sabine Peters Roman entführt den Leser in den herbstlichen Süden, aber thematisiert werden die brennenden Fragen unserer Gegenwart, so beiläufig wie tiefsinnig. Zwei Künstlerinnen in der urtümlichen Landschaft Portugals: Marie kommt aus Hamburg geflogen und besucht Lino, die vor Jahren von dort zurückgegangen war in das kleine Bergdorf Feital, aus dem sie stammt. So lange sind die beiden schon befreundet, nur ihre Ehemänner fehlen, sie gibt es nicht mehr. Die Freundinnen schlendern durch Olivenhaine und steigen in verfallenen Bauernhöfen herum, beobachten Hund, Katze, Ziegen und Eidechsen, sprechen über Erinnerungen, über Kunst und Natur, über die Suche nach dem passenden Wort. Steine fallen vom Himmel oder werden in Vögel verwandelt. Die Felsen werfen Wellen und die Spinnen ihre Netze aus. Künstler, Klempner und ein Augenarzt treten auf, der Esel des Nachbarn lässt rostige Schreie ertönen, und Linos Atelier ist ein Erinnerungsraum für sie und ihre Gäste. Bei Wildschweinbraten, Esskastanien- und Pilzernte geht es um die Eltern, Ehemänner, um die Großfamilie auf dem Lande und den Lauf des Lebens im Großen und Kleinen. Die hundertjährige Tante Celina gibt Anlass zur Sorge, ein Nashornkäfer gibt zu denken. Sabine Peters hat einen Roman über eine Frauenfreundschaft geschrieben, über eine Nähe, die Jahrzehnte überdauert. Die Genauigkeit, mit der sie erzählt, findet auch in der dörflichen Abgeschiedenheit zu den großen, existenziellen Fragen, vielleicht gerade dort.

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Autorenporträt
Sabine Peters, geb. 1961, studierte Literaturwissenschaft, Politikwissenschaft und Philosophie in Hamburg. Nach einigen Jahren im Rheiderland lebt sie seit 2004 wieder in Hamburg. Neben Romanen, Erzählungen, Hörspielen schreibt Sabine Peters auch Essays und Kritiken. Sie wurde ausgezeichnet u.a. mit dem Ernst-Willner-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, dem Clemens-Brentano-Preis, dem Evangelischen Buchpreis und dem Georg-K.-Glaser-Preis. 2016 erhielt sie den Italo-Svevo-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.09.2017

Mit eingezogenem Zeigefinger
Sabine Peters liefert mit "Alles Verwandte" einen neuen Beweis ihrer Meisterschaft

Seit ihrem ersten Roman "Nimmersatt", erschienen im Jahre 2000, sind die Bücher von Sabine Peters einerseits völlig mühelos auf der Höhe der Zeit, ohne extra Anlauf dafür nehmen zu müssen. Gleichzeitig forschen sie beharrlich, um den Untertitel von Doderers berühmtesten Roman zu bemühen, in der "Tiefe der Jahre". Deshalb bleibt die Autorin ihrem Personal weitgehend treu, vor allem in Gestalt der Schriftstellerin Marie, aus deren Perspektive vorrangig erzählt wird. Ihr Werk berichtet von Hochzeiten und Todesfällen, von Gelingen und Misslingen, von Glücksmomenten und Trennungen.

Das alles geschieht jenseits aller Folklore. Deshalb könnte der Klappentext ihres neuen Romans in die Irre führen, der mit dem Satz beginnt: "Zwei Künstlerinnen in der urtümlichen Landschaft Portugals" und später berichtet: Sie "schlendern durch Olivenhaine und steigen in verfallenen Bauernhöfen herum". Ein Künstlerinnenroman ist das Buch schon, aber ein Urlaubsbuch für Portugaltouristen ist es definitiv nicht.

Marie fliegt von Hamburg nach Lissabon und fährt von dort weiter ins nordwestportugiesische Feital, um ihre Freundin Lino zu besuchen. Die bildende Künstlerin, die vor allem mit Holz arbeitet, hat lange in Hamburg gelebt, bevor sie vor einigen Jahren in ihr Heimatdorf, etwa achtzig Einwohner, zurückgegangen ist. Das Wiedersehen wird in der Vorbereitung von beiden Seiten aus erzählt: Maries lange Zugfahrt und Linos Warten auf die Freundin, verbunden mit dem Gedanken: "Noch sieben Stunden schöne Stille ganz allein." Lino liebt das Alleinsein, und nach jedem Besuch, den sie bekommen hat, weiß sie: "Die Freunde reden zu viel."

Der Künstlerinnenroman ist zugleich einer übers Leben. Bekanntlich leben viele von der Kunst gut, ausgenommen die Künstler. Deshalb lebt Lino zusätzlich auch von dem Stück Land, auf dem ihr Atelier steht, und von den Kastanien, die sie sammelt und in Zwanzigkilosäcke verpackt. Pro Sack zahlen die Händler zwei Euro fünfzig, pro Kilo zahlen die Discounterkunden in Hamburg sieben bis neun Euro.Wie der Kapitalismus funktioniert, das wird in diesem Roman an etlichen Stellen wie nebenher erzählt, mit eingezogenem Zeigefinger.

Marie, einmal angekommen, hilft ungeschickt beim Sammeln. Das Landleben ist so wenig idyllisch wie der Süden lieblich, beides ist hart: Tonart Dur. Lino weiß und zeigt das, Marie weiß es aber auch, weil sie selbst lange auf dem Land gelebt hat, im nordwestdeutschen Rheiderland nahe der holländischen Grenze.

Hier wie anderswo greift der Roman tief in die Vergangenheit zurück, aus dem Blickwinkel Linos wie Maries. Die Geschichte der Ehemänner wird noch einmal aufgerufen, der eine, Rupert, seit Jahren tot, und der andere, Marten, von Lino in Hamburg zurückgelassen. Die Geschichte der Väter wird berührt, wobei die Autorin im Fall von Marie hier an ihren früheren Roman "Abschied" anknüpft, um noch einmal von "Dr. Phil" zu erzählen, dem Tyrannen, der seinen Schrecken erst im Sterben verliert. Das sind keine geschlossenen erzählerischen Blöcke, sondern hier und da angebrachte Skizzen. Auf der anderen Seite Linos Vater Felipe, der Bauer, der nie eine Bank von innen sah: "Ich habe keine Schulden, dann muss ich auch nicht zur Bank. Basta." Eines Tages ist er ins Altersheim nach Porto gegangen und gestorben.

So wenig Idylle Linos Leben in der entlegenen Region zu bieten hat, so wenig entspricht es aber auch dem Bild vom "Idiotismus des Landlebens", das dereinst im Kommunistischen Manifest aufgerufen wurde. "Über Jahrhunderte hinweg das Städterspotten über rückständige Bauern, die ihre Kuh anbeteten, bevor die ein industrielles Erzeugnis wurde. Über Jahrhunderte hinweg das Städterschwärmen von der Einfachheit auf dem Land", fasst Marie die doppelte Borniertheit dieses Blicks zusammen.

Damit der Roman wirklich ein Künstlerinnenroman werden kann, braucht er eine dritte Hauptfigur. Eines Tages kommt Theo zu Besuch, und das ist Sabine Peters' großartigster Kunstgriff in diesem Buch. Theo ist Augenarzt im schicken Harvestehude. Er ist überaus erfolgreich und der Kunst und den Künstlern aufrichtig zugetan. Er will eigentlich nur drei Tage bleiben, weil er weiß, dass sein Besuch die Künstlerinnen bei der Arbeit stört, stürzt dann aber in einem Museum eine Treppe hinunter. Vielleicht ist sein Fuß gebrochen, auf jeden Fall aber der Knöchel geschwollen. Sich ins Auto setzen und nach drei Tagen wieder nach Hause fahren, das kann er nicht, so bleibt er länger.

Theo ist alles andere als eine Karikatur. Er ist nicht der Geldsack, der die Kunst zur Aufwertung der eigenen Person braucht oder gar selbst welche machen möchte. Er ist der Spiegel, in dem Marie und Lino sich besser sehen können. An einer Stelle denkt er ausführlich über diese merkwürdigen Wesen nach, die Künstler. "Die meisten haben keinen Namen, kein Einkommen, keine Kinder. Sie verbittern. Oder werden fahl vor Depression, anstatt dies einzige Leben in Freuden zu leben. Bilder kommen aus den Graphikschränken nie heraus, Kompositionen bleiben ungespielt, Manuskripte verschimmeln in feuchten Kellern." Und trotzdem machen sie weiter und behaupten, das Glück liege sowieso im Machen selbst.

Als Theos Knöchel ausgeheilt ist, nimmt er Abschied, und als Leser verfolgt man das mit großem Bedauern. "Theo ist ein Sonnenkind", notiert Marie für sich, als Theo losfährt. "Er soll es noch lange bleiben." Er ist ein besonders plastisches Beispiel für Sabine Peters' Ansatz, sich wenig um die Menschheit Gedanken zu machen, umso mehr aber um die Leute.

"Das Atelier in Feital hat einen Namen", wird uns etwa auf der Hälfte des Romans mitgeteilt: "Temos Tempo, nehmen wir uns Zeit." Das gilt auch für die Lektüre dieses Romans und dazu der Rat, unbedingt die Augen offen zu halten, denn sonst bleibt zu vieles unbeachtet am Wegrand liegen. Sabine Peters' ruhige, aufs Konkrete gerichtete Aufmerksamkeit, die auch das Kleinste nicht übersieht, war schon das Merkmal ihrerer früheren Bücher. In diesem Roman ist sie noch einmal um eine Stufe verdichtet.

Das Erstaunlichste an diesem Buch ist, dass es gerade wegen seiner inhaltlichen wie sprachlichen Präzision einer Liebe zu den Leuten und zur Welt zum Ausdruck verhilft, die, genau besehen, durch nichts gerechtfertigt ist und der man als Leser dennoch unweigerlich folgt. Von Theo heißt es an einer Stelle: "Er wünscht sich sehr, so sehr: Das Leben soll gut ausgehen." Dieser Roman könnte ihm dabei helfen. Uns auch.

JOCHEN SCHIMMANG

Sabine Peters: "Alles Verwandte". Roman.

Wallstein Verlag, Göttingen 2017.

200 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ganz unaufgeregt, aber mit großer Intensität erzählt Sabine Peters ihre Geschichte.« (Katja Weise, NDR Kultur, 09.08.2017) »Sabine Peters ist ein kontemplativer Roman gelungen, der Lebenslinien fein zeichnet.« (Birgit Reuther, Hamburger Abendblatt, 14.09.2017) »Sabine Peters' Roman führt vor, wie aus Ungewissheiten eine suggestive Erzählung entsteht.« (Stefana Sabin, NZZ am Sonntag, 27.08.2017) »Ihre Sprache liegt (...) so schön und spröde da wie die steinige Szenerie.« (Birgit Reuther, Hamburger Abendblatt, 14.09.2017) »Ein unaufgeregtes Buch, aber mit Tiefe« (chrismon plus, 12.2017) »Empfohlen für Liebhaber der genauen Sprache, der leisen Töne und der poetischen Worte.« (Rüdiger Sareika, Der Evangelische Buchberater 04/2017) »Ein gelassener, stiller, menschenfreundlicher Roman, in dem Sabine Peters so souverän und reif über ihre Mittel verfügt wie nie zuvor.« (Thomas Schaefer, Die Rheinpfalz, 22.02.2018) »Sabine Peters' Roman thematisiert die brennenden Fragen unserer Gegenwart so beiläufig wie tiefsinnig.« (Wiener Zeitung, 19./20.05.2018) »Der Roman von Sabine Peters nimmt auf eine besondere Weise gefangen.« (Gabriele Berberich, Buchprofile/medienprofile Jg. 63, Heft 2, 2018)