„Nichts bereitet einen darauf vor, angemessen auf das Undenkbare zu reagieren.“
Das Undenkbare, das Unglaubliche ist Inhalt dieser Biographie: Eine wahre Geschichte, die eigentlich kaum erzählt werden kann: Eine Mutter berichtet über die Entführung und Hinrichtung ihres Sohnes, eines
Kriegsberichterstatters, durch Attentäter im nahen Osten und trifft den Täter im Rahmen eines…mehr„Nichts bereitet einen darauf vor, angemessen auf das Undenkbare zu reagieren.“
Das Undenkbare, das Unglaubliche ist Inhalt dieser Biographie: Eine wahre Geschichte, die eigentlich kaum erzählt werden kann: Eine Mutter berichtet über die Entführung und Hinrichtung ihres Sohnes, eines Kriegsberichterstatters, durch Attentäter im nahen Osten und trifft den Täter im Rahmen eines Gerichtsprozesses.
Teilweise sehr intensiv, emotional und aufwühlend, vor allem der Beginn ist großartig:
Diane Foley, die Erzählerin, auf dem Weg zum Treffen, welches im Saal des Gerichtshofes in den USA stattfindet, wir begleiten die Mutter des Opfers auf dem Weg zum Täter und erleben ihre Gedanken und Gefühle aus erster Hand.
Später, nach dieser Gegenüberstellung, wird das Schicksal James Wright Foleys beschrieben, seine Karriere als Reporter, die Suche nach Wahrheit, nach dem wahren Leben, nach Gefahr. Er begibt sich regelmäßig in Krisengebiete und berichtet über die Zustände vor Ort, über Menschenrechtsverletzungen, über Kriegshandlungen und -verbrechen, über Folter, Mord und Traumata.
Das Risiko im Ausland ist ständig anwesend - es wird beschrieben, wie die Front die Journalisten triggert, wie sie zu dem gefährlichsten Ort fahren wollen, um direkt aus der Hölle heraus zu berichten. Nach einer ersten Geiselnahme, die er glücklich überlebt, geht er trotzdem immer wieder zurück, für mich unvorstellbar, vermutlich einem veränderten Erleben der Realität geschuldet – die Normalität „gibt keinen Kick mehr“, kann nicht mehr als lebenswert, als voller Leben gelten. Und deshalb müssen drastischere Schritte gewählt werden, um die Erfüllung zu finden, erneute Lebensqualität und -intensität zu erreichen – und erneut wird der Auslandsaufenthalt in immer gefährlicheren Situationen gesucht – direkt im Kriegsgebiet, an der Front.
Bei der Aufarbeitung des Schicksals des Sohnes bleiben die Beteiligten aber doch überraschend fremd und distanziert, obwohl der Inhalt auf wahren Tatsachen beruht und es ist erstaunlich, dass die Geschichte emotional nicht stärker bewegt.
Die perfekte Familie wird dargestellt, das wirkt sehr "amerikanisch", immer wieder muss betont werden, wie gut alles funktioniert hat, wie gut die Geschwister miteinander umgehen - und dieser Teil wirkt langatmig und uninspiriert, als sie vom Aufwachsen Jims, ihrer Ehe und den Geschwistern erzählt. Es wirkt so statisch, wenig lebendig, nicht authentisch – das Glück der Familie vor der Entführung. Später folgt der Umgang mit dem Unglück, der Zusammenhalt in dieser Ausnahmesituation.
Diana schildert sich selbst als äußerst gläubige Katholikin. Die ständige Betonung auf den Glauben, das Gebet, der Anruf des Papstes, der Halt und die Zuversicht, die Diane daraus schöpft, ist wunderbar, es wird mir aber zu sehr breitgetreten und öffentlich gemacht, die Darstellung der eigenen Religiosität als Maßstab.
Ich bin insgesamt enttäuscht von der Biografie und hatte mir viel mehr versprochen. Die Figuren sind mir zu schwarz-weiß gestaltet, es bleibt nichts ambivalent oder im Vagen, Diane versucht sich und ihre Lebensweise auf eine bestimmte Art darzustellen, die mich eigentlich nur ärgert, obwohl ich doch eigentlich viel mehr Mitleid mit ihr haben sollte - was sie erlebt hat ist schrecklich. Sie erscheint mir allerdings so selbstgerecht und hat zu allem eine Meinung - wie Menschen handeln, wie sie sein sollten, wer ein Held ist, wer moralisch richtig und verantwortungsvoll handelt. Darum geht es doch gar nicht!
Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum McCann diese Sichtweise so unkritisch darstellt, warum er so wenig künstlerisch in die Biografie eingreift, ein für mich "unliterarisches" Werk. Mir fehlt seine individuelle Sichtweise, seine Verarbeitung des Themas, Fragen, die sich auftun, Ungereimtheiten, Leerstellen.
Die Rahmenhandlung ist definitiv gelungener, besonders der Anfang ist intensiv und vielversprechend und dann kippt es in diesen religiös geprägten Betroffenheitsmodus.
Interessant und richtig wird dem Gedanken nachsinniert, dass jeder Mensch eine Geschichte erzählt und dass jede Geschichte Gehör verdient und so ist es auch, jedes Menschenleben ist interessant bzw. hat interessante Aspekte, über die berichtet werden kann. Und keiner muss ein Held oder unbedingt außergewöhnlich sein, damit man ihn / sie literarisch anspruchsvoll und anregend verewigt.
Insgesamt würde ich das Buch nicht guten Gewissens verschenken, literarisch wenig anspruchsvoll, aber auch vom Inhalt her kaum ergreifend oder inspirierend - eine verpasste Chance – schade!