Wer schreibt, ist auch viel unterwegs: Lesereisen und Recherchen, kleine Fluchten und große Fahrten, Spurensuche und Fernweh. Manchmal geht es auch nur darum, die Welt vorbeiziehen zu lassen und sich selbst dabei fremd zu werden. "Am Zug" versammelt Texte zeitgenössischer Autoren rund um das Bahnfahren: aufregende Bahnhöfe und unfreiwillige Aufenthalte, End- und Zwischenstationen, flüchtige Begegnungen und schicksalhafte Zufälle, Schlafwagenabenteuer und Speisewagengeplänkel. Reisen bei Tag und bei Nacht stehen im Mittelpunkt eines vergnüglichen Lesebuchs, das uns von Station zu Station begleitet.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2016Das Leben in vollen Zügen genießen
Der Zugpendler ist "ein heimatloser Melancholiker". Dieser Satz aus dem Beitrag von Karl-Markus Gauß ist programmatisch für diese nostalgische Anthologie und Zeitreise voller poetischer Subtexte durch die Geschichte des Zugfahrens. Fünfzehn Prosastücke österreichischer Autoren behandeln auratische Bahnstrecken wie die legendäre Transsibirische Eisenbahn, die Tex Rubinowitz beschwört, oder die Tanzania Zambia Railways im Beitrag von Ilija Trojanow. Sie eruieren aber auch die Bodenhaftung kontra der radikalen Erdentwurzelung des Fliegens oder ratternden Rhythmus als eine Urform von Sprache. Bahnreisen geraten hier zum panoramatischen Erlebnis und befördern Schwellenzustände der Seele. Besonders anrührend ist Erika Pluhars Text einer Liebesanbahnung zweier bis dahin glücksferner älterer Einzelgänger im Speisewagen. Die kluge Sammlung entwirft eine kleine Mentalitätsgeschichte der Mobilität im privaten und politischen Fokus. In leisen, aber aussagestarken Texten wird weniger dem Beschleunigungswahn und Servicegeplänkel gehuldigt als altehrwürdigen oder auch heruntergekommenen Vorortzügen, Bahnhöfen oder Bahnhofslokalen als Verweilpunkten des Selbst. Es finden sich Preisungen von Nebenbahnen und ein Lob des Nachtzugs als Fahrt ins Unbewusste. Die Zugfahrt als Metapher der Lebensreise verdichtet sich in Gerhard Roths "Winterreise", wobei im Zerrspiegel einer durch den Helden hindurchfahrenden Landschaft zuletzt der Tod als phantasmagorischer Abteilnachbar aufscheint.
sg
"Am Zug. Neue Texte übers Bahnfahren" von Alois Brandstetter u. a. Residenz Verlag, St. Pölten 2015. 192 Seiten. Gebunden, 14,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Zugpendler ist "ein heimatloser Melancholiker". Dieser Satz aus dem Beitrag von Karl-Markus Gauß ist programmatisch für diese nostalgische Anthologie und Zeitreise voller poetischer Subtexte durch die Geschichte des Zugfahrens. Fünfzehn Prosastücke österreichischer Autoren behandeln auratische Bahnstrecken wie die legendäre Transsibirische Eisenbahn, die Tex Rubinowitz beschwört, oder die Tanzania Zambia Railways im Beitrag von Ilija Trojanow. Sie eruieren aber auch die Bodenhaftung kontra der radikalen Erdentwurzelung des Fliegens oder ratternden Rhythmus als eine Urform von Sprache. Bahnreisen geraten hier zum panoramatischen Erlebnis und befördern Schwellenzustände der Seele. Besonders anrührend ist Erika Pluhars Text einer Liebesanbahnung zweier bis dahin glücksferner älterer Einzelgänger im Speisewagen. Die kluge Sammlung entwirft eine kleine Mentalitätsgeschichte der Mobilität im privaten und politischen Fokus. In leisen, aber aussagestarken Texten wird weniger dem Beschleunigungswahn und Servicegeplänkel gehuldigt als altehrwürdigen oder auch heruntergekommenen Vorortzügen, Bahnhöfen oder Bahnhofslokalen als Verweilpunkten des Selbst. Es finden sich Preisungen von Nebenbahnen und ein Lob des Nachtzugs als Fahrt ins Unbewusste. Die Zugfahrt als Metapher der Lebensreise verdichtet sich in Gerhard Roths "Winterreise", wobei im Zerrspiegel einer durch den Helden hindurchfahrenden Landschaft zuletzt der Tod als phantasmagorischer Abteilnachbar aufscheint.
sg
"Am Zug. Neue Texte übers Bahnfahren" von Alois Brandstetter u. a. Residenz Verlag, St. Pölten 2015. 192 Seiten. Gebunden, 14,90 Euro.
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