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Was kostet es, das eigene Leben in die Hand zu nehmen?
Mit Mitte zwanzig hat er schon mehrere Leben hinter sich: Eine Kindheit in extremer Armut, die Scham über die eigene Herkunft, die Flucht vom Dorf in die Stadt, den Aufbruch nach Paris. Er macht sich frei von den Grenzen seiner Herkunft, nimmt einen neuen Namen an, liest und schreibt wie ein Besessener, probiert sich aus, will alle Leben leben. Immer neue Welten erschließen sich ihm. Mit unbändiger Energie erfindet er sich wieder und wieder, schließt Freundschaften und hinterfragt doch die radikale Selbstveränderung, die sich nie ganz…mehr

Produktbeschreibung
Was kostet es, das eigene Leben in die Hand zu nehmen?

Mit Mitte zwanzig hat er schon mehrere Leben hinter sich: Eine Kindheit in extremer Armut, die Scham über die eigene Herkunft, die Flucht vom Dorf in die Stadt, den Aufbruch nach Paris. Er macht sich frei von den Grenzen seiner Herkunft, nimmt einen neuen Namen an, liest und schreibt wie ein Besessener, probiert sich aus, will alle Leben leben. Immer neue Welten erschließen sich ihm. Mit unbändiger Energie erfindet er sich wieder und wieder, schließt Freundschaften und hinterfragt doch die radikale Selbstveränderung, die sich nie ganz vollendet. Édouard Louis hat ein großes Buch geschrieben darüber, was man zurücklässt, wenn man bei sich selbst ankommt.

Der neue Roman von Édouard Louis, der Autor von »Das Ende von Eddy«.

»Ein starkes Buch.« ARD Morgenmagazin.

»Édouard Louis beginnt seinen neuen, autobiografischen Roman mit einer derart fesselnden Einführung in sein Leben, dass man schon nach wenigen Seiten süchtig nach mehr ist.« Zeit Magazin.

»Ein Buch von aufwühlender Schönheit.« Le Monde.

»Es hat eine enorme aufpeitschende Kraft, wie Édouard Louis sein Leben reflektiert.« Edgar Selge.

»Ein seltener Glücksfall – ein Autor, der etwas zu sagen hat und bereit ist, es ohne Rücksicht auf sich selbst zu tun.« The New York Times.

»Fesselnd.« FAZ.

»Höchst eindrucksvoll. In der Radikalität, mit der er vorgeht, liegt eine enorme Kraft. « Jörg Magenau, rbb.


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Autorenporträt
Édouard Louis, geboren 1992, gilt als einer der wichtigsten Autoren der jüngeren Generation. Sein Roman 'Das Ende von Eddy' machte ihn 2015 international bekannt. Er erzählte darin von seiner Kindheit in einem Dorf in Nordfrankreich in prekärsten Verhältnissen. In 'Anleitung ein anderer zu werden' erzählt er davon, wie er die Grenzen seiner Herkunft hinter sich ließ. Seine Bücher erscheinen in 35 Sprachen und werden an Bühnen überall auf der Welt fürs Theater adaptiert. Zuletzt erschienen 'Im Herzen der Gewalt', 'Wer hat meinen Vater umgebracht' sowie 'Die Freiheit einer Frau'. Édouard Louis lebt in Paris. Sonja Finck, geboren 1978 in Moers, lebt als literarische Übersetzerin in Berlin und Gatineau (Kanada). Sie überträgt unter anderem Annie Ernaux ins Deutsche. 2019 erhielt sie den Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Rezensent Florian Eichel schätzt Edouard Louis als genauen Beobachter, als "Forensiker der sozialen Ungerechtigkeit" gar. Vergleiche mit Stendhal, Balzac oder Maupassant scheut der Kritiker ebenfalls nicht - mehr noch: Im Gegensatz zu jenen mache Louis die feinen sozialen Unterschiede als "Tatwaffen" sichtbar. Nur leider kennt der Rezensent all das, was Louis hier in zwei Briefen an Vater und Jugendfreundin Elena schreibt, hinreichend aus den Vorgängerromanen: Aufstieg aus dem Prekariat, sexuelle und intellektuelle Erweckung in Paris, Demütigungen. Weniger Vergangenheit, dafür mehr "Mut zum Konjunktiv"- das würde Eichel gefallen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.09.2022

Die Verwandlung
Édouard Louis’ Roman „Anleitung ein anderer zu werden“
ist das Protokoll einer stählernen Selbsterziehung
VON MAIKE ALBATH
Es geht vor allem um die Zurichtung des Körpers. Damit aus dem Provinzjungen Eddy mit seinen Sweatshirts, den Jogginghosen und dem breiten nordfranzösischen Akzent Édouard werden kann, muss der Heranwachsende alles verlernen, was ihn bisher ausgemacht hat. Er trainiert seine Sprechwerkzeuge und gewöhnt sich sein unbefangenes lautes Lachen ab.
Er hört auf, immer nur Sandwichs und Pommes Frites in sich hinein zu stopfen, treibt Sport und nimmt zehn Kilo ab. Er lernt, auf eine bestimmte Weise mit Messer und Gabel zu essen und das Besteck nicht mehr wie ein Bauer in der Hand zu halten. Er schmeißt seine bequeme Kleidung auf den Müll und kauft sich stattdessen Hemden, Hosen, schmale Jacketts und Krawatten. Irgendwann, als er längst ein enormes Bildungsprogramm durchlaufen hat, lässt er seine schlechten Zähne richten. Er tilgt seine Herkunft, die in seinen Körper eingeschrieben war, durch bewusste Umformung und totale Kontrolle. Am Ende ist er tatsächlich ein anderer. Oder eben doch nicht ganz? In seiner charakteristischen Ästhetik mit der schmucklosen Sprache und dem klar strukturierten Satzbau zeichnet der französische Schriftsteller Édouard Louis, der 1992 in Hallencourt geboren wurde, mit seinen Büchern internationale Erfolge feiert und die Frage der Klassenschranken neu formuliert hat, in seinem fünften autofiktionalen Roman „Anleitung ein anderer zu werden“ seine Aufstiegsgeschichte nach. Damit greift er einen Topos der französischen Literatur auf: schon für Stendhal und Balzac war der Überwindung der Herkunft durch Anpassung ein Faszinosum.
Wie sonst auch bemüht sich der Bourdieu-Spezialist und durch Didier Eribon geprägte Autor – Eribon ist eine der Ankerfiguren dieser Rückschau - um soziologische Tiefenschärfe, dokumentiert den Prozess dieses Mal durch eine Reihe von Fotos und wendet sich stärker als in früheren Texten dem emotionalen Preis zu, den er für den Wechsel seiner sozialen Schicht bezahlen musste. „Manchmal denke ich, dass meine Flucht vergeblich gewesen ist, dass ich um ein Glück gekämpft habe, das ich nie gefunden habe“, heißt es ganz am Schluss. Aber dass er seinem Heimatdorf in der Picardie, in dem es jenseits von Armut, Gewalt und tumber Virilität nichts gab, entkommen musste, hing mit seinen Neigungen zusammen: Seine Eltern schämten sich für den verspielten, mädchenhaften Jungen und ließen ihn ihre Ablehnung spüren. Von Schulkameraden permanent drangsaliert, entdeckte er das Theaterspielen und schließlich das Gymnasium in Amiens, wo er im Internat wohnen konnte, als Ausweg.
Einige der Schlüsselerfahrungen kennt man aus Louis‘ bedrängendem Debüt „Das Ende von Eddy“, das im Original 2014 erschien, die Geschichte seiner als falsch empfundenen sexuellen Identität schilderte und ihn sofort berühmt machte. Andere Szenen tauchten in dem anrührenden Porträt „Wer hat meinen Vater umgebracht“ auf und der ebenso eindrücklichen Hommage an seine Mutter „Die Freiheit einer Frau“. Auch die Gefühlslagen sind ähnlich: tiefe Scham, die er seinen später Eltern heimzahlt, indem er seine kulturelle Überlegenheit zur Schau stellt. Ebenso gleißende Wut. Immer wieder umkreist Louis seine frühen Verletzungen, legt Erinnerungsbilder übereinander, zitiert aus seinen Büchern, macht die Wiederholung auch auf einer Metaebene zu einem Bestandteil seines Erzählens und arbeitet mit Umschichtungen verschiedener Vergangenheitselemente. „Anleitung ein anderer zu werden“ setzt da an, wo „Das Ende von Eddy“ aufgehört hatte und nimmt die Jahre auf dem Gymnasium, die ersten Semester an der Universität von Amiens und den Wechsel an die École normale supérieure nach Paris in den Blick. Vor allem zwei Menschen sind prägend: seine Schulfreundin Elena, in deren bildungsbürgerlichem Elternhaus er sich zum ersten Mal verpuppt, und sein Mentor und späterer Freund, der Soziologe Didier Eribon.
Stärker als in seinen vorangegangenen Selbstrecherchen sieht sich der Autor als aktiven Bestandteil des Beziehungsnetzes. Zwar schildert er auch in „Anleitung ein anderer zu werden“ die Zurückweisungen, aber dieses Mal beschreibt er ebenso offenherzig, wie er andere benutzt und funktionalisiert. Auf einen ersten Prolog, in dem er seine Situation als inzwischen berühmter Schriftsteller in der Jetztzeit umreißt, ein zweiter Vorspann. Er markiert den Tiefpunkt seines Werdegangs, als nämlich Édouard in Paris seinen Körper verkauft, um die Zahnarztrechnung begleichen zu können. Demütigung und Selbstverachtung halten sich die Waage, und als der zwanzigjährige Student schließlich wieder zu Hause ist, spürt er zum ersten Mal die Trauer um denjenigen, der er als Kind war.
Es gibt also so etwas wie ein Vakuum, eine Leerstelle in seinem Inneren: Der Druck, die alten Häute abzustreifen, war so enorm, dass Bindungen auf der Strecke blieben. Und diese Macht über den eigenen Körper – plötzlich kann sich Louis ebenso oberschichtsmäßig nasal artikulieren, plötzlich merkt man seiner durchtrainierten Erscheinung die jahrelange schlechte Ernährung nicht mehr an, plötzlich ist sein hübsches Gesicht mit den weichen Zügen sein Kapital – gewinnt eine Eigendynamik, die kaum zu bremsen ist.
Denn anders als für die loyale Elena, die das bourgeoise Paris verachtet, ist es für Édouard nie genug: Seine Gier hält an, er will zur französischen Elite gehören. Auch hier stellt der Autor eine interessante Parallele her: Als er sich endlich traut, seine Sexualität auszuleben und sich einer genussvollen Promiskuität hingibt, entdeckt er eine neue Vitalität. Bei aller Zurichtung des eigenen Selbst geht es also auch um die berauschende Erfahrung von Freiheit.
Die „Anleitung ein anderer zu werden“ kreist aber um diejenigen, die er verraten und verleugnet hat. Der Wunsch, sich stärker auf andere zu beziehen, spiegelt sich in der strukturellen Gestaltung des Romans: Im ersten Teil ist sein fiktives Gegenüber der Vater, den er direkt adressiert. Teil zwei trägt den Titel „Didier (Bruch)“ und setzt den Dialog mit dem Vater fort. Im dritten Teil mit dem Peter Handke variierenden Titel „Kurze Briefe für einen langen Abschied“ wird Elena zu seinem Gegenüber. Es ist der Versuch, sie um Verzeihung zu bitten. Der vierte, extrem kurze mit dem Titel „Auflösung“ handelt von der Arbeit an seinem ersten Roman. Louis, der sich in seiner Analyse von unterdrückerischen Verhältnissen ebenso auf Peter Handke, James Baldwin wie auf Toni Morrison bezieht, protokolliert kollektive Erfahrungen von Ausgrenzung und findet dafür eine literarische Sprache. Seine Bücher benennen ähnlich wie die Romane von Annie Ernaux drängende gesellschaftliche Probleme, was auch Louis‘ Wirkung auf die deutsche Literatur erklärt. Von Christian Baron über Daniela Dröscher, Deniz Ohde bis zu Fatma Aydemir ist die Klassenfrage längst in die deutsche Literatur hinüber geschwappt. Dass man Édouard Louis‘ Verwandlungs-Protokoll so atemlos liest, liegt an seiner radikalen Ehrlichkeit. Seine Schonungslosigkeit ist nie kokett; den Verrat an sich selbst bringt er in grell ausgeleuchteten Szenen auf den Punkt.
Als Elenas Mutter ihn eines Abends mit „Édouard“ anspricht, weil sie es passender für den jungen Mann findet als Eddy, identifiziert er sich sofort mit dem neuen Namen, obwohl er weiß, dass sein Vater ihn nach den Helden seiner amerikanischen Lieblingsserien benannt hatte. Ein anderes Mal ermahnt ihn ein amerikanischer Bankdirektor, mit dem er eine Affäre hat, auf seinem weißen Sofa keinen Rotwein zu verschütten, es sei Eisbärenfell.
Geldnot zwingt ihn zu benutzerischen Beziehungen, aber immer wieder entsteht der Eindruck, dass Édouard diese Selbstentwertung sucht. In „Anleitung ein anderer zu sein“ unternimmt er den Versuch, vollkommen ungeschützt zu sprechen. Der Motor ist die Trauer um das Gefühl des Einsseins mit sich, wie er es aus seiner Kindheit kannte. Allerdings weiß man, dass dies nur ein Teil der Wahrheit ist. Eddy entsprach nicht der Norm, was letztendlich seine Rettung war. Die Sehnsucht bleibt dennoch unstillbar.
Die Ehrlichkeit ist radikal,
doch die Schonungslosigkeit
trotzdem nie kokett
Der Druck, die alten Häute abzustreifen, ist so enorm, dass Bindungen auf der Strecke blieben: Édouard Louis erzählt von seinem Aufstieg aus dem nordfranzösischen Subproletariat in die Pariser Kulturelite.
Foto: picture alliance / dpa
Édouard Louis: Anleitung ein anderer zu werden. Aus dem Französischen von Sonja Finck. Aufbau Verlag Berlin 2022.
272 Seiten, 24 Euro.
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»Édouard Louis ist einer der präzisesten Beobachter der Gegenwartsliteratur, sein neuester Roman belegt das eindrucksvoll.« Florian Eichel DIE ZEIT 20221013