Statuen und Reliefs mit der Wiedergabe der menschlichen Gestalt gehören zum umfangreichen Fundus antiker Artefakte, die als Spolien Eingang in die mittelalterliche Kultur gefunden haben. Als eigenständige Gruppe wurden sie von der Forschungsliteratur jedoch kaum berücksichtigt. Ihre Bedeutung gilt aufgrund der geringen Anzahl an überlieferten Beispielen als marginal, das Verhältnis des mittelalterlichen Betrachters zur antiken Statuarik als indifferent bis ablehnend. Die vorliegende Studie zeichnet ein anderes Bild. Erstmals werden hier die Grundlagen der mittelalterlichen Aneignung antiker Bildwerke auf breiter Basis systematisch untersucht. Anhand von schriftlichen Quellen gelingt der Nachweis, dass ein Interesse am inhaltlichen Verständnis antiker Bildwerke während des Mittelalters ohne Frage wach geblieben ist. Von einem christlichen Weltbild geprägte Deutungsversuche folgen Mustern, die sich auch in der modernen Wissenschaft finden. Kenntnisse über die antiken Gattungen der Portrait- und Idealplastik blieben stets gewahrt, ebenso wie das Bewusstsein, dass es sich bei den Bildwerken um Relikte einer vergangenen Epoche handelte, die ihre religiöse Kraft eingebüßt hatten. Diese Einsichten wiederum öffneten den Weg nicht nur für eine ästhetische Wertschätzung. Antike Bildwerke wurden als Trophäen, Zeugnisse einer ruhmvollen Vergangenheit und Herrschaftszeichen vereinnahmt. Fehlbenennungen dürfen nicht ausschliesslich als Tribut an eine vermeintliche Unkenntnis gewertet werden, sondern folgen der antiken Praxis einer bewusst vollzogenen Umtaufe. Umgearbeite Sepulkralskulptur erweist sich als Geburtshelfer der mittelalterlichen Ehrenstatue. Und auch Spolien im Kontext von Heiligenfiguren veranschaulichen den Versuch, den geschichtlich und künstlerisch geschätzten Relikten einen Platz in der eigenen Kultur zuzuweisen.
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