Die Legende vom seltsamen Künstler lebt. Die Vorstellung, schöpferische Arbeit in Farbe und Form ginge zwangsläufig einher mit einer Reihe an Eigenartigkeiten, die wiederum den künstlerischen Geist erst ausmachten, ist ebenso alt wie aktuell. Ein einheitliches Klischee, eine genaue Definition dessen, was den Künstler zum gesellschaftlichen Sonderfall in jeder Hinsicht werden lässt und seit jeher werden ließ, ist allerdings schwerlich auszumachen. Die Bandbreite der angeführten Sonderbarkeiten groß. Von einer exzentrischen Ader war und ist da die Rede, von selbstzerstörerischen Tendenzen, Wankelmut (stets himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt), von innerer Unruhe und der allgemeinen Neigung zum Extremen. Von all jenen Wesenszügen, die Künstlern in Vergangenheit und Gegenwart zugeschrieben wurden und werden, beschäftigt sich dieser Text mit der Melancholie. Im Folgenden soll die Bedeutung des melancholischen Temperaments im Bereich der Kunst skizziert und der Begriff des melancholischen oder auch saturnischen Künstlers erläutert werden. Anschließend gilt es der Frage nachzugehen, inwieweit Annibale Carracci angesichts seines Wesens und Wirkens als Stereotyp und Inbegriff eines solchen gelten kann.
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