Franziska Greising hat sich auf die Spuren von Rösli Näf begeben, ihren Neffen befragt, Orte ihres Lebens und Wirkens in Frankreich besucht, auf sich wirken und allmählich Personen des Romans „Am Leben“ immer lebendiger werden lassen. Beeindruckend porträtiert sie einen Teil des Lebens der Rösli
Näf, jener Schweizer Krankenschwester und Mitarbeiterin des Schweizer Roten Kreuzes, geboren 1911, die…mehrFranziska Greising hat sich auf die Spuren von Rösli Näf begeben, ihren Neffen befragt, Orte ihres Lebens und Wirkens in Frankreich besucht, auf sich wirken und allmählich Personen des Romans „Am Leben“ immer lebendiger werden lassen. Beeindruckend porträtiert sie einen Teil des Lebens der Rösli Näf, jener Schweizer Krankenschwester und Mitarbeiterin des Schweizer Roten Kreuzes, geboren 1911, die schon mit Albert Schweizer zusammen arbeitete und während des 2. Weltkrieges die Kinderkolonie La Hille in Südfrankreich leitete, eines der 200 Internierungslagern in Frankreich.
Der Roman mit realem Hintergrund vermittelt auf beeindruckende Weise Wissen über die Zeit, beschreibt Lebensumstände jüdischer Familien, besonders der Kinder, die über Belgien nach Frankreich in „sichere“ Kinderheime geschickt wurden. Sehr detailreich schildert die Autorin vom Alltag in diesem Kinderheim, geleitet von Rose, von den Spenden und Zuteilungen aus der Schweiz, von Paten und der Unterstützung durch das ( Schweizer) Rote Kreuz, die Kinderhilfe und die umliegende Bevölkerung. Bei Erreichen der Volljährigkeit müssen die Kinder „La Hille“ verlassen und werden in das naheliegende Arbeitslager „Le Vernet“ gebracht. Interessant zu lesen war, wie das Wissen um die Zustände allgemein bekannt war, welche Bemühungen bestanden, sich gegenseitig zu helfen, z.B. sparen die Kinder von „La Hille“ sich Lebensmittel vom Mund ab, um sie nach „Le Vernet“ zu schicken. Auch die Weitsicht und lange Planung war beeindruckend, z.B. ließ Rose die Kinder immer französich sprechen und den vorort üblichen Akzent miteinüben, damit sie später, wenn sie fliehen müßten, nicht als jüdische Flüchtlinge auffielen, sondern als Einheimische angesehen würden. Rose hatte stets im Sinn, die Kinder zu retten und sie heil aus dem Krieg herauszuführen; aber troz ihrer Wachsamkeit hat sie manche Gefahren nicht wahr haben wollen. Sehr spannend und interessant zu lesen waren auch die Beschreibungen von Fluchtversuchen über die Schweizer Grenze...., von Menschlichkeit und den Bemühungen, im Stillen zu helfen oder darüber, wie sich die Menschen ändern können, wenn man ihnen einen Posten gibt bzw., was sie alles aus Angst um ihre eigene Familie mitmachen.
Aber auch Mittäterschaft oder der Aspekt der Mitschuld, ob im juristischen oder philosphischen Sinne, wird angesprochen. Die Rolle Frankreichs, insbesondere der Vichy-Regierung und ihrer Auslieferungsbereitschaft nach Auschwitz wird genauso thematisiert wie die damalige Handlungsstrategie der Schweiz, die ja immer so bedacht auf ihre Neutralität pocht. Zu Beginn der Kriegsjahre noch sehr engagiert, kam wohl nicht nur in den Kreisen, die mit der Wehrmacht lukrative Handelsbeziehungen unterhielt, Angst auf, diese könnten einbrechen. Auch das Schweizer Rote Kreuz sorgte sich, die Schweiz könne sich den Ruf eines „Judenzentrums“ zuziehen und schloß die Grenzen. Als Rose versuchte, jüdischen Jugendlichen zur Flucht zu verhelfen, wurde sie entlassen.
Insgesamt fand ich den auf geschichtlichen Begebenheiten basierenden Roman ausgesprochen interessant; ich habe viele Details um Alltägliches der damaligen Umstände erfahren und die couragierte Rösli Näf etwas kennengelernt. Aber das Buch vermittelt noch viel mehr und gibt Denkanstöße, denn gerade in der heutigen Zeit, in der u.a. Länder Grenzen schließen um Flüchtlingen den Ausweg zu versperren und die eigene, auch finanzielle, Sicherheit zu wahren, zeigt dieses Buch ebenso die Notwendigkeit von Mitmenschlichkeit und Zivilcourage auf.