Was bedeutet Herkunft, was Heimat, was Sprache? Björn Bickers Erzählungen treffen mitten ins Herz, sie sind schonungslos und von einer großen Wärme und zeigen uns, dass die Liebe vielleicht die einzig verlässliche Gewissheit ist. Und das Erzählen. Amina hält es nicht mehr aus und schlägt in der U-Bahn einen Mann nieder, der ihr ins Gesicht gespuckt hat. Aber hat er ihr ins Gesicht gespuckt? Warum greift Igor, der in Fatmas Theater AG so hilfsbereit und aufmerksam war, plötzlich einen Mitschüler mit dem Messer an? Was ist mit dem Mann, der als Kind in eine Pflegefamilie gekommen ist, warum schweigen die Stimmen in seinem Kopf nicht? Und warum hört ein vierjähriges Kind auf zu sprechen? Manchmal ist es nur ein Satz, der ein Leben auf den Kopf stellt. Wie bei Eva und Ada und ihren beiden Kindern, als Eva sagt: Kinder, Arne, Lotta, wollt ihr Ingo nicht einfach Papa nennen? Die Menschen in diesen zehn Erzählungen behaupten auf ganz unterschiedliche Weise ihren Platz und ihre Identität in einer Gesellschaft, in der sie als anders wahrgenommen werden, sei es, wegen ihrer sexuellen Orientierung, weil sie arm oder krank sind, oder sei es, weil ihre Eltern oder Großeltern einst aus einem anderen Land gekommen sind. Sie studieren, sie arbeiten als Lehrerin, im Theater, an sich selbst, als Anwältin, Reinigungskraft oder Fotografin. Und sie kämpfen mit sich, mit der Gesellschaft, um das was sie ausmacht: ihre Menschlichkeit.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Rezensent Jan Drees liest mit den zehn Geschichten in "Aminas Lächeln" einen überzeugenden literarischen Beitrag zur Debatte über die Frage nach dem "Verhältnis von Sprache und Sein". Menschen geraten in psychische Krisen, werden verletzt, wütend, sogar zu Mördern in Björn Bickers Geschichten. Doch nie lässt sich der Autor zu einer endgültigen Aussage darüber hinreißen, inwiefern genau die Sprache für die Gefühle und Handlungen der Figuren verantwortlich ist. Dadurch bewahren sich seine Erzählungen eine erfrischende und überzeugende Ambivalenz und Komplexität, so Drees. Sie zeigen, dass Worte zwar Einfluss haben auf das Denken und Handeln, jedoch selten der einzige Auslöser sind von Krisen oder Gewalt. Das Ergebnis ist ein wunderbar "schillerndes" Buch, das eine angenehm offene Perspektive öffnet auf eine alte Frage, so der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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