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Österreichs Außenpolitik
Wie Deutschland ist auch Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg von den Siegermächten besetzt und in vier Zonen aufgeteilt worden. Doch erlangte es 1955 seine Souveränität zurück und nutzte die Unabhängigkeit für eine eigenständige, mit Augenmaß geführte Außenpolitik. So konnte Österreich eine Rolle spielen und Akzente setzen, die man von einem Land dieser Größe nicht unbedingt hätte erwarten können. Die Diplomaten außer Diensten Franz Cede und Christian Prosl haben die Außenpolitik ihres Landes seit 1945 in einem Kompendium betrachtet, das "Anspruch und Wirklichkeit" offenzulegen verspricht.
Wer nach saftigen Indiskretionen oder blühenden Anekdoten sucht, wird nicht fündig werden. Es überwiegt die feine diplomatische Note, gepaart mit der systematischen Gliederung der geschulten Juristen. Das macht das Buch zu einem seriösen und kenntnisreichen Übersichtswerk. Aber der außenstehende Leser hätte sich anstelle des gelegentlichen Namedropping, welcher Botschafter oder Sektionschef sich hier oder da verdient gemacht habe, doch etwas mehr konkrete Schilderungen gewünscht, zumal die Autoren von manchen Begebenheiten, etwa der Waldheim-Affäre, aus eigenem Erleben ein Bild zeichnen könnten. Kritik an der gegenwärtigen Regierungspolitik wird in gemessenen Worten hier und da eingebaut.
Dreh- und Angelpunkt der Wiener Außenpolitik war die immerwährende Neutralität, die Österreich sich 1955 "aus freien Stücken", wie es im entsprechenden Gesetz heißt, auferlegt hat. So ganz freiwillig natürlich doch nicht: Es war die Bedingung der Sowjetunion für den Abzug ihrer Truppen. Österreich war sehr bald mit der Herausforderung konfrontiert, wie es den Status ausfüllt, wenn es kritisch wird. In der Ungarn-Krise 1956 ebenso wie später bei der Niederschlagung des Prager Frühlings stellte es sich in Wort und Tat, nämlich durch die großzügige humanitäre Hilfe für viele Flüchtlinge, auf die Seite der freien Welt, ohne seine Neutralität in Frage zu stellen.
Wien wurde zum Pflaster, auf dem sich im Kalten Krieg die Supermächte begegnen konnten, es wurde Amtssitz der Vereinten Nationen und später der OSZE. Bruno Kreisky nutzte sein Ansehen und seine Position an der Spitze der Sozialistischen Internationale für eine auf Dialog setzende Nahostpolitik. Durch den Beitritt zur EU wurde der Spielraum für eigenständige Pirouetten eingeschränkt, doch kann Wien im Bedarfsfall das Gewicht der Union auf die Waage bringen. Freilich bedeutete für die Österreicher die Phase der willkürlichen "Sanktionen" gegen die Regierung Schüssel eine herbe Ernüchterung. Keine EU-Regierung sprang ihr bei.
Die Autoren wollen im öffentlichen Bewusstsein die Erkenntnis wecken, dass der EU-Beitritt ein "Wendepunkt der österreichischen Geschichte" sei. Die Neutralität halten sie für "ausgehöhlt und sinnentleert". Nur weil sie innenpolitisch ein Tabu sei, werde sie nicht angetastet. Dabei bedeutet "immerwährend" keineswegs, dass die Neutralität auf immer und ewig gelten muss. Rechtlich heißt das bloß, dass sie dauernd gilt, also nicht nur, während andere gerade Krieg führen.
STEPHAN LÖWENSTEIN
Franz Cede/Christian Prosl: Anspruch und Wirklichkeit. Österreichs Außenpolitik seit 1945. Studien Verlag, Innsbruck 2015. 174 S., 21,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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