Die meiste Zeit lebt Juni bei ihrem Vater - zum Glück. Ihre Mutter ist ein echter Kontrollfreak, wie Juni das nervt! Und jetzt soll sie auch noch die Ferien bei ihr in Berlin verbringen. Doch dann trifft Juni auf Sahal, einen Flüchtlingsjungen aus Somalia, der sich auf einem Kreuzberger Friedhof versteckt. Was ist los mit ihm? Wovor läuft er weg? Noch durchschaut sie seine Geschichte nicht, aber dass Sahal ihre Hilfe braucht, ist sonnenklar! Juni riskiert Kopf und Kragen und den eh schon wackeligen Familienfrieden und wird dabei ein Stück erwachsener. Ganz wie ihre Eltern ...
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.03.2017Leben in der Gruft
Ein Flüchtlingskrimi als Berliner Großstadtgeschichte
„Ich wurde von seinem Blick angezogen wie von einem Vakuum, wie von einem gigantischen schwarzen Loch im Universum.“ So beeindruckt ist die 15-jährige Juni von Sahal aus Somalia, der in der Schule über sein Schicksal erzählt. Aber nach der Unterrichtsstunde hat sie ihn sofort vergessen, hat seine Geschichte verdrängt, weil sie so schrecklich war, nun sieht sie ihn wieder, mitten in Berlin.
Juni ist auf dem Weg zu ihrer Mutter, bei der sie jedes Wochenende verbringen muss, seitdem sie nach der Scheidung der Eltern beim Vater in Caputh lebt. Ein Blick auf Sahal und sie erkennt, dass der Junge in Schwierigkeiten ist, er wirkt gehetzt, scheint sie nicht zu kennen, und als sie ihn zwei Tage später dabei beobachtet, wie er in der Markthalle Essen stiehlt, verfolgt sie ihn bis auf einen Friedhof in Kreuzberg – in die Gruft, in der er zu hausen scheint. Sahal braucht dringend Hilfe, und erst viel später, in den langen Stunden im Untergrund erzählt er, warum er auf der Straße lebt, erfährt sie von seinem Leben als unbegleiteter Jugendlicher, der aus seiner Unterkunft geflohen ist, weil ihm die Abschiebung droht, der sich vor seinen Landsleuten fürchtet, und nicht wie sein Freund in kriminelle Kreise geraten will.
In Juni findet er nun seine Helferin. Aus der angepassten Tochter, die zwischen den Eltern überleben muss – zwischen der zwanghaft ordentlichen Mutter, der sie nichts recht machen kann und dem netten Vater, der zwar für sie sorgt, aber wenig Zeit hat – wird eine fintenreiche mutige Kämpferin. Sie trickst ihre Eltern aus, unterläuft den durchorganisierten Wochenplan und taucht mit Sahal ab. Sie will auf den Vater warten, bis der von seinem Forschungsaufenthalt in Ecuador zurückkommt, denn der Mutter traut sie nicht zu, dass sie den Jungen unterstützen wird.
Karin Koch lässt in ihrem Flüchtlingskrimi „Am Freitag sehen wir uns wieder“ Juni selbst erzählen. In Gedankensplittern, Dialogen, psychologisch einfühlsamen Sequenzen – die ihre Ängste schildern – entwickelt sich eine moderne Großstadtgeschichte, in der Tradition von Erich Kästner und Andreas Steinhöfel. Spannend, mit typischen Krimielementen, aber unsentimental und kritisch erzählt Juni von ihren Erfahrungen, als Flüchtling in ihrer eigenen Stadt zu leben. Zuerst noch in einer fremden Wohnung, die der Familie von Karl, ihrem Kinderfreund, den sie als Einzigen eingeweiht hat, gehört, später in einem verfallenen Haus am Bahndamm.
Die dramatische Geschichte nimmt die im Kinderbuch erwartete Wendung, als die Eltern von Juni wieder ins Spiel kommen und der Vater auf den Einwand „Es gibt so viele wie ihn. Wir können nicht allen Flüchtlingen helfen“ die Antwort von seiner Tochter bekommt: „Wir können diesem Flüchtling helfen.“ (ab 12 Jahre)
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
Karin Koch: Am Freitag sehen wir uns wieder. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2017. 207 Seiten, 15,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Ein Flüchtlingskrimi als Berliner Großstadtgeschichte
„Ich wurde von seinem Blick angezogen wie von einem Vakuum, wie von einem gigantischen schwarzen Loch im Universum.“ So beeindruckt ist die 15-jährige Juni von Sahal aus Somalia, der in der Schule über sein Schicksal erzählt. Aber nach der Unterrichtsstunde hat sie ihn sofort vergessen, hat seine Geschichte verdrängt, weil sie so schrecklich war, nun sieht sie ihn wieder, mitten in Berlin.
Juni ist auf dem Weg zu ihrer Mutter, bei der sie jedes Wochenende verbringen muss, seitdem sie nach der Scheidung der Eltern beim Vater in Caputh lebt. Ein Blick auf Sahal und sie erkennt, dass der Junge in Schwierigkeiten ist, er wirkt gehetzt, scheint sie nicht zu kennen, und als sie ihn zwei Tage später dabei beobachtet, wie er in der Markthalle Essen stiehlt, verfolgt sie ihn bis auf einen Friedhof in Kreuzberg – in die Gruft, in der er zu hausen scheint. Sahal braucht dringend Hilfe, und erst viel später, in den langen Stunden im Untergrund erzählt er, warum er auf der Straße lebt, erfährt sie von seinem Leben als unbegleiteter Jugendlicher, der aus seiner Unterkunft geflohen ist, weil ihm die Abschiebung droht, der sich vor seinen Landsleuten fürchtet, und nicht wie sein Freund in kriminelle Kreise geraten will.
In Juni findet er nun seine Helferin. Aus der angepassten Tochter, die zwischen den Eltern überleben muss – zwischen der zwanghaft ordentlichen Mutter, der sie nichts recht machen kann und dem netten Vater, der zwar für sie sorgt, aber wenig Zeit hat – wird eine fintenreiche mutige Kämpferin. Sie trickst ihre Eltern aus, unterläuft den durchorganisierten Wochenplan und taucht mit Sahal ab. Sie will auf den Vater warten, bis der von seinem Forschungsaufenthalt in Ecuador zurückkommt, denn der Mutter traut sie nicht zu, dass sie den Jungen unterstützen wird.
Karin Koch lässt in ihrem Flüchtlingskrimi „Am Freitag sehen wir uns wieder“ Juni selbst erzählen. In Gedankensplittern, Dialogen, psychologisch einfühlsamen Sequenzen – die ihre Ängste schildern – entwickelt sich eine moderne Großstadtgeschichte, in der Tradition von Erich Kästner und Andreas Steinhöfel. Spannend, mit typischen Krimielementen, aber unsentimental und kritisch erzählt Juni von ihren Erfahrungen, als Flüchtling in ihrer eigenen Stadt zu leben. Zuerst noch in einer fremden Wohnung, die der Familie von Karl, ihrem Kinderfreund, den sie als Einzigen eingeweiht hat, gehört, später in einem verfallenen Haus am Bahndamm.
Die dramatische Geschichte nimmt die im Kinderbuch erwartete Wendung, als die Eltern von Juni wieder ins Spiel kommen und der Vater auf den Einwand „Es gibt so viele wie ihn. Wir können nicht allen Flüchtlingen helfen“ die Antwort von seiner Tochter bekommt: „Wir können diesem Flüchtling helfen.“ (ab 12 Jahre)
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
Karin Koch: Am Freitag sehen wir uns wieder. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2017. 207 Seiten, 15,90 Euro.
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