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Altershausen ist der letzte Roman von Wilhelm Raabe. 1899 bis 1902 entstanden. Frau und Kind des Wirklichen Geheimen Obermedizinalrats Professor Dr. med. Friedrich Feyerabend ruhen seit langem auf dem Friedhof. Als Mediziner hoch dekoriert, wendet sich Feyerabend, Fritze genannt, nach der offiziellen Feier seines 70. Geburtstages von dem Trubel ab und begibt sich auf die "Lebens-Heimweh-Fahrt" nach Altershausen, dem Städtchen seiner Geburt.

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Produktbeschreibung
Altershausen ist der letzte Roman von Wilhelm Raabe. 1899 bis 1902 entstanden. Frau und Kind des Wirklichen Geheimen Obermedizinalrats Professor Dr. med. Friedrich Feyerabend ruhen seit langem auf dem Friedhof. Als Mediziner hoch dekoriert, wendet sich Feyerabend, Fritze genannt, nach der offiziellen Feier seines 70. Geburtstages von dem Trubel ab und begibt sich auf die "Lebens-Heimweh-Fahrt" nach Altershausen, dem Städtchen seiner Geburt.

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Autorenporträt
Wilhelm Karl Raabe wurde am 8. September 1831 bei Braunschweig geboren. Eine 1853 begonnene Buchhändlerlehre brach er ab, um Literatur, Philosophie und Geschichte in Berlin zu studieren. 1856 veröffentlichte er unter dem Pseudonym Jacob Corvinus mit großem Erfolg seinen ersten Roman Die Chronik der Sperlingsgasse. Es folgten viele weitere Romane und Erzählungen, u. a. Der Hungerpastor (1864), Horacker (1876), Die Akten des Vogelsangs (1896) und Altershausen (1902). Nachdem es im Laufe der Zeit stiller um ihn geworden war, erhielt er in späten Jahren noch einmal Aufmerksamkeit als Autor und wurde mit mehreren Auszeichnungen geehrt. Wilhelm Raabe starb am 15. November 1910 in Braunschweig. Andreas Maier, 1967 im hessischen Bad Nauheim geboren, studierte Philosophie und Germanistik, anschließend Altphilologie. Er lebt in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.11.2010

Als Menschen falsch, als Kinder nur Idioten
Wer Wilhelm Raabe für einen betulichen Erzähler hält, kann nun noch einmal nachlesen - und sich erschüttern lassen

Wilhelm Raabe, der späte zumal, gilt als schwieriger Autor. Seine an Jean Paul erinnernde umständliche Erzählweise oder sein Desinteresse am bloßen Plot stehen in stärkstem Kontrast zu dem, was man von einem Schriftsteller des Realismus erwartet. Man mag dies als modern oder gar avantgardistisch adeln, breite Leserkreise schreckt dies eher ab. Und so dürfte es kein Zufall sein, dass kein Raabe-Text Popularität erlangt hat und Raabe der vielleicht am wenigsten gelesene der poetischen Realisten ist. Das lange Zeit bevorzugte Frühwerk gilt heute als tendenziell ungenießbar, das Spätwerk ist ein Fall für Spezialisten und Liebhaber.

Sein vielleicht bekanntester Roman "Stopfkuchen" liegt pünktlich zu Raabes hundertstem Todestag am kommenden Montag in gleich zwei neuen Ausgaben vor, als gewohnt schöne Leseausgabe im Manesse Verlag und als penible Wiedergabe des Erstdrucks in der Bibliothek der Erstausgaben des Deutschen Taschenbuch Verlags (herausgegeben von Joseph Kiermeier-Debre, 330 Seiten, 8,90 [Euro]). "Eine See- und Mordgeschichte" untertitelte Raabe in bewusster Irreführung der Leser sein Werk. Was kriminalistische Spannung evoziert, entpuppt sich als provozierend langatmig erzählte, handlungsarme Geschichte. Für die "Seegeschichte" ist dabei der Ich-Erzähler Eduard zuständig, ein Afrika-Reisender auf Heimatbesuch, der seine Erlebnisse auf der Rückfahrt festhält, für die "Mordgeschichte" hingegen sein Jugendfreund Heinrich Schaumann, genannt Stopfkuchen. Dieser ist inzwischen nicht nur rechtmäßiger Besitzer der Roten Schanze, eines von einem Wall umgebenen Bauernguts, sondern auch exklusiver Kenner der wahren Hintergründe des Mordes an dem Viehhändler Kienbaum, der dem einstigen Besitzer der Roten Schanze jahrelang nachgesagt wurde und ihn entsprechend stigmatisierte.

Stopfkuchen gehört zu den literarischen Figuren, die man nie mehr vergisst. Wie er kugelrund auf seiner schon als Kind heißersehnten Roten Schanze thront und in breiter Behaglichkeit sein Spiel mit Eduard, seiner Frau Valentine und nicht zuletzt mit dem Leser treibt, das ist so provokant enervierend, dass es schon wieder großartig ist. Er gilt in gängiger Lesart des Romans als lebenskluger Außenseiter, der dem weitgereisten Eduard und den Honoratioren der Stadt haushoch überlegen ist. Dem mag so sein, doch für ein antibürgerliches Idealbild trägt er zu viele irritierende Züge. Das philiströse Dauerrauchen, das völlige Desinteresse an Eduards Lebenslauf, die Kinderlosigkeit seiner Ehe oder die nicht weniger als grausam zu nennende Aufdeckung des wahren Mörders von Kienbaum machen ihn abgründiger, als er gemeinhin gesehen wird.

Raabes letztes, Fragment gebliebenes Werk liegt als Insel-Büchlein neu vor. Schon der Titel könnte kaum symbolträchtiger sein. "Altershausen" erzählt von der "letzten Reise", der "Lebens-Heimweh-Fahrt" des Geheimen Obermedizinalrats Friedrich Feyerabend an den Ort seiner Kindheit. Anlässlich seines siebzigsten Geburtstages scheint ihm all seine Berühmtheit auf einmal nichtig gegenüber dem ungetrübten Glück der frühen Jahre. Kurz entschlossen steigt er in den Zug, um in Altershausen in Erfahrung zu bringen, was von seiner Jugend noch übrig und was aus seinem besten Freund Ludchen Bock geworden ist.

"Altershausen" ist ein verstörendes Erinnerungsbuch und als solches ein echtes Alterswerk, das deutlich autobiographisch gefärbt ist. In vielfältigen Metamorphosen begegnet Feyerabend Gestalten seiner Kindheit wieder. Bollmann, der Hund des Vaters, Ritterbusch, das Kindermädchen, oder George, der Barbier, tauchen in veränderter Konstellation erneut auf. Einem Traum ähnelt Feyerabends Gang durch die Stadt, dem albtraumhafte Elemente beigesellt sind. Im Mittelpunkt aber steht das Schicksal des hochbegabten Kindheitsfreundes Ludchen Bock, der Feyerabend schon am Bahnhof begrüßt - als im Stadium der Kindheit verharrender Kofferträger. Er hat den von Feyerabend imaginierten Sehnsuchtsort weder zeitlich noch räumlich verlassen, allerdings um den Preis der Idiotie. Ein stehengebliebenes, ein nicht gelebtes Leben ist zu besichtigen, dessen wiederholter Lobpreis in schärfstem Kontrast zum tatsächlichen Befund steht. Ludchen Bocks schrilles Weinen und Lachen zerstören jede idyllische Anmutung, sosehr sie auch beschworen wird. Es gibt kein Zurück, es sei denn als infantile Regression.

Als "gnadenloses Endstück unserer eigenen Unlösbarkeit" feiert Andreas Maier in seinem furiosen Nachwort Raabes Romanfragment. Zu Ende gedacht, bleibt als Befund nur die Aporie: "Wir leben falsch, und alle wissen das, und es gibt keine Alternative dazu, es gibt nur eine Einsicht darein. Die Menschen sind falsch, alle. Besser wären sie als Kinder, was bei Erwachsenen dann aber Idiotismus bedeutet. Das ist die Nuss, die uns Raabe mit "Altershausen" zum Knacken gegeben hat."

Dass Raabe schließlich wie seine Zeitgenossen Gottfried Keller oder Wilhelm Busch zu den Doppelbegabungen unter den Schriftstellern gehört, verdeutlicht ein voluminöser Band, der sein komplettes zeichnerisches Werk versammelt und in verschiedenen Essays ausleuchtet. Wer sich hiervon neue Aufschlüsse für die Dichtungen erwartet, dürfte enttäuscht werden. Raabe verstand seine Zeichnungen als Zeitvertreib eines Dilettanten und hat sie entsprechend als Privatangelegenheit behandelt. Illustrationen zum Werk, Figurenstudien oder skizzenhafte Einfälle gibt es hier kaum. Am ehesten strömen noch die von der Herausgeberin in die Rubrik allegorisch-symbolhafte Blätter eingeordneten Zeichnungen dichterische Inspiration aus und gemahnt manch überzeichnete Charakterstudie von ferne an die zahlreichen kauzigen Personen in Raabes Werk.

Was überwiegt, sind allerdings Landschaftsaufnahmen. Je flüchtiger und skizzenhafter sie sind, desto mehr überzeugen sie. Wirken die aufwendigeren Aquarelle oftmals statisch und ungelenk, so verströmt manche dahingehuschte Federzeichnung einen eigenen Charme. Als flüchtige Produktionen sind sie wohl auch entstanden, wenn man liest, dass sie Raabe fast stets auf schon benutzten Blättern anfertigte. Reizvoll sind auch die eigens aufgeführten Zeichnungen in Raabes Briefen, Manuskripten und Notizbüchern, die in ihrer Spontaneität an ähnliche Skizzen E.T.A. Hoffmanns erinnern. Beträchtlichen Raum innerhalb des etwa siebenhundert Zeichnungen umfassenden Werkverzeichnisses nehmen die militärischen Darstellungen ein, was man so wohl nicht erwarten würde. Schade, dass sich hierzu nur verstreute Hinweise, aber kein eigener Beitrag findet.

Zehn Jahre vor seinem Tod hat sich der Dichter Raabe, enttäuscht von der Ignoranz des Publikums gegenüber seinen späten Werken, offiziell zur Ruhe gesetzt und firmierte seitdem als Schriftsteller a. D. Hundert Jahre später gibt es hinreichend Gelegenheit, diese Ruhe zu stören.

THOMAS MEISSNER

Wilhelm Raabe: "Stopfkuchen".

Manesse Verlag, Zürich 2010. 395 S., geb., 19,95 [Euro].

Wilhelm Raabe: "Altershausen".

Insel Verlag, Berlin 2010. 141 S., geb, 13,90 [Euro].

Wilhelm Raabe: "Das zeichnerische Werk".

Georg Olms Verlag, Hildesheim u.a. 2010. 423 S., geb., 39,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Beeindruckt zeigt sich Thomas Meissner von Wilhelm Raabes letztem Werk "Altershausen", das nun anlässlich des hundertsten Todestages des Autors erscheint. Das Fragment gebliebene Buch um den Obermedizinalrat Feyerabend, dem seine Berühmtheit an seinem 70. Geburtstag schal erscheint und der daher den Ort seiner Kindheit aufsucht, scheint ihm ein autobiografisches "verstörendes Erinnerungsbuch". Wie Feyerabend den Freunden aus seiner Kindheit begegnet, hat für ihn etwas von Traum und Albtraum zugleich. Glänzend findet Meissner auch das Nachwort von Andreas Maier, der in "Altershausen" ein "gnadenloses Endstück unserer eigenen Unlösbarkeit" erkennt.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Die Montagetechnik und die Magie der Sprache, mit denen Raabe den scheinbar linearen Zeitstrang des Biografischen ineinander verknäuelt, um den Leser in ein Spiegelkabinett von Früher und Heute zu locken ... - das ist zwiespältiges, hinterhältiges, modernes, beinahe cineastisches Schreiben, Wortkino, das vor klassischen Modernen wie James Joyce oder zeitgenössischen Modernen besteht.« Johannes Seibel Die Tagespost. Katholische Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur 20101127