Es gibt Bücher, die sprechen mich auf den ersten Blick an. „Altes Land“ von Dörte Hansen war so eines und das Innere des Romans hielt, was das Äußere versprach.
In dem Roman über Fluchten und der Suche nach Geborgenheit, über das entwurzelt Sein und das Heimatgefühl breitet die Autorin sehr
leise, aber eindringlich ein Panorama von Land und Leuten in den nahe der Elbe gelegenen Obstmarschen…mehrEs gibt Bücher, die sprechen mich auf den ersten Blick an. „Altes Land“ von Dörte Hansen war so eines und das Innere des Romans hielt, was das Äußere versprach.
In dem Roman über Fluchten und der Suche nach Geborgenheit, über das entwurzelt Sein und das Heimatgefühl breitet die Autorin sehr leise, aber eindringlich ein Panorama von Land und Leuten in den nahe der Elbe gelegenen Obstmarschen aus. Sie erzählt von Hildegard, die nach dem Krieg als Flüchtling auf den Hof kam und durch ihre Heirat mit Karl, dem Hoferben, ein Stück Heimat suchte, aber nie dort ankam und wieder ging. Ganz anders Vera, ihre Tochter, die, von ihrer Mutter verlassen, mit Karl dort bleibt und über Jahrzehnte keine Hand an Haus und Hof legt, um etwas zu verändern. Sie lebt dort, doch ihre Wurzeln sind nur an der Oberfläche.
Frischen Wind bringt dann Anne, ihre Nichte, auf das Gehöft, die mit ihrem Sohn Leon aus Hamburg-Ottensen vor einer gescheiterten Beziehung und den jungen, ökologisch korrekten Helikopter-Müttern geflohen ist.
Dörte Hansen scheint sie alle persönlich zu kennen, ihre Romanfiguren. Sie hat sie facettenreich und wie aus dem Leben geschnitten beschrieben. Jeder hat seine eigenen charismatischen Zügen, ist ein Wesen, das einzigartig anmutet. Trotz aller Unterschiede sind sich die beiden Heldinnen näher, als sowohl der Leser und auch sie selbst zunächst vermuten. Sie sind allein, Einzelgängerinnen, die sie von der Allgemeinheit abheben. Die Autorin ist eine ausgezeichnete Beobachterin, warmherzig, aber mit spitzer Feder, einem Augenzwinkern und einer gewissen Scharfzüngigkeit zeigt sie unterschiedliche Lebenskonzepte auf.
Dass die Autorin Linguistin ist, merkt man jeder Seite dieses Romans an. Kein Wort ist zu viel, keines zu wenig. Die Geschichte hat Tiefe, Herzenswärme und Witz und ist vollkommen frei von jeglichem Heimatkitsch und Herz-Schmerz-Geplänkel. Ich habe in den letzten Wochen viele gute und sehr gute Bücher gelesen, aber dieses war ein Wohlfühlbuch im allerbesten Wortsinn. Es nahm mich gefangen, in Gedanken schlenderte ich die Dorfstraße entlang und sah all die Menschen, die mir gute Bekannte zu sein schienen, vor meinem inneren Auge.
„Altes Land“ ist ein Roman, mit dem Dörte Hansen in dem ihr eigenen, wunderbaren Sprachstil Land und Leuten ein Denkmal setzt. Ich habe jede Seite genossen, es ist schon jetzt eines meiner Jahreshighlights 2015. Er klingt immer noch in mir nach.