Ein Kriegstrauma können auch Menschen haben, die selbst gar keinen Krieg miterlebt haben, beispielsweise dadurch, dass sie von Nahestehenden vieles mitbekommen haben. Ich selbst habe beispielsweise vieles nacherleben und auch mitfühlen können durch Erzählungen meines Vaters - 16jährig eingezogen und
schwer verwundet und meiner Mutter, deren Kindheit durch den 2. Weltkrieg geprägt war. Ich selbst…mehrEin Kriegstrauma können auch Menschen haben, die selbst gar keinen Krieg miterlebt haben, beispielsweise dadurch, dass sie von Nahestehenden vieles mitbekommen haben. Ich selbst habe beispielsweise vieles nacherleben und auch mitfühlen können durch Erzählungen meines Vaters - 16jährig eingezogen und schwer verwundet und meiner Mutter, deren Kindheit durch den 2. Weltkrieg geprägt war. Ich selbst möchte nie in die Nähe solcher Ereignisse geraten, es ist für mich das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann.
Die Fotografin Katharina Ehlbracht, 1945 geboren, reagiert da ganz anders: Kriegsschauplätze sind sozusagen ihr täglich Brot, sie fotografierte in Vietnam, Nordirland, Südafrika und an anderen ausgesprochen gefährlichen Orten.
Anfang 1990, kurz nach der Öffnung der Mauer, erhält sie einen Umschlag mit Briefen von ihrer Mutter, aus dem hervorgeht, dass ihre Familiengeschichte eigentlich eine ganz andere ist, als sie es bisher annahm. Von einem Tag auf den anderen ist alles ganz anders. Gleich mehrere Kriegstraumata offenbaren sich nun und Katharina wird peu á peu bewusst, wie sehr die Menschen in ihrem Umfeld - und darüber hinaus - gelitten haben.
Ein spannendes und wichtiges Thema, das von Autorin Renate Ahrens überaus mitreißend und eindringlich beschrieben wird. Katharina ist längst nicht die Einzige, deren Geschichte durch die Öffnung der Grenzen und die darauf folgende Wiedervereinigung neu geschrieben wurde, wenn es auch in vielen Fällen sicher nicht so dramatisch zuging wie in dem ihrigem.
Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen, so spannend las sich für mich Katharinas Geschichte, der zudem eine Parallelgeschichte mit Rückblenden zugeordnet ist - aber ich will nicht zu viel verraten.
Sehr enttäuscht war ich allerdings davon, dass die Autorin zahlreiche vielversprechende und gut gezeichnete Charaktere einführt, deren Bedeutung für die Geschichte nur angerissen wird, die quasi nur einen Kurzauftritt haben, obwohl hinter ihnen ebenfalls spannungsreiche Entwicklungen stehen - wie vielschichtig diese sind, nun, da muss der Leser seine Phantasie entwickelt und seine eigene(n) Geschichte(n) schaffen. Das fand ich ein bisschen schade, denn in der zweiten Hälfte des Romans häufen sich diese Andeutungen, mir kam es so vor, als ob die Autorin mir etwas verspricht, was sie dann nicht einlöst.
Da ich die Geschichte so sehr genoss, fand ich es besonders schade. Trotz der erwähnten Einschränkung also eine dicke Empfehlung von mir an alle, die gern über die jüngste deutsche Vergangenheit lesen und bereit sind für einen spannenden, mitreißenden, dramatischen, allerdings auch sehr traurigen Familienroman!