Hier nun Bettina Wulffs zweites autobiographisch gefärbtes Buch mit Einlassungen ihres Pfarrers und Freundes Heino Masemann. Es geht in diesem Buch um Bettina Wulffs persönliche und seelische Entwicklung seit der Wiederheirat und Wiederscheidung von Ex-Bundespräsident Christian Wulff und ihren damit
verbundenen Neustart ins Leben. Auch der evangelisch-lutherische Theologe Masemann beschreibt einen…mehrHier nun Bettina Wulffs zweites autobiographisch gefärbtes Buch mit Einlassungen ihres Pfarrers und Freundes Heino Masemann. Es geht in diesem Buch um Bettina Wulffs persönliche und seelische Entwicklung seit der Wiederheirat und Wiederscheidung von Ex-Bundespräsident Christian Wulff und ihren damit verbundenen Neustart ins Leben. Auch der evangelisch-lutherische Theologe Masemann beschreibt einen ähnlich verlaufenen Lebensweg, der bei ihm durch Scheidung, berufliche Neuorientierung sowie Hinterfragen bisheriger sozialer Kontakte zu einigen Umwälzungen geführt hat.
Beide, Frau Wulff und Herr Masemann, beschreiben zunächst eindrücklich und für den Leser gut nachvollziehbar den großen Zwiespalt zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und eigenen Selbstverwirklichungsvorstellungen, der uns mehr oder weniger alle umtreibt. Dabei gehen sie auf eigene Lebenserfahrungen und, ganz wichtig, auch auf persönliche und berufliche Misserfolge ein, so dass ein psychologischer Entwicklungsprozess deutlich wird, der an keiner Stelle zu theoretisch oder abgehoben wirkt. Auch die Hinwendung beider Verfasser aufgrund einschneidender Erfahrungen zu einzelnen Institutionen, Vertretern und Glaubenssätzen des evangelischen Christentums erscheint erst einmal plausibel.
Leider wird es zum Ende des Buches hin undeutlich und widersprüchlich: Es wird nicht mehr präzise darauf eingegangen, was oder welche Ereignisse genau dazu geführt haben, die bisherigen Lebensentwürfe zu analysieren und teilweise zu verwerfen und gegen neue, passendere auszutauschen. Und was möchten die beiden Autoren konkret in ihren neuen Lebensentwürfen verändern, damit sich Beruf, Familie und persönliche Entfaltung harmonisch und (relativ) stressfrei bewerkstelligen lassen? Die Antwort auf diese Frage, die – und dies ist mein
Hauptkritikpunkt – für Außenstehende (die potentiellen Leser dieses Buches) hilf- und lehrreich sein könnte, bleibt man schuldig.
Vor allem Bettina Wulff scheint sich in Plattitüden wie „ich erlaube mir, meinen Gefühlen einen viel größeren Raum zu geben“ oder „Liebe – das ist, wenn zwei Seelen einander so nah kommen können, dass sie sich wirklich wie eins fühlen“ zu flüchten. Diese beiden beispielhaften und esoterisch anmutenden Äußerungen stehen im krassen Widerspruch zu ihrer weiter oben formulierten Selbstkritik, in der Vergangenheit häufig „kurzsichtig“ und aus „innerem Impuls“ heraus gehandelt zu haben, was wiederum dazu geführt hat, diese Bauch-Entscheidungen immer wieder revidieren und „an die Realität anpassen“ zu müssen. So ging Bettina Wulff, diesen Eindruck hinterlassen zumindest ihre Erzählungen, früher häufig Umwege, die sie sich im Nachhinein hätte ersparen können. Nun gut, hinterher sind wir halt alle schlauer.
Jetzt, nach dem Reifeprozess möchte sie aber ihren Gefühlen „mehr Raum geben“. Und das obwohl, wie sie selbst beschreibt, genau dies in der Vergangenheit eher Probleme verursacht hat. Kopf oder Bauch, Frau Wulff? Was möchten Sie? Ich gehe davon aus, dass die Verfasserin nach einer Balance zwischen Verstand und Gefühl strebt. Dafür müsste sie aber den Widerspruch zwischen dem Anspruch, in Zukunft planvoller und geregelter an ihr Leben heranzugehen einerseits, und dem größeren Spielraum für Gefühls-/Instinktentscheidungen andererseits auflösen. Das dürfte alles andere als einfach werden, aber wer von uns kennt dieses Problem nicht?
Frau Wulff, Sie sind in bester Gesellschaft! Man wünscht Ihnen von Herzen, dass Ihnen das in Zukunft (besser) gelingen möge!
Sprachlich ist das Buch recht einfach und fast schon umgangssprachlich gehalten, was es auch für Laien, welche weder mit evangelischer Theologie noch der Biographie von Bettina Wulff vertraut sind, leicht macht, in das Geschehen einzusteigen.
Das Buch ist durchaus lesbar und – man möge mir verzeihen – unterhaltsam, wenn man von Bettina Wulffs bisher noch ungelösten inneren Konflikten, die sich leider negativ auf die Argumentationsstruktur auswirken, einmal absieht.