Magisterarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Kulturwissenschaften - Empirische Kulturwissenschaften, Note: 1,1, Humboldt-Universität zu Berlin (Institut für Kunst- und Kulturwissenschaft Kulturwissenschaftliches Seminar), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Ess-Störung Bulimie breitet sich unter Frauen und Mädchen in westlichen Industrienationen seit den achtziger Jahren zunehmend aus und ist immer stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Das rege Medieninteresse ist einerseits positiv und wünschenswert, andererseits ist jedoch die Darstellung und das hiermit transportierte Frauenbild, oftmals problematisch. In der Regel wird das Bild einer Frau gezeichnet, die aufgrund einer meist schwierigen Familien- oder Lebenssituation „erkrankt“ ist und nun wahllos, unkontrolliert – tierisch – riesige Essensmengen verschlingt. Hinterher erbricht sie sich schamvoll und selbsterniedrigend auf der Toilette, um nicht zuzunehmen. Sie wird als übertrieben leistungsorientiert, perfektionistisch und abhängig von Schlankheitsnormen beschrieben. Bulimie wird damit als individuelles Defizit betrachtet und als Störung oder – „gestörte weibliche Entwicklung“ – festgeschrieben. Wer an Bulimie „leidet“, wird in der Regel als tragischer Einzelfall behandelt, und auch so erklärt. Eine Darstellungsweise jedoch, die Bulimie auf die Individualgeschichte einzelner Frauen reduziert, lässt entscheidende Fragen offen: Wie kommt es zur rapiden Zunahme von Bulimie? Was ist das ‚zeitgemäße‘ an dieser ‚Frauenkrankheit‘? Um sich dieser Frage annähern zu können, müssen auch soziokulturelle Faktoren systematisch in die Betrachtungsweise miteinbezogen werden. Ohne diese bleibt unerklärlich, warum die Zahlen zur Zunahme von Bulimie erschreckend sind und warum immer mehr Frauen ein gestörtes Verhältnis zum Essen und ihrem Körper entwickeln, wenn auch außerhalb pathologischer Zuschreibungskategorien. Trotz der Erkenntnis, „dass es sich bei Bulimie um ein allgemein gesellschaftliches Problem handelt, das sich mehr als andere Formen psychosomatischer Störungen mit gesellschaftlichen Normierungen verbinden lässt“ und dass insbesondere das Schlankheits- und Schönheitsdiktat eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Bulimie spielen, werden die ausschlaggebenden Gründe weitestgehend im individuellen Bereich verortet. [...] Das legt die Vermutung nahe, dass es aktuelle gesellschaftliche Rahmenbedingungen geben muss, die die Entstehung bulimischen Verhaltens begünstigen und dass jenseits der individualpsychologischen auch soziokulturelle Faktoren hier eine entscheidende Rolle spielen.