Der Feind ist unter uns.
Der 2002 erschienene Debütroman von Julie Otsuka behandelt ein Thema, das in Europa eher unbekannt und in ihrer amerikanischen Heimat wenn bekannt, dann längst vergessen ist: die Internierung japanischstämmiger Menschen in den USA nach dem Angriff auf Pearl Harbour.
1942
Ende April, im fünften Kriegsmonat: Über Nacht erfuhren diese Menschen durch öffentliche…mehrDer Feind ist unter uns.
Der 2002 erschienene Debütroman von Julie Otsuka behandelt ein Thema, das in Europa eher unbekannt und in ihrer amerikanischen Heimat wenn bekannt, dann längst vergessen ist: die Internierung japanischstämmiger Menschen in den USA nach dem Angriff auf Pearl Harbour.
1942 Ende April, im fünften Kriegsmonat: Über Nacht erfuhren diese Menschen durch öffentliche Bekanntmachungen - an Bäumen, Bushaltestellen, in Schaufenstern von Läden und Warenhäusern, an Telefonmasten, am Postamt - dass sie sich an Sammelpunkten einzufinden hätten für ihre Evakuierung. Jeder Mensch mit japanischen Wurzeln war der Feind an sich: die 5. Kolonne, er wird in Sippenhaft genommen und in Lager deportiert
Die Frau, namenlos wie ihre 2 Kinder, ein 10 jähriges Mädchen und ein siebenjähriger Knabe, packte und räumte das Haus leer.
Ihr Mann war schon im Dezember verhaftet worden. Ab und zu erhielt sie Briefe.
Am nächsten Morgen an der Sammelstelle erhielten alle eine Erkennungsmarke und wurden in Züge verfrachtet. Vorsichtig tun sich da bei mir Reminiszenzen auf.....
Ein alter langsamer Zug brachte sie nach Utah, in die Wüste.
Am Zielort erwarteten sie Hunderte von Baracken aus Teerpappe, von Stacheldraht umhegt, von Wachttürmen mit Scheinwerfern aus beobachtet. Die brütende Sonne der Wüste. Aber keine Kinderbuchwüste mit Oasen, Palmen und Kamelen, es war eine staubige trostlose Wüste.
Die Rückkehr nach Ende des Krieges, nach 3 Jahren und 5 Monaten: Die Frau holte den Schlüssel, den sie an einer langen silbernen Kette um den Hals trug und den sie jeden Abend berührte, als sei er ein Stück von ihr geworden, hervor. Und auch hier Reminenszen an andere Schlüsselgeschichten, aus der Neuzeit auf einem anderen Kontinent.
„Wir waren jetzt wieder freie Menschen, konnten gehen, wohin wir wollten, keine Zäune, keine Wachen und keine Scheinwerfer mehr. Wir würden unser Leben dort leben, wo es aufgehört hatte. Keiner begrüßte uns herzlich, nicht einmal ein „Lange nicht gesehen, waren Sie verreist?“
Und eines Tages im Dezember kam der Mann zurück. Es war nicht der, den sie kannten. Es war ein alter Mann, in Gedanken weit weg, er misstraute allen und alltägliche Kleinigkeiten heizten ihn zur Weißglut an.
Das Ende ist ein überraschendes. Ein Clou, ein Gag wie in einem Hollywoodfilm oder eine Anklage? Eine Anklage an das amerikanische Volk und seine „Vollstrecker“?
Das ganze Geschehen wird in einem fast emotionslosen Ton geschildert, wie in Aufzählungen, kurz und prägnant und an einen Schulaufsatz erinnernd. Dadurch verliert der Roman nicht an Fassungslosigkeit und Tragik, sondern gewinnt vielmehr eine überzeitliche Gültigkeit.
Und vielleicht können sich manche Leserinnen und Leser mehr in das Geschehen einfühlen, als wenn es voller gefühlvoller Aufwallungen und entsprechender Dramatik beschrieben wird.
Ein kleiner lesenswerter Roman, eine Mahnung: es könnte uns alle hier und jetzt und überall treffen.
Der Krieg zwischen den USA und Japan endete übrigens mit dem ersten Atombombenabwurf der bisherigen Geschichte.