The award-winning insiders' account of the scandals and toxic culture at Facebook-"thorough, high-caliber investigative reporting" (Kirkus, starred review). In An Ugly Truth, New York Timesreporters Sheera Frenkel and Cecilia Kang present a behind-the-scenes exposé of Facebook's fall from grace.They reveal explosive details about how the tech giant set out to connect the world-while also mishandling users' data, spreading fake news, and amplifying dangerous, polarizing hate speech. The company, many said, had simply lost its way. But the truth is far more complex. Facebook's engineers were instructed to create tools that encouraged people to spend as much time on the platform as possible, even if that meant promoting inflammatory rhetoric, conspiracy theories, and partisan filter bubbles. And while consumers and lawmakers were outraged by privacy breaches and misinformation, Facebook solidified its role as the world's most voracious data-mining machine, posting record profits, and shoring up its dominance via aggressive lobbying efforts. Drawing on their unrivaled sources, Frenkel and Kang take readers inside the alliances and rivalries within the company to demonstrate that the company's "missteps" were no such thing-this is how Mark Zuckerberg and Sheryl Sandberg built Facebook to perform. InAn Ugly Truth, they are at last held accountable. A Book of the Year:Fortune,Foreign Affairs,The Times(London),Cosmopolitan, TechCrunch, WIRED
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.07.2021„Letztlich ist Facebook ein Geschäft“
Zwei Autorinnen legen die Ängste von Mark Zuckerberg offen. Können sie ihm gefährlich werden?
Aus dem Silicon Valley vernimmt man, dass sich Mark Zuckerberg und Sheryl Sandberg vor dem Buch „Inside Facebook“ der beiden New York Times-Reporterinnen Sheera Frenkel und Cecilia Kang fürchten. Am Donnerstag veröffentlichte die Times einen Vorabdruck, in dem ausführlich zu lesen war, wie sich die beiden geschäftlich auseinandergelebt haben, was auch daran liegen soll, dass Sheryl Sandberg die Hoffnungen nicht erfüllte, dass sie ihre Erfahrungen in und mit Washington in die Firma einbringen würde. Da waren die zwei gerade in Sun Valley. Das ist ein Skiort in Idaho, in dem jeden Sommer die Allen & Co Conference stattfindet, ein geheimnisvolles Treffen, das auch „Sommerferienlager für Milliardäre“ genannt wird. Warren Buffet, Tim Cook, Jeff Bezos und wer sonst noch unvorstellbar viel Geld hat, waren vergangene Woche dort.
Kurz nach Erscheinen des Vorabdrucks spazierten die zwei angeblich zerstrittenen Facebook-Chefs demonstrativ innig und gemeinsam durch das Dorf. Sandberg trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Just Love“, Zuckerberg pfirsichfarbene Shorts und Adiletten. Sie lächelten sich dabei an wie Frischverliebte. Man fragt sich, wer solche Peinlichkeiten arrangiert. Was auch ein Symptom für das Grundproblem ist, das Kang und Frenkel in ihrem Buch herausarbeiten: Dass Facebook ein Weltkonzern ist, der letztlich von einem einzigen Mann geführt wird. Einem, der eine etwas verklärte Sicht auf sich selbst hat, und der alle wichtigen Entscheidungen selbst trifft. Nicht immer die besten.
„Das ist eine interessante Zeit für Mark Zuckerberg“, sagt Autorin Cecilia Kang. Sie hat sich aus New York zum Videogespräch zugeschaltet, ihre Kollegin Sheera Frenkel aus dem Silicon Valley in Kalifornien. Die beiden berichten seit Jahren über Facebook und haben für ihr Buch mehr als 400 ehemalige und aktive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dazu Leute mit Expertise und Erfahrung zum Unternehmen interviewt. Zuckerberg und Sandberg selbst wollten sich nicht befragen lassen.
„Er hat gerade eine sehr bedrohliche Klage der amerikanischen Bundesregierung gegen Facebook gewonnen“, erzählt Kang. „Gleich nach der Gerichtsentscheidung postete er: ‚Ich bin dankbar, dass ich Dinge bauen darf, die für so viele Menschen eine Bedeutung in ihrem Leben haben.‘ Und dann war da diese Foilboard-Sache.“ In einem Youtube-Video glitt Zuckerberg recht triumphal auf einem elektrisch betriebenen Tragflügelsurfboard über einen See, eine Amerikaflagge in den Händen. Dazu lief John Denvers Heimatschnulze „Take Me Home, Country Roads“. Das postete Zuckerberg zum Nationalfeiertag, dem 4. Juli.
Debatten über Facebook drehen sich sonst ja weniger um Peinlichkeiten als um die zerstörerischen Wirkungen des Netzwerks auf Politik und Gesellschaft, um die enorme Machtkonzentration, die Monopolstellung, um die russischen Manipulationen und Donald Trumps Missbrauch, um die Rolle der Plattform beim Sturm auf das Kapitol und um seine Rolle in Krisengebieten wie den Philippinen, Sri Lanka und Myanmar. Aber das wird im Hauptquartier gerne ausgeblendet. Kang sagt: „Es gibt eine Menge Leute, die Facebook nicht mögen und über diese Serie sehr schlechter Entscheidungen und Krisen besorgt sind.“ Gleichzeitig ist der Konzern sehr erfolgreich. „Die Geschäftsnorm ist nun mal, Wachstum an erste Stelle zu setzen. Einfach kontinuierlich wachsen, wachsen, wachsen. Es gibt keine Pause.“
Ganz konkret: „Der Konzern wird mit mehr als einer Billion Dollar bewertet, das Werbemodell floriert. Alleine im vergangenen Jahr brachte dieses Geschäftsmodell rund 85 Milliarden Dollar ein. Es gibt für die Führungsspitze also keinen Grund, sich irgendwie schlecht zu fühlen.“ Es sei wichtig, sich daran zu erinnern: „Letztlich ist Facebook ein Geschäft.“
Sheera Frenkel sagt: „Mark Zuckerberg kam ins Silicon Valley, als er noch jung und beeinflussbar war. Er geriet in eine Gruppe von Investoren und Beratern, die wirklich an dieses Ethos des schnellen Handelns und des Aufbrechens von Dingen glauben.“ Der Gründer sei König und Zuckerberg habe man schon sehr früh gesagt, er sei ein Genie. „Und dass er diese absolute Kontrolle über sein Unternehmen behalten müsse. Das ist immer noch ein großer Teil dessen, was ihn leitet.“
Frenkel und Kang sind Zuckerberg sehr dicht auf der Spur, streckenweise liest sich ihr Buch wie ein Thriller. Zum Beispiel die Szene aus dem Mai 2019: „Zuckerberg war auf hundertachtzig. Er war in einer schwarzen Großraumlimousine der Mercedes-V-Klasse mit Chauffeur durch die Straßen von Paris unterwegs und überflog wutentbrannt einen Artikel auf seinem Smartphone. Am Nachmittag hatten die Regenschauer nachgelassen, und auf den Gehwegen entlang der Seine wimmelte es von Fußgängern.“
Der Artikel, den Zuckerberg da las war, von seinem ehemaligen Zimmergenossen in Harvard und Mitbegründer von Facebook Chris Hughes. Der forderte da über eine Länge von fünf regulären Gastbeiträgen, dass man Facebook zerschlagen sollte. Das, schreiben Frenkel und Kang, ist eine der drei großen Ängste des Konzerngründers. So steht es gleich im ersten Satz des Buches: „Einem ehemaligen hohen Facebook-Manager zufolge fürchtete Mark Zuckerberg vor allem drei Dinge: dass die Website gehackt würde, dass seine Angestellten körperlichen Schaden erlitten und dass die Behörden eines Tages sein soziales Netzwerk zerschlagen würden.“ Wenn sie dann beschreiben, wie Zuckerberg mit seinen PR-Kohorten in die Gegenoffensive geht, liest sich das wie ein Kriegsbericht.
Auch Frenkel und Kang rechnen mit Gegenwind, wenn das Buch nun erscheint. Wobei es für Facebook keine Überraschungen geben sollte. Jeder Fakt, jedes offizielle Zitat wurde mit dem Konzern geklärt, sagen sie. Widerstand habe es dabei nur in Details gegeben. „Wir waren überrascht, wie wenig sachliche, substanzielle Details oder Szenen in den Büchern sie geändert haben wollte“, sagt Frenkel. „Es waren wirklich sehr kleine Dinge. Wir erinnern uns, dass das an einem Dienstagnachmittag geschah, nicht an einem Dienstagmorgen, oder sie aßen zu Mittag, bevor das Meeting begann, nicht während des Meetings.“
Trotzdem soll es seit vergangener Woche ein Statement zum Buch von Sheryl Sandberg geben. Aus dem Silicon Valley heißt es ebenfalls, dass das Buch ursprünglich eigentlich eine Sandberg-Biografie werden sollte. Die nur zustande kam, weil Frenkel und Kang darüber berichtet hatten, wie Sandberg daran arbeitete, dass der Investor George Soros nach einer heftigen Anti-Facebook-Rede am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos weltweit diskreditiert würde. Daraufhin hätten sie den Zugang zu Facebook bekommen.
Nein, nein, sagen die beiden, das stimme nicht. Auch das Gerücht, das manche Facebook-Kenner in die Welt setzen, Sandberg könnte über das Buch stolpern, halten sie für übertriebenes Skandalgetue. „Klar hoffen wir, dass die Leute innerhalb von Facebook und die Führung irgendwie darüber nachdenken“, sagt Kang. „Wir hoffen auch einfach, dass sie das Unternehmen nicht nur als dieses utopische Werkzeug sehen, um die Welt zu verbinden, sondern die nächste Frage stellen. Was passiert denn, wenn man die Welt verbindet, und darüber tiefer nachdenkt. Wir können nicht so tun, als wüssten wir alle Antworten, aber wir versuchen auch nicht, während des Flugs ein Fahrwerk für ein Flugzeug zu bauen, so wie es bei Facebook der Fall zu sein scheint.“ Und Frenkel ergänzt: „Wir können Facebook nur sagen: Das sind ihre eigenen Mitarbeiter, die mit uns gesprochen haben. Und sie haben es nicht getan, weil sie sie hassen. Sie haben es getan, weil sie wollen, dass Facebook es besser macht.“
ANDRIAN KREYE
Wachstum um jeden Preis
ist das eine Problem.
Das andere ist Zuckerberg
„Klar hoffen wir, dass die Leute innerhalb von Facebook und die Führung darüber nachdenken“, sagen Cecilia Kang (li.) und Sheera Frenkel.
Foto: Beowulf Sheehan
Wer ist Mark Zuckerberg, der sich gerade triumphal auf einem Surfboard inszeniert hat?
Foto: Screenshot/Instagram
Sheera Frenkel und Cecilia Kang: Inside Facebook. Aus dem Amerikanischen von Henning Dedekind, Marlene Fleißig, Frank Lachmann und Hans-Peter Remmler.
S. Fischer Verlag,
Frankfurt, 2021.
384 Seiten, 24 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Zwei Autorinnen legen die Ängste von Mark Zuckerberg offen. Können sie ihm gefährlich werden?
Aus dem Silicon Valley vernimmt man, dass sich Mark Zuckerberg und Sheryl Sandberg vor dem Buch „Inside Facebook“ der beiden New York Times-Reporterinnen Sheera Frenkel und Cecilia Kang fürchten. Am Donnerstag veröffentlichte die Times einen Vorabdruck, in dem ausführlich zu lesen war, wie sich die beiden geschäftlich auseinandergelebt haben, was auch daran liegen soll, dass Sheryl Sandberg die Hoffnungen nicht erfüllte, dass sie ihre Erfahrungen in und mit Washington in die Firma einbringen würde. Da waren die zwei gerade in Sun Valley. Das ist ein Skiort in Idaho, in dem jeden Sommer die Allen & Co Conference stattfindet, ein geheimnisvolles Treffen, das auch „Sommerferienlager für Milliardäre“ genannt wird. Warren Buffet, Tim Cook, Jeff Bezos und wer sonst noch unvorstellbar viel Geld hat, waren vergangene Woche dort.
Kurz nach Erscheinen des Vorabdrucks spazierten die zwei angeblich zerstrittenen Facebook-Chefs demonstrativ innig und gemeinsam durch das Dorf. Sandberg trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Just Love“, Zuckerberg pfirsichfarbene Shorts und Adiletten. Sie lächelten sich dabei an wie Frischverliebte. Man fragt sich, wer solche Peinlichkeiten arrangiert. Was auch ein Symptom für das Grundproblem ist, das Kang und Frenkel in ihrem Buch herausarbeiten: Dass Facebook ein Weltkonzern ist, der letztlich von einem einzigen Mann geführt wird. Einem, der eine etwas verklärte Sicht auf sich selbst hat, und der alle wichtigen Entscheidungen selbst trifft. Nicht immer die besten.
„Das ist eine interessante Zeit für Mark Zuckerberg“, sagt Autorin Cecilia Kang. Sie hat sich aus New York zum Videogespräch zugeschaltet, ihre Kollegin Sheera Frenkel aus dem Silicon Valley in Kalifornien. Die beiden berichten seit Jahren über Facebook und haben für ihr Buch mehr als 400 ehemalige und aktive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dazu Leute mit Expertise und Erfahrung zum Unternehmen interviewt. Zuckerberg und Sandberg selbst wollten sich nicht befragen lassen.
„Er hat gerade eine sehr bedrohliche Klage der amerikanischen Bundesregierung gegen Facebook gewonnen“, erzählt Kang. „Gleich nach der Gerichtsentscheidung postete er: ‚Ich bin dankbar, dass ich Dinge bauen darf, die für so viele Menschen eine Bedeutung in ihrem Leben haben.‘ Und dann war da diese Foilboard-Sache.“ In einem Youtube-Video glitt Zuckerberg recht triumphal auf einem elektrisch betriebenen Tragflügelsurfboard über einen See, eine Amerikaflagge in den Händen. Dazu lief John Denvers Heimatschnulze „Take Me Home, Country Roads“. Das postete Zuckerberg zum Nationalfeiertag, dem 4. Juli.
Debatten über Facebook drehen sich sonst ja weniger um Peinlichkeiten als um die zerstörerischen Wirkungen des Netzwerks auf Politik und Gesellschaft, um die enorme Machtkonzentration, die Monopolstellung, um die russischen Manipulationen und Donald Trumps Missbrauch, um die Rolle der Plattform beim Sturm auf das Kapitol und um seine Rolle in Krisengebieten wie den Philippinen, Sri Lanka und Myanmar. Aber das wird im Hauptquartier gerne ausgeblendet. Kang sagt: „Es gibt eine Menge Leute, die Facebook nicht mögen und über diese Serie sehr schlechter Entscheidungen und Krisen besorgt sind.“ Gleichzeitig ist der Konzern sehr erfolgreich. „Die Geschäftsnorm ist nun mal, Wachstum an erste Stelle zu setzen. Einfach kontinuierlich wachsen, wachsen, wachsen. Es gibt keine Pause.“
Ganz konkret: „Der Konzern wird mit mehr als einer Billion Dollar bewertet, das Werbemodell floriert. Alleine im vergangenen Jahr brachte dieses Geschäftsmodell rund 85 Milliarden Dollar ein. Es gibt für die Führungsspitze also keinen Grund, sich irgendwie schlecht zu fühlen.“ Es sei wichtig, sich daran zu erinnern: „Letztlich ist Facebook ein Geschäft.“
Sheera Frenkel sagt: „Mark Zuckerberg kam ins Silicon Valley, als er noch jung und beeinflussbar war. Er geriet in eine Gruppe von Investoren und Beratern, die wirklich an dieses Ethos des schnellen Handelns und des Aufbrechens von Dingen glauben.“ Der Gründer sei König und Zuckerberg habe man schon sehr früh gesagt, er sei ein Genie. „Und dass er diese absolute Kontrolle über sein Unternehmen behalten müsse. Das ist immer noch ein großer Teil dessen, was ihn leitet.“
Frenkel und Kang sind Zuckerberg sehr dicht auf der Spur, streckenweise liest sich ihr Buch wie ein Thriller. Zum Beispiel die Szene aus dem Mai 2019: „Zuckerberg war auf hundertachtzig. Er war in einer schwarzen Großraumlimousine der Mercedes-V-Klasse mit Chauffeur durch die Straßen von Paris unterwegs und überflog wutentbrannt einen Artikel auf seinem Smartphone. Am Nachmittag hatten die Regenschauer nachgelassen, und auf den Gehwegen entlang der Seine wimmelte es von Fußgängern.“
Der Artikel, den Zuckerberg da las war, von seinem ehemaligen Zimmergenossen in Harvard und Mitbegründer von Facebook Chris Hughes. Der forderte da über eine Länge von fünf regulären Gastbeiträgen, dass man Facebook zerschlagen sollte. Das, schreiben Frenkel und Kang, ist eine der drei großen Ängste des Konzerngründers. So steht es gleich im ersten Satz des Buches: „Einem ehemaligen hohen Facebook-Manager zufolge fürchtete Mark Zuckerberg vor allem drei Dinge: dass die Website gehackt würde, dass seine Angestellten körperlichen Schaden erlitten und dass die Behörden eines Tages sein soziales Netzwerk zerschlagen würden.“ Wenn sie dann beschreiben, wie Zuckerberg mit seinen PR-Kohorten in die Gegenoffensive geht, liest sich das wie ein Kriegsbericht.
Auch Frenkel und Kang rechnen mit Gegenwind, wenn das Buch nun erscheint. Wobei es für Facebook keine Überraschungen geben sollte. Jeder Fakt, jedes offizielle Zitat wurde mit dem Konzern geklärt, sagen sie. Widerstand habe es dabei nur in Details gegeben. „Wir waren überrascht, wie wenig sachliche, substanzielle Details oder Szenen in den Büchern sie geändert haben wollte“, sagt Frenkel. „Es waren wirklich sehr kleine Dinge. Wir erinnern uns, dass das an einem Dienstagnachmittag geschah, nicht an einem Dienstagmorgen, oder sie aßen zu Mittag, bevor das Meeting begann, nicht während des Meetings.“
Trotzdem soll es seit vergangener Woche ein Statement zum Buch von Sheryl Sandberg geben. Aus dem Silicon Valley heißt es ebenfalls, dass das Buch ursprünglich eigentlich eine Sandberg-Biografie werden sollte. Die nur zustande kam, weil Frenkel und Kang darüber berichtet hatten, wie Sandberg daran arbeitete, dass der Investor George Soros nach einer heftigen Anti-Facebook-Rede am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos weltweit diskreditiert würde. Daraufhin hätten sie den Zugang zu Facebook bekommen.
Nein, nein, sagen die beiden, das stimme nicht. Auch das Gerücht, das manche Facebook-Kenner in die Welt setzen, Sandberg könnte über das Buch stolpern, halten sie für übertriebenes Skandalgetue. „Klar hoffen wir, dass die Leute innerhalb von Facebook und die Führung irgendwie darüber nachdenken“, sagt Kang. „Wir hoffen auch einfach, dass sie das Unternehmen nicht nur als dieses utopische Werkzeug sehen, um die Welt zu verbinden, sondern die nächste Frage stellen. Was passiert denn, wenn man die Welt verbindet, und darüber tiefer nachdenkt. Wir können nicht so tun, als wüssten wir alle Antworten, aber wir versuchen auch nicht, während des Flugs ein Fahrwerk für ein Flugzeug zu bauen, so wie es bei Facebook der Fall zu sein scheint.“ Und Frenkel ergänzt: „Wir können Facebook nur sagen: Das sind ihre eigenen Mitarbeiter, die mit uns gesprochen haben. Und sie haben es nicht getan, weil sie sie hassen. Sie haben es getan, weil sie wollen, dass Facebook es besser macht.“
ANDRIAN KREYE
Wachstum um jeden Preis
ist das eine Problem.
Das andere ist Zuckerberg
„Klar hoffen wir, dass die Leute innerhalb von Facebook und die Führung darüber nachdenken“, sagen Cecilia Kang (li.) und Sheera Frenkel.
Foto: Beowulf Sheehan
Wer ist Mark Zuckerberg, der sich gerade triumphal auf einem Surfboard inszeniert hat?
Foto: Screenshot/Instagram
Sheera Frenkel und Cecilia Kang: Inside Facebook. Aus dem Amerikanischen von Henning Dedekind, Marlene Fleißig, Frank Lachmann und Hans-Peter Remmler.
S. Fischer Verlag,
Frankfurt, 2021.
384 Seiten, 24 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.09.2021Ein einziger großer Fehler
Künstliche Intelligenz soll es letztlich richten: Sheera Frenkel und Cecilia Kang erzählen die Entwicklung von Facebook als Geschichte einer Überforderung.
Erst wusste niemand so recht, was Mark Zuckerberg mit Facebook in die Welt gesetzt hatte. Immer wieder schien auch das Unternehmen nicht oder erst spät zu erkennen, wohin die Features und Fortentwicklungen seines sozialen Netzwerks führen würden. Und immer wieder war offenbar die größte Sorge des Konzerns, der Profit könnte leiden, wenn Facebook mit der gebotenen Entschlossenheit gegen den propagandistischen Missbrauch seines sozialen Netzwerks vorginge oder auch nur das Ausmaß der Manipulations-, Desinformations- und Agitationsversuche eingestünde, die hier tagein, tagaus unternommen werden: So lässt sich die jahrelange Recherche zusammenfassen, die Sheera Frenkel und Cecilia Kang in ihrem Buch bündeln.
Zu den entscheidenden Enthüllungen der beiden Journalistinnen der New York Times gehört, auf welches Unverständnis und welchen Widerstand manche der Entscheidungen Zuckerbergs im Unternehmen selbst stießen - und wie der "Facebook-Spirit", Menschen besser miteinander zu verbinden, von einer begeistert geteilten Vision zur zynisch klingenden hohlen Formel verkümmerte. Irgendwann, schreiben Sheera Frenkel und Cecilia Kang, war es vielen Angestellten peinlich geworden, zuzugeben, dass sie für Facebook arbeiteten. Nachdem selbst ein Post Trumps ungesperrt geblieben war, der Demonstranten nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd über Facebook mit Schusswaffengebrauch gedroht hatte, fragten Mitarbeiter in den firmeninternen Foren nach Jobangeboten beim Konkurrenten Twitter, einer sogar nach einem Job "bei irgendeiner Firma, die gezeigt hat, dass sie gewillt ist, zu ihrer moralischen Verantwortung in der Welt zu stehen - denn Facebook scheint diese Firma ja nicht zu sein". "Wir erlauben Politikern, unsere Plattform als Waffe einzusetzen", hatten mehrere hundert Mitarbeiter im Herbst 2019 in einem offenen Brief an Mark Zuckerberg festgestellt. Kurz zuvor hatte das Unternehmen verkündet, "führende Politiker" auf der Plattform weiterhin "umfassend, ungefiltert und ungeprüft" zu Wort kommen zu lassen: Der Weg war frei für Trumps beispiellose Kampagne, die in der Behauptung gipfelte, die Wahl sei ihm "gestohlen" worden.
"Am Wahltag und am Tag danach", zitieren Frenkel und Kang den ehemaligen Sicherheitschef von Facebook, Alex Stamos, "sahen wir konzertierte Anstrengungen des Präsidenten und seiner Anhänger, die noch weitaus erfolgreicher waren als das, was die Russen 2016 angestellt hatten." Damals, als Donald Trump und Hillary Clinton für das Präsidentenamt kandidierten, hatte das Team von Stamos festgestellt, dass Hacker versucht hatten, sich Zugang zu Facebook-Konten aus dem demokratischen Umfeld zu verschaffen. Die Spur dieser Angriffe ließ sich nach Russland zurückverfolgen. Der Report dieser Auffälligkeiten blieb auf dem Weg zur Konzernspitze in der Rechtsabteilung von Facebook hängen. Über die Facebook-Seite "DCLeaks" wurden gestohlene Informationen der Demokraten verbreitet - und Trump kommentierte den Skandal genüsslich: "Russland, wenn du zuhörst, ich hoffe, du wirst die 30 000 E-Mails finden, die verschwunden sind. Ich denke, unsere Presse dürfte dich dafür reich belohnen."
Erst als Abgeordnete im Kongress öffentlich feststellten, Facebook halte Beweise für eine russische Einmischung in den Präsidentschaftswahlkampf zurück, zeigten Mitarbeiter des Unternehmens Politikern beider Parteien in einem Keller bezahlte Anzeigen wie die berühmte "Muslime für Clinton"-Montage, mit denen aus Russland Stimmung gemacht wurde - etwa zwölf Bilder, ausgedruckt, nur zur Ansicht.
Die Liste der Propaganda-Posts, die mit den Mitteln Facebooks ein Millionenpublikum erreichten, ist lang: vom manipulierten Video, das Nancy Pelosi vermeintlich betrunken zeigt, zu Trumps Lobpreisungen von Desinfektionsmitteln zum Kampf gegen Corona, von Holocaust-Leugnung zum QAnon-Kult, von Provokationen autoritärer Politiker wie Erdogan in der Türkei und Maduro in Venezuela zu Desinformationskampagnen in Myanmar, die den Hass gegen die Rohingya anfachten.
Mehr als vierhundert Personen haben Frenkel und Kang für ihr ebenso packendes wie bestürzendes Buch befragt, E-Mails, Memos und interne Dokumente ausgewertet. Technische Entwicklungen und neue Angebote werden in ihren Auswirkungen auf Nutzerverhalten und Manipulationsanfälligkeit vorgestellt. Der Schwerpunkt des Buchs liegt auf dem Missbrauch der Angebote, den Reaktionen des Unternehmens und denen der Öffentlichkeit. Die Gelegenheiten des Konzerns zur Selbstinszenierung indes werden weitgehend ausgespart: Der Umzug in den neuen Hauptsitz in Menlo Park im zweiten Halbjahr 2011 findet ebenso wenig Beachtung wie der Börsengang im Frühjahr 2012.
Szenisch schließt das Buch mit der Bilanzpressekonferenz am 27. Januar 2021, bei der Sheryl Sandberg ungeachtet aller Vorbehalte gegen das Unternehmen im Katastrophenjahr 2020 einen Umsatzsprung von 33 Prozent im vierten Quartal bekannt gibt, auf 28 Milliarden Dollar, während Mark Zuckerberg einräumt, "die Leute" wollten nicht, "dass der ständige politische Streit ihr persönliches Erlebnis auf unserer Plattform völlig beherrscht", und eine geringere Gewichtung politischer Inhalte im News Feed der Nutzer ankündigt.
Bei seiner Anhörung im amerikanischen Kongress Anfang April 2018 hatte Zuckerberg noch um Entschuldigung gebeten: für Falschmeldungen und Hass-Postings, für mangelhafte Datensicherheit und die Hilflosigkeit angesichts russischer Manipulationsversuche vor der Präsidentenwahl 2016. "Wir haben unsere Verantwortung nicht umfassend genug wahrgenommen", hatte der Facebook-Chef damals eingestanden, "und das war ein großer Fehler."
Immer wieder gelobt das Unternehmen Besserung, und es versucht Verbesserungen, auch heute noch: Nach der Machtübernahme der Taliban hat das soziale Netzwerk in Afghanistan die Freundeslisten der Nutzer im Land verborgen, damit Facebook-Nutzer einander durch sie nicht unwissentlich verraten und in Gefahr bringen können. Vor den Midterm-Wahlen in den Vereinigten Staaten soll eine unabhängige Wahlkommission eingesetzt werden, die vergleichbar mit dem Gremium für Nutzerbeschwerden in Zweifelsfällen entscheidet, welche Inhalte gesperrt werden.
Andererseits will dem Unternehmen offensichtlich nicht gelingen, falschen Informationen über die Wirksamkeit von Ivermectin zur Behandlung von Covid-Erkrankten Einhalt zu gebieten, und gerade erst wurden Facebook-Nutzer, die sich ein Video mit der Überschrift "Weißer Mann ruft Polizei wegen schwarzer Männer am Hafen" angesehen hatten, anschließend per Automatismus gefragt, ob sie "weiterhin Videos über Primaten sehen möchten". Ungeachtet solcher Misserfolge scheint der Einsatz Künstlicher Intelligenz immer noch Zuckerbergs Mittel der Wahl zur Lösung inhaltlicher Probleme zu sein.
Eine naheliegende Lösung der Probleme des Unternehmens indes bekämpft Facebook nach Kräften - und die Kräfte sind groß: Die Verbraucherschutzorganisation Algorithm Watch wurde im August bei einem Versuch, den Newsfeed-Algorithmus von Instagram zu erforschen, von den Anwälten des Unternehmens gestoppt. Algorithm Watch hatte Nutzer gebeten, ein Browser-Add-on zu installieren, das ausliest, was sie angezeigt bekommen. Forschern der New York University, die mit ähnlichem Ansatz die Ausspielung von Werbung bei Facebook untersuchen wollten, wurden unter Verweis auf die Privatsphäre der Nutzer-Accounts gesperrt.
Obwohl von ihrer Lösung die Stabilität von Gesellschaften und die Sicherheit von Menschenleben abhängen können, zeigt Facebook das eine um das andere Mal, dass es die eigenen Probleme nicht selbst in den Griff bekommt. Doch Transparenz, die Möglichkeit, dass zumindest unabhängige Forscher sehen können, was Facebook selbst an Daten und Dilemmata sieht, scheut das Unternehmen wie der Teufel das Weihwasser. FRIDTJOF KÜCHEMANN
Sheera Frenkel und Cecilia Kang: "Inside Facebook". Die hässliche Wahrheit.
Aus dem Englischen von Henning Dedekind u. a.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021. 384 S., geb., 24,- Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Künstliche Intelligenz soll es letztlich richten: Sheera Frenkel und Cecilia Kang erzählen die Entwicklung von Facebook als Geschichte einer Überforderung.
Erst wusste niemand so recht, was Mark Zuckerberg mit Facebook in die Welt gesetzt hatte. Immer wieder schien auch das Unternehmen nicht oder erst spät zu erkennen, wohin die Features und Fortentwicklungen seines sozialen Netzwerks führen würden. Und immer wieder war offenbar die größte Sorge des Konzerns, der Profit könnte leiden, wenn Facebook mit der gebotenen Entschlossenheit gegen den propagandistischen Missbrauch seines sozialen Netzwerks vorginge oder auch nur das Ausmaß der Manipulations-, Desinformations- und Agitationsversuche eingestünde, die hier tagein, tagaus unternommen werden: So lässt sich die jahrelange Recherche zusammenfassen, die Sheera Frenkel und Cecilia Kang in ihrem Buch bündeln.
Zu den entscheidenden Enthüllungen der beiden Journalistinnen der New York Times gehört, auf welches Unverständnis und welchen Widerstand manche der Entscheidungen Zuckerbergs im Unternehmen selbst stießen - und wie der "Facebook-Spirit", Menschen besser miteinander zu verbinden, von einer begeistert geteilten Vision zur zynisch klingenden hohlen Formel verkümmerte. Irgendwann, schreiben Sheera Frenkel und Cecilia Kang, war es vielen Angestellten peinlich geworden, zuzugeben, dass sie für Facebook arbeiteten. Nachdem selbst ein Post Trumps ungesperrt geblieben war, der Demonstranten nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd über Facebook mit Schusswaffengebrauch gedroht hatte, fragten Mitarbeiter in den firmeninternen Foren nach Jobangeboten beim Konkurrenten Twitter, einer sogar nach einem Job "bei irgendeiner Firma, die gezeigt hat, dass sie gewillt ist, zu ihrer moralischen Verantwortung in der Welt zu stehen - denn Facebook scheint diese Firma ja nicht zu sein". "Wir erlauben Politikern, unsere Plattform als Waffe einzusetzen", hatten mehrere hundert Mitarbeiter im Herbst 2019 in einem offenen Brief an Mark Zuckerberg festgestellt. Kurz zuvor hatte das Unternehmen verkündet, "führende Politiker" auf der Plattform weiterhin "umfassend, ungefiltert und ungeprüft" zu Wort kommen zu lassen: Der Weg war frei für Trumps beispiellose Kampagne, die in der Behauptung gipfelte, die Wahl sei ihm "gestohlen" worden.
"Am Wahltag und am Tag danach", zitieren Frenkel und Kang den ehemaligen Sicherheitschef von Facebook, Alex Stamos, "sahen wir konzertierte Anstrengungen des Präsidenten und seiner Anhänger, die noch weitaus erfolgreicher waren als das, was die Russen 2016 angestellt hatten." Damals, als Donald Trump und Hillary Clinton für das Präsidentenamt kandidierten, hatte das Team von Stamos festgestellt, dass Hacker versucht hatten, sich Zugang zu Facebook-Konten aus dem demokratischen Umfeld zu verschaffen. Die Spur dieser Angriffe ließ sich nach Russland zurückverfolgen. Der Report dieser Auffälligkeiten blieb auf dem Weg zur Konzernspitze in der Rechtsabteilung von Facebook hängen. Über die Facebook-Seite "DCLeaks" wurden gestohlene Informationen der Demokraten verbreitet - und Trump kommentierte den Skandal genüsslich: "Russland, wenn du zuhörst, ich hoffe, du wirst die 30 000 E-Mails finden, die verschwunden sind. Ich denke, unsere Presse dürfte dich dafür reich belohnen."
Erst als Abgeordnete im Kongress öffentlich feststellten, Facebook halte Beweise für eine russische Einmischung in den Präsidentschaftswahlkampf zurück, zeigten Mitarbeiter des Unternehmens Politikern beider Parteien in einem Keller bezahlte Anzeigen wie die berühmte "Muslime für Clinton"-Montage, mit denen aus Russland Stimmung gemacht wurde - etwa zwölf Bilder, ausgedruckt, nur zur Ansicht.
Die Liste der Propaganda-Posts, die mit den Mitteln Facebooks ein Millionenpublikum erreichten, ist lang: vom manipulierten Video, das Nancy Pelosi vermeintlich betrunken zeigt, zu Trumps Lobpreisungen von Desinfektionsmitteln zum Kampf gegen Corona, von Holocaust-Leugnung zum QAnon-Kult, von Provokationen autoritärer Politiker wie Erdogan in der Türkei und Maduro in Venezuela zu Desinformationskampagnen in Myanmar, die den Hass gegen die Rohingya anfachten.
Mehr als vierhundert Personen haben Frenkel und Kang für ihr ebenso packendes wie bestürzendes Buch befragt, E-Mails, Memos und interne Dokumente ausgewertet. Technische Entwicklungen und neue Angebote werden in ihren Auswirkungen auf Nutzerverhalten und Manipulationsanfälligkeit vorgestellt. Der Schwerpunkt des Buchs liegt auf dem Missbrauch der Angebote, den Reaktionen des Unternehmens und denen der Öffentlichkeit. Die Gelegenheiten des Konzerns zur Selbstinszenierung indes werden weitgehend ausgespart: Der Umzug in den neuen Hauptsitz in Menlo Park im zweiten Halbjahr 2011 findet ebenso wenig Beachtung wie der Börsengang im Frühjahr 2012.
Szenisch schließt das Buch mit der Bilanzpressekonferenz am 27. Januar 2021, bei der Sheryl Sandberg ungeachtet aller Vorbehalte gegen das Unternehmen im Katastrophenjahr 2020 einen Umsatzsprung von 33 Prozent im vierten Quartal bekannt gibt, auf 28 Milliarden Dollar, während Mark Zuckerberg einräumt, "die Leute" wollten nicht, "dass der ständige politische Streit ihr persönliches Erlebnis auf unserer Plattform völlig beherrscht", und eine geringere Gewichtung politischer Inhalte im News Feed der Nutzer ankündigt.
Bei seiner Anhörung im amerikanischen Kongress Anfang April 2018 hatte Zuckerberg noch um Entschuldigung gebeten: für Falschmeldungen und Hass-Postings, für mangelhafte Datensicherheit und die Hilflosigkeit angesichts russischer Manipulationsversuche vor der Präsidentenwahl 2016. "Wir haben unsere Verantwortung nicht umfassend genug wahrgenommen", hatte der Facebook-Chef damals eingestanden, "und das war ein großer Fehler."
Immer wieder gelobt das Unternehmen Besserung, und es versucht Verbesserungen, auch heute noch: Nach der Machtübernahme der Taliban hat das soziale Netzwerk in Afghanistan die Freundeslisten der Nutzer im Land verborgen, damit Facebook-Nutzer einander durch sie nicht unwissentlich verraten und in Gefahr bringen können. Vor den Midterm-Wahlen in den Vereinigten Staaten soll eine unabhängige Wahlkommission eingesetzt werden, die vergleichbar mit dem Gremium für Nutzerbeschwerden in Zweifelsfällen entscheidet, welche Inhalte gesperrt werden.
Andererseits will dem Unternehmen offensichtlich nicht gelingen, falschen Informationen über die Wirksamkeit von Ivermectin zur Behandlung von Covid-Erkrankten Einhalt zu gebieten, und gerade erst wurden Facebook-Nutzer, die sich ein Video mit der Überschrift "Weißer Mann ruft Polizei wegen schwarzer Männer am Hafen" angesehen hatten, anschließend per Automatismus gefragt, ob sie "weiterhin Videos über Primaten sehen möchten". Ungeachtet solcher Misserfolge scheint der Einsatz Künstlicher Intelligenz immer noch Zuckerbergs Mittel der Wahl zur Lösung inhaltlicher Probleme zu sein.
Eine naheliegende Lösung der Probleme des Unternehmens indes bekämpft Facebook nach Kräften - und die Kräfte sind groß: Die Verbraucherschutzorganisation Algorithm Watch wurde im August bei einem Versuch, den Newsfeed-Algorithmus von Instagram zu erforschen, von den Anwälten des Unternehmens gestoppt. Algorithm Watch hatte Nutzer gebeten, ein Browser-Add-on zu installieren, das ausliest, was sie angezeigt bekommen. Forschern der New York University, die mit ähnlichem Ansatz die Ausspielung von Werbung bei Facebook untersuchen wollten, wurden unter Verweis auf die Privatsphäre der Nutzer-Accounts gesperrt.
Obwohl von ihrer Lösung die Stabilität von Gesellschaften und die Sicherheit von Menschenleben abhängen können, zeigt Facebook das eine um das andere Mal, dass es die eigenen Probleme nicht selbst in den Griff bekommt. Doch Transparenz, die Möglichkeit, dass zumindest unabhängige Forscher sehen können, was Facebook selbst an Daten und Dilemmata sieht, scheut das Unternehmen wie der Teufel das Weihwasser. FRIDTJOF KÜCHEMANN
Sheera Frenkel und Cecilia Kang: "Inside Facebook". Die hässliche Wahrheit.
Aus dem Englischen von Henning Dedekind u. a.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021. 384 S., geb., 24,- Euro
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