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Relativistische und konstruktivistische Wahrheits- und Erkenntnistheorien haben weite Teile der akademischen Welt erobert. Paul Boghossian diagnostiziert eine »Angst vor der Wahrheit«, überprüft diese Sichtweisen und macht ihre fundamentalen Schwächen sichtbar. Dabei konzentriert er sich auf drei verschiedene Lesarten der Behauptung, Erkenntnis sei nur sozial konstruiert und Wahrheit lediglich relativ, und widerlegt sie allesamt. Demgegenüber plädiert er dafür, dass wir unserem gesunden Menschenverstand folgen sollten: Die Welt ist, wie sie ist, unabhängig von unseren Meinungen über sie. Warum…mehr

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Produktbeschreibung
Relativistische und konstruktivistische Wahrheits- und Erkenntnistheorien haben weite Teile der akademischen Welt erobert. Paul Boghossian diagnostiziert eine »Angst vor der Wahrheit«, überprüft diese Sichtweisen und macht ihre fundamentalen Schwächen sichtbar. Dabei konzentriert er sich auf drei verschiedene Lesarten der Behauptung, Erkenntnis sei nur sozial konstruiert und Wahrheit lediglich relativ, und widerlegt sie allesamt. Demgegenüber plädiert er dafür, dass wir unserem gesunden Menschenverstand folgen sollten: Die Welt ist, wie sie ist, unabhängig von unseren Meinungen über sie. Warum objektive Erkenntnis möglich ist und eine Wahrheit jenseits sozialer oder kultureller Perspektiven existiert, zeigt Boghossian in diesem brillanten Buch.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D, I ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Paul Boghossian ist seit 1994 Professor für Philosophie an der New York University und Direktor des New York Institute for Philosophy.

Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Richtig zufrieden ist Christof Forderer nicht mit dieser Polemik wider die postmoderne Theorie von Paul Boghossian. Zwar kann ihm der analytisch fitte Autor Theoreme von Foucault bis Goodman schön klar darlegen, beim Anrennen gegen den Tatsachenkonstruktivismus und die Inkohärenz postmoderner Theorien bleibt ihm Boghossian allerdings zu anspruchslos. Eine eigene Theorie, in der den Tatsachen genüge getan wird, traut sich der Autor offenbar nicht zu. Schade, findet der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.04.2014

Der neueste Realismus

"Niemals öffne ich nachts, heimkehrend, die Wohnungstür", schrieb Alfred Polgar einmal, "ohne ein wenig absichtlichen Lärm zu machen." Denn er wolle nicht überrascht werden: Wurde seine Abwesenheit von den Dingen benützt, um aus der Disziplin der Naturgesetze zu springen, so sollten sie noch Zeit genug bekommen, "in die gewohnte dreidimensionale Ordnung zurückzuschlüpfen".

Wie sie es gemeinhin ja auch tun, weil sie die gewohnte Ordnung selbstverständlich nie verlassen haben, sagen die einen. Aber wer weiß, sagen andere, woher wollen wir wissen, was geschieht, wenn es gar keinen Beobachter gibt? Und vielleicht benehmen sich Dinge ja sogar in unserem Beisein daneben, und wir bemerken es bloß selten. Aber warum sollte nicht ein Buch, das wir in der Hand haben, plötzlich doch zu sprechen beginnen, so wie in all den kurios-schauerlichen Begebenheiten, von denen die Science-Fiction-Literatur voll ist?

Das sprechende Buch haben wir uns nicht ausgedacht, wir entnehmen es dem Vorwort zu einem Sammelband über "spekulativen Horror" ("Abyssus intellectualis". Spekulativer Horror. Hrsg. von Armen Avanessian und Björn Quiring. Merve Verlag, Berlin 2014). Auf der Horrorskala der eigenwilligen Dinge und Lebewesen, mit denen Science- und Pulp-Fiction aufwarten, stehen allerdings sprechende Bücher ziemlich weit unten. Aber sie reichen hin, um zu erläutern, was es mit einer philosophisch gemeinten Aneignung dieses Horrors auf sich hat. Denn um eine Philosophie geht es dabei, die seit einiger Zeit unter dem Titel "spekulativer Realismus" auch durch die Feuilletons geistert. Es gibt diesen Realismus von einer eher akademischer Ausführung ("Neuer Realismus") bis zur philosophisch-literarischen Off-Avantgarde, dann mit Übergang in die Kunstszene. Kleinster gemeinsamer Nenner ist die Überzeugung, dass die Wirklichkeit nicht nur unter den Bedingungen der Möglichkeit unserer kognitiven Verarbeitung zugänglich sei.

Originell ist daran, dass die neuen Realisten ihr Programm gern als eine Art epistemischer Wurzelbehandlung von fatalen intellektuellen Neigungen ansehen. Die Übel heißen "Postmoderne", "Relativismus" und "Konstruktivismus". Bleiben wir vorerst bei dem Band über den "spekulativen Horror". Seine Beiträger halten sich mit Beschreibungen der "postmodernen Kondition" nicht lange auf, weil sie ohnehin gleich aufs Ganze gehen, nämlich auf Beschwörungen einer Realität, die Kapriolen schlägt und uns auf diese Weise vor Augen führt, dass es mit ihrer Bändigung durch unsere Begriffe und Wahrnehmungsschemata nichts wird. Freilich ist es eine fiktive, aus der Science-Fiction bezogene "Realität", die hier als Statthalter einer kognitiven Unverfügbarkeit auftritt.

In der Verknüpfung mit dem Thema der Science-Fiction bekommt die Marke "Realismus" hier einen abgründigen Akzent. Wozu auch eine zeitdiagnostische Komponente gehört, denn der Horror soll ja nicht bloß fiktiver Regelbruch sein, sondern der Schlüssel, um die Normalität zu verstehen. Ausweislich des Vorspruchs des Herausgebers soll die Orientierung an der beschworenen unverfügbaren Realität irgendwie auch zeitgemäße Widerstandsformen und Fluchtwege - also wohl gegen und aus dieser Normalität - finden helfen.

Um des Kontrasts willen wechseln wir zu einem Autor, der gern in die Nähe der neuen Realisten gerückt wird. Auch Paul Boghossian hält es recht emphatisch mit einer Wahrheit, die sich nicht auf unsere Zugangsmöglichkeiten zu ihr herunterbrechen lässt ("Angst vor der Wahrheit". Ein Plädoyer gegen Relativismus und Konstruktivismus, Berlin 2013). Deshalb soll der vor allem geistes- und sozialwissenschaftliche Relativismus der Widersprüchlichkeit überführt werden.

Boghossians Buch, im Original bereits 2006 erschienen, ist eine späte Reaktion auf die Konjunktur der Rede von der "sozialen Konstruiertheit" von Gegenständen. Dem Autor erscheinen alle großen Figuren einer selbstkritischen analytischen Tradition als Beförderer eines fatalen, weil alle möglichen Erkenntnisansprüche neben der einzig legitimen richtigen Wissenschaft bejahenden Unfugs: Hilary Putnam, Nelson Goodman, Richard Rorty ohnehin. So landet Boghossian schließlich bei Kant und dessen Verneinung, "dass die Welt, insoweit wir sie erkennen können, unabhängig von den Begriffen sein kann, mit denen wir sie erfassen".

Da ist mit der philosophischen Patenschaft Kants wieder der gemeinsame Nenner der neuen Realismen berührt. So wie sich auch Quentin Melaissoux, prominenter französischer Vertreter der "spekulativen" Variante, in seinem Beitrag für den Horror-Sammelband an Kant abarbeitet: um via Science-Fiction plausibel zu machen, dass man sich doch immerhin eine Welt denken könne, die unsere Gesetzeserwartungen auf eher bescheidene Weise unterläuft und in der wir trotzdem als Erkenntnissubjekte nicht verloren sind.

Boghossian, der mit seinem Realismus auf eine solide Welt hinauswill, fände das vermutlich kurios. Alfred Polgar hatte sich zu den unbeobachteten Dingen auf seine Weise ins Verhältnis gesetzt. Karl Kraus fand übrigens auch eine Variante der Frage nach den Begebnissen ohne Beobachter: "Ist eine Frau im Zimmer, ehe einer eintritt, der sie sieht?" Das war zwar unkorrekt, zeigte aber doch hübsch, wie man aus der Philosophie zum Common Sense zurückkehren und daraus rhetorisch Kapital schlagen kann.

HELMUT MAYER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Interessant an Boghossians Vorgehen ist, dass er der Gegenseite zuweilen viel Kredit einräumt. Vor allem die Auffassung, es könne zwischen zwei einander widersprechenden 'epistemischen Systemen' keine letzte Entscheidung zugunsten einer Wahrheit geben, führt Boghossian so plausibel aus, dass man immer nur nicken möchte...« Andrea Roedig Neue Zürcher Zeitung 20140208